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Frühlingsstürme

Operette in drei Akten
Libretto von Gustav Beer
Rekonstruiert und neu arrangiert von Norbert Biermann
Musik von Jaromír Weinberger

in deutscher Sprache mit verschiedensprachigen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere an der Komischen Oper Berlin am 25. Januar 2020
rezensierte Aufführung: 29. Januar 2020)


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Komische Oper Berlin
(Homepage)
Parole Frühlingsstürme

Von Roberto Becker / Fotos von Iko Frese / drama-berlin.de

Bevor die Komische Oper in diverse Provisorien umzieht, um das Haus auf Vordermann zu bringen, zeigt Barrie Kosky noch einmal, warum seine Intendanz so erfolgreich ist, seit er 2012 das Haus übernahm. Mit seiner Stückauswahl hat er ein eigenes Profil entwickelt, das sich auf die Geschichte des Hauses und der Stadt stützt. Die Berliner Operette, die bis zur Machtergreifung der Nazis zu dem schillernden Drumherum gehörte, das den Zwanziger Jahren noch heute ihr goldenes Image verpasst und in der kollektiven Wahrnehmung mit der Faszination der Lebenslust alle Schattenseiten und den Weg in die Katastrophe überstrahlt.

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Die jüngste Ausgrabung von Jaromir Weinbergers Operette Frühlingsstürme ist dafür ein Paradebeispiel. "Tanz auf dem Vulkan" trifft es nicht ganz. "Am Rande des Abgrunds" wäre genauer. Allein die Vorstellung macht noch heute eine Gänsehaut, dass am Tag von Hitlers Machtergreifung draußen die Braunhemden mit ihren Fackeln zur Reichskanzlei in der Wilhelmstraße marschierten, während im damaligen Admiralspalast ein neues Werk des höchst erfolgreichen, 1896 in Prag geborenen jüdischen Komponisten über die Bühne ging und Publikumsliebling Richard Tauber mit dem Hit der Operette "Du wärst die Frau für mich gewesen" glänzte. Das ging natürlich nicht lange gut. Die Nazis jagten die Protagonisten des Erfolgs aus dem Land und verbannten die Komponisten von den Bühnen. Dabei war Weinberger mit seiner 1927 uraufgeführten Oper Schwanda der Dudelsackpfeifer überaus erfolgreich - landete 1929/30 bei den Aufführungszahlen sogar noch vor den Repertoire-Dauerbrennern Carmen und Zauberflöte. Er emigrierte 1938 in die USA - konnte aber weder dort, noch nach dem Krieg in Europa an seinen frühen Erfolg anknüpfen und nahm sich 1967 das Leben. Im März wird Koskys Vorgänger Andreas Homoki Weinberges größten Erfolg ebenfalls an der Komischen Oper inszenieren.

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Im Falle der mit erheblichem Reklameaufwand zur Uraufführung am 20. Januar 1933 begleiteten Frühlingsstürme ist bislang sogar die Partitur verschollen. Was jetzt an der Komischen Oper zu erleben ist, ist eine Rekonstruktion zu der Norbert Biermann auch noch eine Ballettmusik hinzu komponiert hat, um nach der Pause den zweiten Teil anzuschließen. Ursprünglich gab es zwei Pausen. Die Frühlingsstürme reihen sich damit ein in Barrie Koskys Entdeckungsreise durch die Welt der vergessenen Berliner Operette, die ihm als Regisseur am Herzen liegt und zu seiner Kernkompetenz gehört. Musikalisch gilt das offenbar auch für den Dirigenten Jordan de Souza, der vom Graben aus ein Klangfeuerwerk aufsteigen lässt. Das sind mitreißende Nummern, und auch der von Norbert Biermann nicht nur komplettierte, sondern auch ergänzte Orchesterpart leuchtet und funkelt.

Kosky zündet dann sogar ein echtes Feuerwerk auf der Bühne. Aber auch das im übertragenen Sinne. Der Hintergrund der Handlung ist der russisch-japanische Krieg von 1905. Der Schauplatz das russische Hauptquartier weit hinten in der nordchinesischen Mandschurei. Bei den sich anschließenden Friedensverhandlungen in dem Luxushotel in San Remo triumphiert die Drehtür und gibt endgültig das Tempo der Szene vor. Es heißt, man war sich damals nicht so ganz sicher, ob es eine Oper oder eine Operette ist, was Weinberger auf seinen Volksopernerfolg folgen ließ. Koskys Inszenierung wahrt stilsicher eine bewusste Distanz zu einer unreflektierten Operettenseligkeit und spielt zugleich lustvoll mit den Mitteln des Genres. Er führt es mit unverkennbarer Zuneigung vor, aber stellt es in keiner Szene bloß. Er ist klug genug, es seinen Zuschauern zu überlassen, den Bezug zu den turbulenten Uraufführungstagen im Schein der Nazifackeln, der nun wirklich opernhafte Züge hat, zu überlassen und nicht mit zu inszenieren.


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Es wird viel geredet in den Frühlingsstürmen. Für Stefan Kurt in der Sprechrolle des General Wladimir Katschalow ist das natürlich keine Hürde - er darf nicht nur seine Affinität zum Musiktheater ausspielen, sondern sogar auch mal singen. Auch die Rolle des Rittmeisters Strotzky ist mit Schauspieler Sascha Goepel besetzt. Dem naheliegenden Kalauer, aus Strotzky einmal Trotzki zu machen, entkommt er nicht. Doch an der Komischen Oper sprechen auch die Sänger, wenn es sein muss, jenseits aller Peinlichkeiten.

Es ist gewiss keine leichte Kür für einen Tenor, verordnetes Vergessen hin oder her, die Richard Tauber in die Kehle geschriebenen Hits zu stemmen. Tansel Akzeybek überzeugt mit seinem "Du wärst die Frau für mich gewesen", das einen langen Winter des Vergessens nach den Frühlingsstürmen überdauert hat. Er spielt den Japaner Ito, der mit Hilfe seiner großen Liebe, der (von allen Männern, besonders aber von General Katschalow) umschwärmten prominenten russischen Witwe Lydia Pawlowska aus der Gefangenschaft entkommt und am Ende die japanische Delegation bei den Friedensverhandlungen anführt. Passend zum Tauber-Hit gibt es kein Happyend zwischen den beiden. Doch auch wenn Lydia am Arm von Katschalow das Schlachtfeld der Liebes- und Spionage-Händel verlässt, ist sie bei Vera-Lotte Boecker eine Frau mit Format. Stimmlich und auf den ersten und jeden weiteren Blick auch.

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Da Otto Pichler für die Choreographie steht, ist für angemessen mitreißendes Federboawedeln und Beinewerfen beim weiblichen Teil des Hausballetts gesorgt. Kosky reizt Tempo und Slapstick bis zum Äußersten aus, aber er hat ein untrügliches Gefühl dafür, wo es nur albern wird und bremst alle mal kurz davor ab. Man vergisst fast, dass eine riesige Holzkiste (Bühne: Klaus Grünberg) die Bühne füllt, aus der heraus sich die Kulisse einfach und flexibel entwickeln lässt. Soviel Reminiszenz an die jahrzehntelange Unterbrechung der Aufführungsgeschichte muss dann doch sein.


FAZIT

Barie Kosky ist es erneut gelungen, mit seiner Kernkompetenz, der Berliner Operette, am Ort ihrer Entstehung zu glänzen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jordan de Souza

Inszenierung
Barrie Kosky

Choreographie
Otto Pichler

Bühne und Licht
Klaus Grünberg

Mitarbeit Bühne
Anne Kuhn

Kostüme
Dinah Ehm

Dramaturgie
Ulrich Lenz



Orchester der Komischen Oper


Solisten

General Wladimir Katschalow
Stefan Kurt

Tatjana
Alma Sadé

Lydia Pawlowska
Vera-Lotte Boecker

Roderich Zirbitz
Dominik Köninger

Ito
Roman Payer

Oberst Baltischew
Tino Lindenberg

Grossfürst Michailowitsch
Luca Schaub

Shibato und Hotelconcierge
Arne Gottschling

Kawa-Kami und Peter
Yannik Heckmann

Rittmeisters Strortzky
Sascha Goepel

Tänzerinnen
Alessandra Bizzarri
Claudia Greco
Marika Gangemi
Martina Borroni
Azzurra Adinolfi
Jaslyn Reader
Lauren Mayer
Sophie Merrison
Meri Ahmaniemi
Tara Randell
Livia Delgado
Sarah Stanley
Sara Pamploni



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Komischen Oper Berlin
(Homepage)



Da capo al Fine

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