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"Faust"-Premiere

Satanisches Gelächter und super Gesang in der Bielefelder Oper

Tomo Sugaos Inszenierung der Gounod-Oper „Faust“ am Bielefelder Theater ist bemerkenswert. Prächtig aufgelegt sind die Philharmoniker.

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Méphistophélès (Yoshiaki Kimura, l.) entsteigt der Unterwelt. Faust (Daniel Pataky) widersetzt sich ihm zunächst mittels einer Pistole, um ihm dann zu verfallen und einen Pakt mit ihm einzugehen. | © Sarah Jonek

Méphistophélès (Yoshiaki Kimura, l.) entsteigt der Unterwelt. Faust (Daniel Pataky) widersetzt sich ihm zunächst mittels einer Pistole, um ihm dann zu verfallen und einen Pakt mit ihm einzugehen. | © Sarah Jonek

03.03.2020 | 03.03.2020, 17:18

Bielefeld. Wer Charles Gounod lediglich als Komponist des auf kirchlichen Hochzeiten zu Tode gerittenen „Ave Maria" kennt, sollte unbedingt die Bielefelder Oper besuchen, wo seine Faust-Oper eine umjubelte Premiere feierte. Abgesehen von ein paar anfänglichen Wacklern in den ansonsten großartigen Chorpartien (Einstudierung Hagen Enke) erlebte das Publikum eine bemerkenswerte Inszenierung mit einem bestens vorbereiteten Solistenensemble und prächtig aufgelegten Philharmonikern, die doch gerade erst ein schweißtreibendes Beethovenprogramm gestemmt hatten.

Tomo Sugao (40) hatte eine ebenso schnörkellose wie gut durchdachte Regiearbeit abgeliefert. Timo Dentler und Okarina Peter (Bühne und Kostüme) hatten ein elementares Bühnenbild entwickelt. Wissend, dass die Theaterbühne ein nach vorne offener Kasten ist, haben sie diesen Kasten ausstaffiert mit drei weiteren Kästen – klein, mittel, groß –, die je nach Bedarf gegeneinander verschoben werden konnten und erstaunliche Perspektivwechsel bewirkten. So war eine Landschaft mit verschiedenen Guckkästen geschaffen.

Lametta macht Oper zu Revuetheater

Glitzerndes Lametta allerorten verwandelte Gounods Oper in eine Art Revuetheater, dessen Ausleuchtung des famosen Johann Kaiser die rechten Winkel der dreifachen Kastenwelt in flirrende Welten (und Unterwelten) verwandelte. Die Kostüme sorgten für übersichtliche Ordnung im faustischen Chaos. Die vom Choreografen Giovanni Cuccaro einstudierte, genial zappelige Entcourage des grünhaarigen Méphistophélès war Letzterem wie aus dem Gesicht geschnitten. Die Damen- respektive Hexenwelt trug das weiße Kleid der Unschuld, wenngleich aus den Kehlen der Walpurgisnachtaktivistinnen auch männliches Timbre erschallen.

Den Oberteufel Mephisto, eine hoch eindrucksvolle Kreuzung aus Kino-Ikone Joker und Tom Jones, hat Regisseur Sugao zu seinem Regieassistenten gemacht, der das Bühnengeschehen bis hin zur abschließenden Beifallsordnung souverän regelte. Die Rolle war Yoshiaki Kimura (seit 2014/15 Mitglied des Ensembles) auf den Leib geschrieben.

Komödiantisches Talent, sängerische Souveränität, mimische Virtuosität, gestische Überzeugungskraft, all das machte ihn zum Showmaster einer Welt auf der schiefen Ebene. Der Geist, der stets verneint, als Weltregisseur? Eine verwegene These, für die viele Indizien zu sprechen scheinen.

Daniel Pataky sang über sich hinaus

Gastkünstlerin Dušica Bijelic war Marguerite anvertraut; die Metamorphose vom unschuldigen Mauerblümchen, jener zweifelhaften Frauenvorstellung vorgeblich tugendhafter Männlichkeit, zu dem Wahne verfallenen Kindesmörderin gelang ihr vorzüglich. Auch in den höchsten Höhen nie schrill werdend gefielen vor allem die dämonisch bedrohlich gefärbten tiefen Passagen.

Daniel Pataky, seit 2012 an der Bielefelder Oper, wuchs über sich hinaus mit seiner überaus wandlungsfähigen Stimme – grandios in der Höhe, mit beträchtlicher Schärfe in Situationen der Verzweiflung, lyrisch und sensibel beim Liebeswerben. Katja Starke als Marthe, Marija Jokovic in der Hosenrolle des Siebel und Evgueniy Alexiev als Marguerites Bruder Valentin trugen das Ihre zur überaus gelungenen Premiere bei.

Eindrucksvoll die tiefen Streicher

Spätestens seit der Werther-Oper von Massenet im Dezember 2017 weiß man, dass Generalmusikdirektor Alexander Kalajdzic eine Schwäche für die französische Oper des 19. Jahrhunderts hat. Gounods mitunter verblüffende Orchestrierungseffekte, sein Hang zur Produktion schöner Melodien, seine Neigung, sakral tönende Blechbläserstrecken ins satanische Geschehen einzuschleusen, machte dem GMD und den Philharmonikern sichtlich Spaß. Besonders eindrucksvoll die tiefen Streicher, deren aufwühlende Chromatik unter die Haut ging.

Am Schluss wurde in einer vergeblichen Anstrengung Jesu Auferstehung beschworen. Sie ging allerdings unter in satanischem Gelächter. Und fast alle hatten nun des Teufels Fratze im Gesicht, als ob Friedrich Nietzsche um die Ecke geschaut hätte. Muss doch Méphistophélès als Sieger gelten? Vielleicht sollte man doch hin und wieder Gounods „Ave Maria" anhören.

Weitere Vorstellungen am 4., 19., 22. und 27. März, 12. April, 21. und 31. Mai. Karten unter Tel. (05 21) 55 54 44 und unter www.theater-bielefeld.de.


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