So oft wie Verdi heutzutage auf dem Spielplan steht, kann man kaum glauben, dass I masnadieri noch nie an der Bayerischen Staatsoper aufgeführt wurde. Lediglich das Gärtnerplatztheater zeigte das Stück, dass auf Friedrich Schillers Drama Die Räuber basiert, 2008 in München schon einmal. Während draußen also die Coronvirus-Panik immer engere Kreise zieht, erfreut sich ein einsamer Desinfektionsmittelspender in der Vorhalle nur mäßiger Beliebtheit. Zu hoch ist die Spannung, mit der das wartende Publikum dieser Erstaufführung im Großen Haus entgegenfiebert.

Der fabelhafte Michele Mariotti stand am Pult und Johannes Erath zeichnet sich verantwortlich für die Inszenierung. Diese präsentiert sich ganz in den schattigen Grautönen eines Film noir. Schauplatz ist der opulente Festsaal eines Schlosses. Durch Förderbänder, Videoprojektionen und den geschickten Einsatz von Gaze-Vorhängen soll das komplexe Stück zu neuem Leben erweckt werden. Doch der Patient schwächelt.

Doubles im fahlen Grau der Vergangenheit zeigen zeitgleich zum Handlungsstrang Szenen aus der Jugend der Protagonisten. Lange Tafeln, eine traute Hirschefamilie, Tannenbäume – durch den Festsaal werden der Reihe nach ideenschwangere Requisiten gelotst. Schattenhafte Videoprojekten sollen die profunden Gedanken verstärken und immer wieder verharrt ein Teil des Ensembles in Schockstarre. Erath geht es wohl um die Zeit. Ist die Bühne deswegen wie von einem schwarzen Loch verkrümmt? Man weiß es nicht.

Das alles wirkt sehr akademisch und weckt, zusammen mit dem leichenblassen Makeup der Sänger, beinahe Assoziationen an Adams Family, Dinner for One und anderen Fernsehartefakten. Dafür gibt es leider am Ende nur verhaltenen Applaus und gelangweilte Buhrufe. Das Münchner Publikum zeigt sich nur wenig überzeugt.

Ganz anders sah es da beim musikalischen Teil des Abends aus. Michele Mariotti dirigierte dieses tragische Melodrama in vier Akten mit dunkel-düsterem Feingefühl. Mal elegisch schmachtend und dann wieder mit fulminanter Eleganz begleitete das Bayerische Staatsorchester mir großer Finesse und beachtlicher Homogenität diesen Abend. Ein wahrer Genuss für die Ohren.

Klar hervor stach an diesem Abend auch Charles Castronovo als Carlo Moor. Der US-amerikanische Tenor spielte den verstoßenen Sohn, der sich der titelgebenden Räuberbande angeschlossen hatte mit der perfekten Mischung aus Verdi-Schmelz und verbitterten Rachsucht. Klar und mit durchaus düsterem Timbre zeigte er vom ersten bis zum letzten Takt Höchstleistung, was mehrfach mit Szenenapplaus honoriert wurde.

Etwas schwieriger sah es da bei Diana Damrau aus, die ihm als seine versprochene Ehefrau Amalia zur Seite steht. So richtig schien der sonst so fabelhaften Sopranisten diese Rolle noch nicht zu liegen. Wo die Szene jugendhafte Ekstase oder verbitterte Verzweiflung verlangt, kämpfte sie mehr mit den durchaus anspruchsvollen Wechseln ihrer Arien als die vielschichtigen Emotionen der Braut in spe mühelos hörbach zu machen.

Igor Golovatenko meisterte den Widersacher Francesco, der Carlo sein Erbe mit Hinterlist abspenstig macht, hingegen ganz manierlich. Sein reicher Bariton erreichte mit großer Kraft selbst die letzte Reihe. Die stilleren, introvertiertem Szenen waren nicht ganz sein Ding, doch wenn es gegen Ende manisch-verzweifelt wird, war er wieder in seinem Element.

Der Chor, unter Leitung von Stellario Fagione füllte das Haus unterdessen mir kriegerisch-kräftigen Schattierungen und großem Volumen und erntete für diese Brillanz wohlverdienten Applaus.

Am Ende bringt Francesco sein Double um und flieht, während der scheidende Patriarch (Mika Kares mit tiefem Bass) das kindliche Double von Carlo, und nicht etwa diesen selbst, als Zeichen filialer Anerkennung küsst. Im Zeitalter der Helikoptereltern geistert so der Gedanke rund um Fehler der frühkindlichen Erziehung und deren spätere Auswirkungen durch den Saal. Ein Porträt der wohl verstorbenen Mutter soll diese Idee verstärken. Sie war anscheinend Cellistin, was wiederum eine Anspielung auf das Cello-Solo in der Ouvertüre sein soll. So richtig falsch hat Erath damit nichts gemacht, aber der Wow-Effekt bleibt genauso aus. Schade.

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