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Ariadne auf Naxos - Ric Furman (Ein Tenor), Sayaka Shigeshima (Der Komponist), Camila Ribero-Souza (Primadonna) und Uwe Schenker-Primus (Ein Musiklehrer). Foto: © Candy Welz
Ariadne auf Naxos - Ric Furman (Ein Tenor), Sayaka Shigeshima (Der Komponist), Camila Ribero-Souza (Primadonna) und Uwe Schenker-Primus (Ein Musiklehrer). Foto: © Candy Welz
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Ein entfesselter Showtumult – „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss am DNT Weimar

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Im Hause des reichsten Mannes von Weimar befinde man sich, verkündet Max Landgrebe als Haushofmeister im Nationaltheater. Er wandelt damit nur leicht die Worte ab, die Hugo von Hofmannsthal 1916 für das „Schmerzenskind“ beisteuerte, das Richard Strauss und er zunächst als eine Kombination aus Schauspiel und Oper verfertigt hatten. Aber das Publikum hatte schon damals seinen eigenen Kopf, bestand auf dem Entweder-Oder und erzwang von den beiden durchaus marktorientierten Genies eine Entscheidung.

So kam der hochnäsige Haushofmeister mit seinen aparten Spitzen gegen die Künstler aller Genres in die „Ariadne“! Diese Sprechrolle sorgt auch in Zeiten für Amüsement, in denen Opern und ihre Interpreten aus dem Steuersäckel finanziert werden. Gelegentliche Übergriffigkeiten der Geldgeber funktionieren gleichwohl ähnlich, nach dem Motto: wer zahlt, der bestimmt. …

Am Ende dieser um etliche Einschübe (der Komponist trällert sogar eine Arie von Robert Stolz) erweiterten, turbulenten „Ariadne auf Naxos“ ist auf der Projektionswand zu lesen, „2020 in einem reichen Land.“ Und dann: wir haben Zerbinettas, Ariadnes, Harlekine usw. und schließlich zusammenfassend: „Ein Feuerwerk!“ Damit schielt das Finale subtil aber unverkennbar aufs Hier und Heute. Natürlich steigt diese Feuerwerk im Hintergrund tatsächlich auf. Es ließe sich aber auch über den gesamten Abend schreiben. Denn Martin G. Berger (Regie), Sarah-Katharina Karl und Alexander Djurkov Hotter (Kostüme) fackeln ein wahres Feuerwerk von Einfällen ab.

Das Bühnenportal ist mit einem Bilderrahmen versehen, das Orchester mit einen Laufsteg umbaut. Zum Auftakt wird witzig mit einzelnen Türen gespielt. Es gibt zwei Kleinkunstbühnen in den Foyers. Für die eigentliche Oper gibt es veritable Pappmascheefelsen und dann auch noch als Clou eine Drehbühnenbehausung mit Schlafzimmer, U-Bahnstation „Wüste Insel“ und Eckkneipe „Naxos“. Um diese Raumadaption einer Castorf-Bühne rund zu machen, wird dann auch noch live gefilmt und übertragen (Roman Rehor). Eine Melange aus Ambition und opulenter Erzähllaune, die fabelhaft funktioniert!

Seit im Januar diese Jahres die Frist der Mitsprache der Strauss-Erben endete, ist kein Einspruch von dieser Seite mehr zu fürchten. Berger kann also ungebremst einen Showtumult entfesseln, der das ganze Haus erfasst und dabei tatsächlich einmal ausloten, was die absurde „Anweisung“ praktisch bedeutet, die tragische Oper und das heitere Stück gleichzeitig aufzuführen. Dazu teilt sich das Publikum nach der Pause in drei Teile. Wer nicht im Saal verbleiben will, kann sich für eine Exkursion ins Untere oder Oberen Foyer des Hauses entscheiden. Unten unterhalten Zerbinetta und der Haushofmeister das Publikum mit Jazz, einer neuen Sicht auf die Opernhandlung und verkünden Mina Loys Feministisches Manifest von 1914! Oben revoltiert die Komödiantentruppe mit Richard Huelsenbecks „Dadaistischem Manifest“ gegen die „Hochkultur“ und erhält dabei überraschende Unterstützung von Teilen der Opernkompanie. Währenddessen läuft im Saal schon die eigentliche Oper. 

Dieser strukturelle Grundeinfall erlaubt einen dauernden Perspektivenwechsel zwischen Rahmenhandlung, Oper und Außenperspektive. Mit Referenz auf die Entstehungszeit und einer Zeitreise bis ins Heute. Das geht soweit, dass der Tanzmeister (Jörn Eichler) und der Musiklehrer (souverän: Uwe Schenker-Primus) den produktiven Zoff zwischen Strauss und Hofmannsthal über die Rollen und mögliche Interpreten in das Stück hinein holen. Oder, dass die Beziehung zwischen dem Komponisten (jungenhaft und eloquent: Sayaka Shigeshima) und Zerbinetta (selbst bewusst und koloraturleich: Ylva Sofia Stenberg) als Parallelhandlung im (wortwörtlichen) Rahmen noch einmal durch Livemitschnitte gedoppelt wird. Die Begegnung von Ariadne und Bacchus fällt aus dem Rahmen, findet an der an der Rampe statt, bleibt aber dennoch als Spiel im Spiel kenntlich. 

All das sind zwar eine Herausforderungen fürs Verständnis des Abends, entspringen aber immer der collagehaften Modernität der Vorlage und der bannenden Faszination der Musik. Wenn Klamauk, dann bleibt immer klar, woher er kommt. Am Pult der Staatskapelle Weimar hat Dominik Beykirch die komödiantischen Ausweitungen ebenso imponierend im Griff, wie das das Aufrauschen den großen Strauss-Klangs, den er zum Finale hin faszinierend zu steigern versteht. 

Das Geniale an „Ariadne auf Naxos“ ist das emotionale Crescendo, das Strauss für den Tenor und die Diva bzw. Bacchus und Ariadne vorgesehen hat. Damit triumphiert die emotionale Wucht der Oper noch über jede Art von szenischer Dekonstruktion, Dopplung, Verdichtung oder was auch immer.

Dass am Ende sämtliche Protagonisten paarweise unter einer Bettdecke stecken und sich damit auf das Naheliegendste besinnen, hat etwas Hoffnungsvolles. Für die vokalen Glanzlichter des durchweg ausgesprochen spielfreudigen Ensembles sorgen Camila Ribero-Souza als Primadonna und Ariadne und der zwar jungenhaft daherkommende, aber mit seinem strahlende Trompetentenor durch Mark und Bein gehende Ric Furman als Bacchus. Wenn schon ein Gott am Ende auftaucht, dann soll das halt auch so klingen! 

Normalerweise würde diese Kritik mit einer Empfehlung zusammengefasst werden, dass man sich diesen hinreißenden Opernabend, nicht entgehen lassen sollte! Für die Zeit nach dem Virus-Stillstand aber sollte man sie sich auf jeden Fall vormerken!!

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