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Les Huguenots (Die Hugenotten)

Grand opéra in fünf Akten
Libretto von Eugène Scribe und Émile Deschamps
Musik von Giacomo Meyerbeer


in französischer Sprache mit französischen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h (zwei Pausen)

Koproduktion mit dem Nationaltheater Mannheim
Premiere am 26. Februar 2020 im Grand Théâtre Genève (Genf)


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Grand Théâtre Genève
(Homepage)

Die Gespenster der Vergangenheit

Von Roberto Becker / Fotos von Magali Dougados


Giacomo Meyerbeers Hugenotten hatten nach ihrer Uraufführung 1836 anhaltenden Erfolg in Frankreich und ganz Europa. Im zwanzigsten Jahrhundert verschwanden sie dann aus verschiedenen Gründen nachhaltig in der Versenkung. Das Genre geriet immer mehr in den Schatten von Verdi und Wagner und verkümmerte gleichsam. Hinzu kam der rassistische Furor, mit dem die Nazis alles von der Bühne verbannten, was von jüdischen Komponisten geschaffen worden war. Seit einigen Jahren gibt es eine bemerkenswerte Meyerbeer-Renaissance. In Deutschland hat sich vor allem die Deutsche Oper Berlin dabei Verdienste erworben.


Vergrößerung in neuem Fenster Das Duell als Boxkampf

Was die Hugenotten betrifft, so gab es in den letzten Jahren eine Reihe spannender und hochkarätiger Inszenierungen. Eine der eindrucksvollsten Deutungen gelang Oliver Py 2011 an der Oper Brüssel. Tobias Kratzer inszenierte sie als Historiengemälde 2014 in Nürnberg. An der deutschen Deutsche Oper Berlin fügte David Alden 2016 die Hugenotten dem dortigen Meyerbeer Zyklus hinzu. In Paris kam 2018 Andreas Kriegenburg zum Zuge, die Arbeit von Peter Konwitschny 2019 wurde an der Semperoper Dresden nachgereicht.


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Wenn die Erleuchtung die Massen ergreift

Dennoch kann sich jede Meyerbeer-Inszenierung heute immer besonderer Aufmerksamkeit gewiss sein. Schon wegen des erheblichen Aufwandes, der dafür betrieben werden muss. In Genf hat eine Neuinszenierung speziell dieses Werkes von Meyerbeer auch noch einen sozusagen historischen genius loci auf ihrer Seite. Historisch gehörte das calvinistische Genf zu den Wunschzielen der einst vom Sonnenkönig aus Frankreich vertriebenen Glaubensbrüder. Die Oper selbst gipfelt ja in der berüchtigten Bartholomäusnacht von 1572, in der viele Hugenotten einem katholischen Blutbad zum Opfer fielen und aus dem nur ein König vom Format einer Henri IV. einen Ausweg finden konnte. Die Bartoholomäusnacht gehört bis heute zu den europäischen Traumata, die nur überlagert werden, aber nie verschwinden.

Aviel Cahn für diesen Höhepunkt seiner ersten Spielzeit als Intendant das vor allem in Stuttgart über viele Jahre erfolgreiche Regieduo Jossi Wieler und Sergio Morabito samt der genialen Raumerfinderin Anna Viebrock nach Genf eingeladen. Die drei machen aus der exemplarischen Grand opéra nicht gleich das naheliegende ganz großes Opernkino. Aber sie fassen die ganze Geschichte auch als Kino auf und machen das Changieren zwischen realer Opernhandlung und deren Verlegung in ein Filmstudio zu einer konstituierenden Ebene ihrer Inszenierung. Mit einem groß kostümierten Show-Auftritt von Henri und Marguerite als optischem Clou.


Vergrößerung in neuem Fenster Großer Auftritt als König und Königin

Die Liebesgeschichte zwischen dem Hugenotten Raoul und der Tochter eines prominenten Katholiken, Valentine, die die Portion individueller Romeo-und-Julia-Würze im hochpolitischen Katastrophen-Panorama liefert, rückt nach und nach ins Zentrum. Eine Raum-Collage versammelt Versatzstücke martialischer Machtarchitektur. Gefängnismauern. Sakrale Säulen und Gestühl. Die Sphäre der auf Versöhnung hinarbeitenden Königin Marguerite ist mit Schminkplätzen und Filmkameras ebenso auf Studio getrimmt wie sie selbst auf große Diva. Auf die Faszination ihrer früher geschlosseneren Welten verzichtet Viebrock diesmal.

Die Richtung weisen die ermordeten Hugenotten, die wie eine Mahnung der Geschichte durch die Szene geistern. Wieler scheut weder im Detail den bitteren Witz noch im Ganzen die großen Tableaus. Die hinterlassen den größten Eindruck, wenn der Fanatismus die Massen ergreift wie ein Virus. Diese Mischung hat insgesamt erheblichen Unterhaltungswert, auch wenn sich nicht alles auf Anhieb erschließt und die Ebenen auch mal kollidieren.


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Am Ende sind alle tot

Für die musikalische Qualität sorgen Marc Minkowski am Pult des Orchestre de la Suisse Romande und ein erlesenes Ensemble auf der Bühne. Dem großformatigen Mix aus Belcanto und Emotion sind sie allesamt gewachsen. Ana Durlovski lässt sich die königlichen Koloraturen Marguerites ebenso wenig entgehen, wie Rachel Willis-Sørensen die Gelegenheit, als Valentine strahlend zu glänzen. Die Herrenriege führt höhensicher John Osborn als Raoul an. In seinem Piratenkostüm platziert Michele Pertusi Luthers "Eine feste Burg" als Marcel immer wieder als Leitmotiv des protestantischen Widerstandes.

Laurent Alvaro profiliert den katholischen Scharfmacher Comte de Saint-Bris während Alexandre Duhamel dem Comte de Nevers mit Würde ausstattet. Léa Desandre gelingt es, sich mit ihrer Spielfreude ebenso wie mit ihren virtuosen Koloraturen in der kleinen aber effektvoll platzierten Rolle des Pagen Urbain zu profilieren. Aber auch das umfangreiche übrige Protagonistenensemble ist den Herausforderungen der Grand Opéra gewachsen. Der von Alan Woodbridge einstudierte Chor meistert seinen konstituierenden Beitrag zu dieser großen Oper präzise. Beim Schlussbeifall bedachte das Publikum Marc Minkowski und die Protagonisten ganz zu Recht mit einer Extraportion.


FAZIT

Jossi Wieler und Marc Minkowski stellen sich den szenischen Herausforderungen von Giacomo Meyerbeers Les Huguenots, scheuen dabei weder szenischen Witz noch große Tableaus, kollidieren damit aber gleichwohl zuweilen mit dem historischen Format der Geschichte. Musikalisch überzeugt diese Produktion.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marc Minkowski

Inszenierung
Jossi Wieler
Sergio Morabito

Ausstattung
Anna Viebrock

Licht
Martin Gebhardt

Choreographie
Altea Garrido

Chor
Alan Woodbridge

Dramaturgie
Jossi Wieler
Sergio Morabito



Chor des
Grand Théâtre Genève

Orchestre de la
Suisse Romande


Solisten

Marguerite de Valois
Ana Durlovski

Raoul de Nangis
John Osborn

Marcel
Michele Pertusi

Urbain
Léa Desandre

Le Comte de Saint-Bris
Laurent Alvaro

Valentine de Saint-Bris
Rachel Willis-Sørensen

Le Comte de Nevers
Alexandre Duhamel

De Tavannes
Anicio Zorzi Giustiniani

De Cossé
Florian Cafiero

De Thoré / Maurevert
Donald Thomson

De Retz
Tomislav Lavoie

Méru
Vincenzo Neri

Archer Harry
Draganov

Une coryphée
Iulia Surdu

Une dame d'honneur
Céline Kot



Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Grand Théâtre Genève
(Homepage)



Da capo al Fine

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