Oper von Hans Gál : Sie quakten im Zweivierteltakt
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Mit Mut zum Dutt: Winfrid Mikus (oben) als Kuli Bild: Susanne Reichardt
Am Theater Heidelberg wird die ziemlich gewitzte Märchengeschichte „Die heilige Ente“ von Hans Gál wiederentdeckt. Eine Oper mit Vogelspuren und einer Liebe in Standesschranken.
Mit diesem Libretto haben nicht nur Deutschlehrer bei der Analyse rhetorischer Stilmittel ihren Spaß: Karl Michael von Levetzow und Leo Feld wirbelten die Worte nur so herum; der im Wien der Jahrhundertwende aufgewachsene Komponist Hans Gál setzte sie in Musik. Das dieser Zusammenarbeit entsprungene Spiel mit Göttern und Menschen, „Die heilige Ente“, bekam man in szenischer Form mit großem Orchester nicht mehr zu hören, seit die Nationalsozialisten die Musik des Juden Gál verbannten. Es ist ein kleiner Schritt zu einer Rehabilitierung dieses Komponisten mit besonderer Tonsprache zwischen Brahms und Wiener Moderne, wie sie Franz Schreker oder Erich Wolfgang Korngold bereits widerfuhr. Nach dem „Lied der Nacht“ in Osnabrück unternimmt ihn die Dramaturgin Ulrike Schumann nun mit der „Heiligen Ente“ in Heidelberg.
Der titelgebende Vogel, der auf dem Weg vom Kuli Yang zum Koch des Mandarins abhandenkommt, ist dabei mehr Mittel zum Zweck. Er singt nicht, er spricht nicht, und er ist, immer wenn er gebraucht wird, unglücklicherweise nicht da. Bei Gál quakt das Blech zart im Zweivierteltakt, die Regisseurin Sonja Trebes lässt hier und dort Entenspuren aufblitzen. Doch eigentlich geht es in diesem Stück um etwas anderes. Nur um was? Die Mandarinente steht als Symbol für eheliche Treue, die Pflaumenblüte für eine Geliebte, die duftenden Wolken für den weiblichen Körper oder für Geschlechtsverkehr. Von dieser Metaphorik kann man im Programmheft zwar viel lesen, für das Geschehen auf der Bühne spielt sie aber eine untergeordnete Rolle.
Wie es sich Gál vorgestellt hatte, wird das asiatische Kolorit in der Musik wie auf der Bühne nur dezent versprüht. „Keine Schnurrbärte, keine rasierten Köpfe, kein ‚chinesisches‘ Trippeln oder dergleichen“, schrieb der Komponist als Notiz zum Stück. Die Regisseurin Trebes hält sich daran, sie erzählt recht nah am Libretto. Zunächst um einen multifunktionalen Sockel herum, von dem die Götter heruntersteigen, um aus Langeweile in der Menschenwelt Verwirrung zu stiften.
Liebesduett ohne Liebe
Die Liebesgeschichte mit Standesschranken bleibt dafür in ihrer Mehrdeutigkeit gut entschlüsselbar. Die Gattin des Mandarin, Li, das „Silber-Singvögelein hinter goldnen Gitterstäben“ (von der Regie vorsichtig ergänzt: der Upperclass), und der Kuli Yang singen ihr „falsches“ Liebesduett allerdings früh am Abend. Später entscheidet sich Li standesgemäß für den Mandarin („Wie hässlich ist die freie Welt, wie gut die goldnen Gitter“). Um Liebe geht es hier nur am Rande.
Schon eher um das Vergessen, von dem bei Levetzow und Feld alle „naschen“ wollen. Konkret betrifft das den „süßen Rauch der bittren Blüte Mohn“. Denn im Opiumrausch vertauschen die Götter die Gehirne von Kuli und Mandarin („Durcheinander Zopf an Zopf, wie in einem Schütteltopf“). Doch die wilde Bäumchen-wechsle-dich-Geschichte bleibt eine vorbeirauschende Episode. Als der Kuli in seiner neuen Macht die Götter abschaffen möchte, machen diese den Tausch schnell wieder rückgängig („Jedes Gehirnchen zurück in sein Stirnchen“).
Am Ende passiert in dieser Märchengeschichte viel und zugleich wenig, das konkret zu etwas führt. Und so hätte ihr nach einem kurzweiligen Beginn die ein oder andere Idee von außen, was hier oder dort nun gemeint sein könnte, nicht geschadet. Beim bisweilen bildlichen Ausbuchstabieren der Geschichte mit zauberhafter Mohnblumen-Kulisse im zweiten Akt wartet man auf den Regiekniff. Der kommt schließlich in Form eines goldenen Enten-Eies, das von oben herab auf die Bühne plumpst und als Deus ex machina die Konflikte final befriedet – auch wenn nicht ganz klar ist, wie das nun funktioniert. Bei den Göttern, die bereits eingesehen hatten, dass Menschengehirne vertauschen keine gute Idee ist, kennt Sonja Trebes dann keine Gnade. Sie finden sich auf einmal gefangen in Müllsäcken. Ob das die Lösung ist?
Auch das Ensemble fremdelt mit diesem Stoff, der seinerzeit ein großer Erfolg war. Winfrid Mikus spielt einen sympathischen und nahbaren Kuli, kommt mit seinem Tenor aber ab und an nicht gegen die Orchesterwogen aus dem Graben an. Carly Owen verkörpert die „Zirp-Zikade“ Li als Gegenpol mit brillantem Sopran. Ipča Ramanović kann der Rolle des Mandarins stimmlich wie spielerisch kaum Farben verleihen.
Wilfried Staber bereitet als Bass mit Durchschlagkraft Freude, João Terleira verkörpert den Haushofmeister mit funkensprühendem Elan, Hye-Sung Na bleibt als Tänzerin gesanglich wesentlich blasser als ihr schrilles Outfit. Dietger Holm führt das Philharmonische Orchester kundig durch die Partitur. Die Musik glitzert und strahlt, einige Melodien gehen direkt ins Ohr, ein Wiederaufleben von Gáls Musik kann man sich nur wünschen. Letztlich ist zumindest auf den Witz des Librettos immer Verlass, das den Kuli final zum „Entenbonzen ersten Ranges“ erhebt. Viel Beifall.