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Kultur Wegen Corona an der frischen Luft

Liebling, die haben das „Rheingold“ geschrumpft

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Das Rheingold auf dem Parkdeck: Inszenierung der Deutschen Oper Berlin Das Rheingold auf dem Parkdeck: Inszenierung der Deutschen Oper Berlin
Das Rheingold auf dem Parkdeck: Inszenierung der Deutschen Oper Berlin
Quelle: Bernd Uhlig
Richard Wagners „Rheingold“ hatte auf dem Parkdeck der Deutschen Oper Berlin Premiere. In einer Kurzversion, und statt 80 spielten nur 22 Musiker. Aber immerhin, es war das erste Klassik-Event in Berlin seit 94 Tagen.

In zwölf Minuten waren alle Karten verkauft. Gut, es waren nur 175 für sechs Vorstellungen – zum Obolus-Angebot von fünf Euro plus Spendenkasten. Aber es zeigt doch, wie ungebrochen beim Publikum der Deutschen Oper die Liebe zu Live-Vorstellungen und die Sehnsucht nach Wagner-Opern ist. Denn ausgerechnet ein Opus Magnum des Repertoires war es, mit dem nach genau 94 Tagen in Berlin das Musiktheaterleben wieder hochfuhr. Zumindest ein bisschen.

Und an einem hochsymbolischen Datum: An diesem Tag nämlich hätte es im großen Haus die Premiere des gleichen Stückes geben sollen: „Rheingold“. Damit sollte, nach 34 Jahren, in der Nachfolge der längst legendären Götz-Friedrich-Tetralogie die schon früher hätte abgesetzt sein sollen, aber immer wieder vom Publikum verlangt wurde, und nach harten Kämpfen mit Daniel Barenboim, der rücksichtslos seinen dritten Berliner „Ring“ noch vorher durchdrücken wollte, endlich ein neuer „Ring des Nibelungen“ starten.

Nur 22 statt 80 Musiker

Das tat es jetzt auch, freilich in einer Corona-Version an der frischen Luft und auf dem Parkdeck. Als Vorspiel zum Vorabend der eigentlichen Sache, die jetzt später, sich an die ursprüngliche Terminabfolge haltend, mit der „Walküre“ starten soll. Statt der üblichen zweieinhalb Stunden dauerte es nur eine Stunde und 50 Minuten. Ein Drittel Text also, aber nur ein Viertel Instrumentalbeteiligte. Es spielten 22 Musiker, wo eigentlich 80 vorgesehen waren, aber die Honoratioren vom eigens gegründeten Ring-Spender-Circle waren trotzdem da.

Wobei auch sie sich an die instrumentale Schrumpffassung gewöhnen mussten, die der englische Komponist Jonathan Dove einst für Community-Aufführungen in Birmingham angefertigt hatte. Leicht verstärkt erklang die nun mit nur sechs Streichern und satter Blechdominanz auf der Laderampe im Innenhof. Doch etwas Griechisch-Römisches, durchaus Würdevolles haftete auch diesem Innenhof-Ort an, der neben Beton-Brutalismus und Wellblech-Hässlichkeit auch Teile der alten städtischen Oper miteinbezieht. Am Pult stand, wie vorgesehen, Generalmusikdirektor Donald Runnicles. Er dirigierte mit Schwung und Wucht, al fresco, wie gewohnt.

In zwei Wochen wurde das schnell hochgefahren, Spielleiter Neil Barry Moss hat es so einfach wie schlagkräftig unter konsequenter Fundusbenutzung als stets funktionierende Geschichte der Gier erzählt, und selbst der eigentlich geplante Starregisseur Stefan Herheim saß nicht depressiv zu Hause, sondern schaute interessiert zu von einem der freien, neben vielen verhüllten und damit unbenutzbaren Stühle.

Wagner schlug auch so in den Bann

Die zeigten deutlich, was fehlte, besonders im auf das Blech reduzierten Klang. Auf der improvisierten Bühne war das gar nicht so viel, Wagner schlug auch so in den Bann. Stand seine Büste doch mundschutzbewehrt auf halber Höhe, neben einem Regiesessel, auf dem jetzt der durch das Publikum einziehende Wotan im Hausmantel als Spielleiter Platz nahm, während sein Assistent Loge die Coffee-to-go-Becher verteilte. Diese Perspektive zwischen mit Tüchern und Stricken verhüllten Requisiten, eine Anspielung auf Götz Friedrichs Anfang mit eingewickelten Göttern, wurde jedoch schnell wieder verlassen. Nur am Ende wurde es wieder prosaisch, wenn die Lichtalben statt in Berlin-trashigen Kostümfummeln in ihrer bourgeoisen Identität zurückkehrten, als Regenbogen an Atelierfenstern Operntitelbanner hingen und als man mit Goldfolienfeuerwerk zum Einzug nach Walhall durch die Werkstattstahltür schritt.

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„Das Rheingold auf dem Parkdeck“ als „Open Opera“, so wurde es angekündigt, und so war es auch. Sensationell war freilich, dass, nur Mime und Froh fehlen in dieser Fassung, fast alle Sänger der ursprünglichen Premiere dabei waren – weil sie alle dem Ensemble der Deutschen Oper angehören! Welches Haus könnte das sonst so besetzen? Und endlich einmal frische Stimmen, jenseits der üblichen Wagner-Verdächtigen.

Die Stimmen kamen gut durch, und man folgte wieder einmal gepackt der Parabel. Der jugendliche Derek Welton, der seinen vollen Bassbariton ungezwungen fließen lassen konnte, wird sicher ein bedeutender Wotan, Thomas Blondelle ist schon jetzt ein wunderbar zynischer, nie keifiger Loge, so wie auch der fraulich strömenden Fricka von Anika Schlicht jegliches Gattinnen-Gemecker fehlt, eine Frau, die ehrlich um ihren Mann ringt. Wunderfein waren auch die drei Rheintöchter, Flosshilde kam kurz mit Mundschutz (den es auch – mit „Hojotoho“-Aufdruck auf die „Walküre“ Lust machend – als Giveaway gab), der aber ersetzte nicht das Handy als aktuelles Regietheater-Lieblingsrequisit, wie auch im Spiel keinerlei Gedanke an Social Distancing aufkam.

Trotzdem war das natürlich für den wahren Wagnerianer nur ein Appetithappen, der Hunger auf mehr macht. Am 27. September soll, so die Corona-Götter und ihre Virologen-Stellvertreter günstig gestimmt sind, an der Deutschen Oper „Die Walküre“ folgen. Original und auf der Hauptbühne. Wissen wir, wie das wird? Natürlich nicht. Aber wir hoffen.

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