Oldenburg - Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Zaide“ ist ein Torso. Nach seinem Tode von seiner Witwe Constanze aufgefunden, war eigentlich alles unklar: woher das Libretto stammt, wie der genaue Fortgang des an die „Entführung aus dem Serail“ erinnernden Geschehens zu verstehen ist, ja selbst, wie das deutsche Singspiel denn heißt.
Der vorhandene Torso mit immerhin schönen und zündenden Mozart-Melodien erfuhr einige rekonstruierende Wiederbelebungen. In Zeiten der Pandemie ging die Regie (Nils Braun) einen beherzten Weg der doppelten Mangelverwaltung: Die historisch bedingte Einbuße an Text und Musik wurde durch die reflexive Erzählfassung des Dichters Italo Calvino gemildert.
Der Erzähler, als den wir uns getrost Calvino selbst vorstellen können – hervor-ragend in Szene gesetzt durch den Schauspieler Matthias Kleinert – geht konstruktiv mit dem Text-Fragment um und stellt immer neue Möglichkeiten in den Raum.
„Zaide“, wie das Fragment allgemein nach der einzigen weiblichen Figur genannt wird, spielt in einem besonders im Rokoko beliebten Phantasie-Orient mit Sklaven, Palästen, Gärten, einem Sultan und verschwenderischer Pracht. Zaides sanglicher Part erfreut durch Mozart-typische Arien zwischen zartem Liebesverlangen und wütenden Ausbrüchen. Die junge Elena Harsányi vom Opernstudio hat eine frische und schöne Stimme, die sich angenehm den Gefühlslagen anschmiegt.
Federnd und rhythmisch
Piotr Fidelus als musikalischer Leiter und Pianist in Personalunion das Zentrum des musikalischen Geschehens, gibt eine musikalische Linie vor, die federnd-rhythmisch ist, intensive sängerische Phrasierungen und ein reiches Legato aber verunmöglicht.
Natürlich kann man Mozart so singen lassen, und die Reduzierung der stimmlichen Begleitung auf den Flügel lässt da wenig Spielraum, im Ergebnis bedeutet das aber ein am Einzeltakt orientiertes Singen, das bei allen Sängern durch die nur angedeuteten Konsonanten zu einer erschwerten Textverständlichkeit führt.
Die männliche Hauptperson Gomatz ist ein junger christlicher Sklave. Der ganz junge Johannes Leander Maas gab hier sein Debüt in Oldenburg und hatte gleich das Publikum ganz auf seiner Seite. Für seine auffallende Premieren-Leistung bekam er nach getaner Tat vom langanhaltenden Beifall am meisten ab. Sein Tenor ist frisch, flexibel, wirkt unangestrengt, er singt auch in der Höhe ohne Druck, „Stemmen“ und Forcierung.
Der Wesir Allazim, eine Art Minister, gespielt und gesungen von Ill-Hoon Choung, bleibt auch nach dem Fallen des Vorhangs undurchsichtig. Weder sein Text noch die ihm von Mozart zugedachte Musik reichen hin, um den Charakter zu entschlüsseln.
Unfertige Passagen
Einzelteile, besonders die Duette der Liebenden und ein Terzett, sind ganz und gar Mozart, wie wir ihn lieben. Andere Passagen fallen ab, wirken unfertig – was sie ja wohl auch sind. Am Ende brandete dankbarer Jubel auf, endlich wieder in der Oper gewesen zu sein und warmer Beifall für die Einzelleistungen des zum Weiterdenken animierenden Torsos.