Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



The Black Rider
(The Casting of the Magic Bullets)

Musical in 12 Bildern
Buch von William S. Burroughs, Regie und Stage Design der Originalproduktion von Robert Wilson

Musik und Gesangstexte von Tom Waits

Songs in englischer Sprache, Dialoge in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h (eine Pause)

Premiere im Großen Haus im MiR am 19. September 2020

Homepage

Musiktheater im Revier
(Homepage)

Der Teufel als Drahtzieher

Von Thomas Molke / Fotos:© Björn Hickmann

Modernes Regietheater muss sich häufig den Vorwurf gefallen lassen, mit "klassischen" Werken nicht respektvoll umzugehen und sie unbotmäßig zu verfremden. Manchmal wird bei vereinzelten Zuschauern der Ruf laut, doch lieber ein neues Stück zu schreiben, um damit die eigenen Ideen verwirklichen zu können. Diesem Vorschlag mag Star-Regisseur Robert Wilson gefolgt sein, als er beschloss, eine eigene Fassung des bekannten Freischütz-Mythos zu entwerfen, der vor allem in der Vertonung von Carl Maria von Weber große Bekanntheit und Beliebtheit genießt. Gemeinsam mit dem US-amerikanischen Schriftsteller William S. Burroughs entstand The Black Rider (The Casting of the Magic Bullets), das am 31. März 1990 im Hamburger Thalia Theater seine Uraufführung erlebte. Die Musik steuerte Tom Waits bei. Sie wechselt zwischen verschiedenen Genres und kann in gewisser Weise als etwas trotzige Reaktion auf die kommerziell geprägten Webber-Musicals betrachtet werden, die sich in der Zeit in Deutschland immer mehr neben dem klassischen Stadttheater-Betrieb etablierten. Intendant Michael Schulz, der die damalige Hamburger Produktion als Student selbst miterlebt hat, stellt dieses Stück nun als erste Premiere der neuen Spielzeit im Großen Haus auf den noch starken Corona-Beschränkungen unterliegenden Spielplan.

Bild zum Vergrößern

Wilhelm (Sebastian Schiller, unten) und Käthchen (Annika Firley, unten) lieben sich, aber Anne (Gloria Iberl-Thieme, oben) und Bertram (Merten Schroedter, oben) wollen, dass ihre Tochter einen Jäger heiratet.

Die Fabel vom Schwarzen Reiter, der mit dem Teufel gleichzusetzen ist, bleibt bei Burroughs / Wilson / Waits näher an der alten Volkssage August Apels, als es bei Webers Freischütz der Fall ist. Der biedere Angestellte Wilhelm darf sein geliebtes Käthchen nur heiraten, wenn er die Kunst des Schießens beherrscht. Denn Käthchens Vater Bertram akzeptiert wegen der Familientradition nur einen Jäger als Schwiegersohn. Leider ist Wilhelm ein schlechter Schütze. In seiner Verzweiflung trifft er auf den mysteriösen Pegleg, der ihm erklärt, dass es zum guten Schießen nur der richtigen Kugeln bedarf. So gibt er Wilhelm Kugeln, mit denen dieser alles trifft. Schon hofft er, sein Käthchen gewinnen zu können, und wird sogar von ihren Eltern akzeptiert. Doch das Glück verlässt ihn sehr schnell. Vollends abhängig von den Teufelskugeln schließt Wilhelm einen Pakt mit dem Teufel, wobei der Teufel das Recht behält, die letzte Kugel zu lenken. Diese trifft Käthchen tödlich. Wilhelm verfällt dem Wahnsinn und wird ein weiteres Opfer des Teufels. So gibt es im Black Rider am Ende weder einen rettend eingreifenden Eremiten noch einen Gefährten Kaspar, der für die teuflische Verführung die Strafe für das Liebespaar bezahlt. Auch wird die Geschichte nicht linear erzählt, und die Charaktere sind fernab jeder Romantik gezeichnet.

Bild zum Vergrößern

Der Teufel mit seinem Devil Team (von links: Merten Schroedter, Gloria Iberl-Thieme, Seth Thietze, Marharyta Pshenitsyna und Daniel Jeroma)

Das Regie-Team um Astrid Griesbach setzt in der Inszenierung vor allem auf die neu am Musiktheater im Revier etablierte Sparte des Puppentheaters. Den Teufel stellt Griesbach als große Furcht einflößende Puppe mit rot leuchtenden Augen und langen Hörnern dar, die hauptsächlich von Daniel Jeroma geführt wird, der auch in die Rolle des Pegleg schlüpft. Insgesamt fünf Darsteller*innen bilden das "Devil Team", das als Gruppe von Narren durch die Geschichte führt. Dabei tragen die Narren Gesichtsschilder, wenn die Corona-bedingten Abstände aufgrund des Führens der Teufelspuppe nicht eingehalten werden können. Auch weitere Figuren des Stückes werden von dem Devil Team verkörpert. So übernehmen Gloria Iberl-Thieme und Merten Schroedter Käthchens Eltern Anne und Bertram. Diese beiden Figuren werden dadurch entfremdet, dass sie als Mischwesen aus Mensch und Puppe auftreten. Vom realen Kopf gehen Anne und Bertram in einen Puppenkörper über, so dass kurze Beine vor ihrem Körper baumeln, die Anne und Bertram gewissermaßen schrumpfen lassen. Das führt zu sehr skurrilen und komischen Szenen. Käthchens vorgesehener Bräutigam Robert ist genauso Teil des Devil Teams wie Pegleg, der Wilhelm zu den Freikugeln verleitet. Beide werden von Daniel Jeroma dargestellt.

Bild zum Vergrößern

Wilhelm (Sebastian Schiller, rechts) schließt einen Pakt mit dem Teufel (Daniel Jeroma als Puppenspieler).

Die einzigen "realen" Menschen scheinen Wilhelm und Käthchen zu sein, ohne dass das Stück allerdings versucht, mit dem Schicksal dieser Figuren Mitleid zu erwecken. Käthchen ist ein oberflächliches It-Girl und spielt die ganze Zeit mit einem kitschigen weißen Schoßhündchen, das Wilhelm schließlich, als ihm jeder Schuss misslingt, auch noch versehentlich tötet. Die Liebesszene zwischen Käthchen und Wilhelm in dem angedeuteten Haus mit dem Namen "Crystal Pool" wirkt absolut schräg und lässt die beiden nicht wirklich zusammenfinden, was nicht nur an Corona liegen dürfte. Wenn sie von der letzten Kugel getroffen wird, sinkt sie auf das weiße Karussell-Pferd, mit dem der Teufel zu Beginn des Abends seinen ersten Auftritt gehabt hat, und wird von der Bühne gefahren. Wilhelm wird ebenfalls als nicht ernstzunehmende Figur gezeichnet. Die Flinte, mit der er zu schießen versucht, überragt ihn beinahe und macht deutlich, dass diese Kunst zu hoch für ihn ist. Sebastian Schiller und Annika Firley setzen das "Liebespaar" Wilhelm und Käthchen überzeugend um. Beeindruckend gelingt die Begegnung mit Pegleg (Daniel Jeroma), die dem Publikum einen kleinen Schauer des Gruselns über den Rücken jagen mag, der aber sofort wieder ironisch gebrochen wird, wenn bei den Schüssen zahlreiche Tiere aus dem Schnürboden herabfallen und die ganze Bühne übersäen.

Unklar bleibt die Rolle des Erbförsters Kuno. Joachim G. Maaß fährt als alter Mann mit weißem Haar auf einem Fahrrad über die Bühne und gibt dabei ständig irgendwelche Weisheiten von sich, die teilweise von den anderen Spieler*innen aufgegriffen werden. Ob er dabei nur als Kuno agiert oder auch in andere Rollen schlüpft, bleibt inhaltlich unklar. Die Bühne von Lisette Schürer bildet mehrere Rahmen und mündet in einer Leinwand. Vereinzelt werden recht abstrakte Bühnenelemente vom Devil Team hineingeschoben, die den Ort der jeweiligen Szene andeuten. Musikalisch ist das Stück genauso schräg wie die Handlung. Im Ohr bleibt vor allem der Song "Black Rider", mit dem das Devil Team zu einer "gay old time" einlädt. Die hat das Publikum sicherlich. Ansonsten changiert die Musik zwischen gefühlvollen Balladen - hervorzuheben sind hier vor allem der Epilog des Teufels "The Last Rose of Summer", der von Daniel Jeroma eindringlich gestaltet wird oder "I'll Shoot the Moon For You, Baby" von Käthchen, in dem sie ein einziges Mal Tiefe im Stück gewinnt, wenn sie darauf vertraut, dass Wilhelm erfolgreich sein wird -, schrägen Songs und einer Art Jahrmarktmusik vergangener Zeiten. Heribert Feckler setzt die Partitur mit den Mitgliedern der Neuen Philharmonie Westfalen aus dem übersichtlich gefüllten Orchestergraben überzeugend um, so dass es für alle Beteiligten großen Applaus gibt.

FAZIT

Die Inszenierung sorgt mit den zahlreichen schrägen Momenten der Vorlage für eine kurzweilige Unterhaltung.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Heribert Feckler

Inszenierung
Astrid Griesbach

Bühne
Lisette Schürer

Puppenbau und Kostüme
Atif Mohammed Nor Hussein

Licht
Patrick Fuchs

Dramaturgie
Olaf Roth

 

Neue Philharmonie Westfalen

 

Solisten

Kuno
Joachim G. Maaß

Wilhelm
Sebastian Schiller

Käthchen
Annika Firley

Anne
Gloria Iberl-Thieme

Bertram
Merten Schroedter

Pegleg / Robert
Daniel Jeroma

The Devil Team
Gloria Iberl-Thieme
Daniel Jeroma
Marharyta Pshenitsyna
Merten Schroedter
Seth Tietze

 

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Musiktheater im Revier
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2020 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -