Eigentlich kann man bei einer Aufführung von Mozarts Don Giovanni nicht viel falsch machen: Die Musik ist süffig, die Handlung wendungsreich und die Charaktere sind als Archetypen zeitlos. Wenn jedoch der Geschichte misstraut und krampfhaft versucht wird, die Handlung in eine andere Richtung zu psychologisieren, dann kann doch Einiges schiefgehen.

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Alexey Birkus (Don Giovanni) und Neven Crnić (Leporello)
© Werner Kmetitsch

Die Inszenierung an der Oper Graz von Elisabeth Stöppler bietet nämlich nicht viel mehr als schablonenhaft bis überzeichnete Charaktere, eine völlig überflüssige stumme Frauen-Rolle, Klischee-Gesten und einen großen, weißen Kubus. Bereits während der Ouvertüre sieht man auch schon alles, was der Abend optisch hergibt. Das Bühnenbild dreht sich und Menschen in schönen Outfits schauen gelangweilt oder machen Selfies. Ein kleiner Twist ergibt sich ironischerweise nicht durch eine Idee der Regisseurin, sondern durch die mittlerweile nicht mehr zu übersehende Schwangerschaft von Anna Princeva; eine schwangere Donna Anna, zwei mögliche Väter – das ist eine durchaus interessante Wendung. Die Personenregie ist allerdings kaum vorhanden, über weite Strecken stehen die Sänger einfach an der Rampe herum und werden in ihrer Darstellung alleine gelassen.

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Alexey Birkus (Don Giovanni)
© Werner Kmetitsch

Dass der Abend nicht so richtig in Schwung kam, lag zu einem großen Teil auch an Alexey Birkus als titelgebendem Don Giovanni. Rein stimmlich kann man ihm dabei zwar nicht viel vorwerfen, denn sein Bass ist warm timbriert, elegant geführt – im „Deh, vieni alla finestra” konnte er seine Stärken besonders gut ausspielen – und er verfügt über genug Kraft, um sich auch gegen ein Orchester-Forte durchzusetzen, aber die Interpretation blieb blass und uncharismatisch. Darstellerisch blieb sein Charakter ebenfalls (zu) unauffällig; angesichts seiner mangelnden Präsenz und Ausstrahlung fiel es schwer zu glauben, dass diesem Don Giovanni tausende Frauen verfallen sind. Die schauspielerische Leistung enttäuschte auch bei Neven Crnić als Leporello, seine vor jugendlicher Kraft strotzende vokale Interpretation tröstete jedoch weitestgehend darüber hinweg. Die Stimme bietet viele Farben und Schattierungen, ist zu differenzierter Dynamik fähig und wird klug phrasiert durch die Partie geführt – den letzten Feinschliff wird sich Crnić bestimmt in den kommenden Jahren erarbeiten.

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Alexey Birkus (Don Giovanni) und Neven Crnić (Leporello)
© Werner Kmetitsch

Darstellerisch und stimmlich überzeugend erweckte Anna Brull die Donna Elvira zum Leben und schaffte es, diese Figur weder zu einer unsympathischen Furie noch zu einer sich von einem Mann abhängig machenden Nervensäge werden zu lassen. Ihr Mezzo fühlt sich bei Mozart hörbar wohl, sowohl fluffige Koloraturen als auch feine Bögen gelangen ihr ganz ausgezeichnet. Ebenso Positives gibt es über die Donna Anna von Anna Princeva zu berichten, die sich um eine vielschichtige Interpretation dieses Charakters bemühte. Die Stimme neigt in der Höhe zwar zu einigen Schärfen, in der Mittellage konnte sich das dunkle Timbre ihres Soprans jedoch wunderbar entfalten und elegant schimmern. Den Don Ottavio von Andrzej Lampert ereilte hingegen das Los, das viele Tenöre in dieser Partie ereilt: er hinterließ im Laufe des Abends wenig bleibenden Eindruck. Seine zwei Arien gestaltete er sehr schön, wenn auch passagenweise etwas angestrengt. Das Timbre ist natürlich Geschmackssache, mir persönlich hätte etwas mehr Leichtigkeit gefallen.

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Alexey Birkus (Don Giovanni)
© Werner Kmetitsch

Hysterisch durch den Abend plänkeln mussten sich Eva-Maria Schmid als Zerlina und Dariusz Perczak als Masetto. Schmid sang ihre beiden Arien mit unbeschwerter Leichtigkeit und hellem Timbre, wobei die Stimme dennoch über genug Substanz verfügte, um auch in den Ensembles auf sich aufmerksam zu machen. Dass die Rolle für Perczak tendenziell zu tief liegt, wurde insbesondere im ersten Akt deutlich, in der kurzen Arie „Ho capito, signor, sì” musste er seinen Bariton bis weit an die Grenzen führen. Als Komtur wirkte Dmitrii Lebamba in der ersten Szene bereits neben sich stehend und stimmlich schwach, im zweiten Akt verpasste er gar einen seiner Einsätze völlig. Auffallend waren überhaupt die vielen kleinen Ungenauigkeiten der Abstimmung zwischen den Sängern während der Ensembles. Dirigent Marcus Merkel und die phasenweise deutlich zu hörende Souffleuse taten ihr Möglichstes, um hier Ordnung zu schaffen, was manchmal besser, manchmal weniger gut gelang.

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Sieglinde Feldhofer (Zerlina), Neven Crnić, Anna Brull (Donna Elvira), Dariusz Perczak (Masetto)
© Werner Kmetitsch

Die Grazer Philharmoniker bemühten sich redlich, aus dem Graben hohe Qualität zu liefern, was dank feiner Differenzierung der Dynamik und einer Vielfalt an verschiedenen Stimmungen und Farben auch großteils gelang. Letztlich konnten die einzelnen positiven Aspekte der Vorstellung die negativen jedoch nicht aufwiegen; der Abend wartete zu keinem Zeitpunkt mit Verführungskünsten auf.

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