Kultur

„Anatevka“: Nur nicht die Hoffnung aufgeben

Die Grazer Oper taucht in dieser Saison auch in die Welt des jüdischen Schtetl Anatevka ein. Das Musical mit weltbekannten Liedern wie „Wenn ich einmal reich wär’“ will vor allem Hoffnung in schwierigen Zeiten machen.

Ein riesiger Koffer auf der Bühne: Aus ihm purzelt quasi das jüdische Schtetl Anatevka samt seinen Bewohnern. In Anatevka wird Tradition groß geschrieben: Jeder hat hier seine ihm zugewiesene Rolle. Im Zentrum des Stücks stehen Tevje und seine Familie: Der Milchmann ist zwar arm an Geld, aber reich an Töchtern, und so hofft er, durch reiche Schwiegersöhne doch noch zu etwas Vermögen zu kommen.

„Anatevka“
ORF

Wenn das Herz über Tradition siegt

Es sind einprägsame Melodien wie jene von „Wenn ich einmal reich wär’“, die „Anatevka“ von Jerry Bock zu einem der beliebtesten und vielfach ausgezeichneten Musicals gemacht haben – gleich neun der renommierten Tony Awards gewann die Broadway-Produktion 1965. Und nicht zuletzt ist es aber auch die packende Geschichte eines Vaters, der alle Tradition über Bord wirft und sein Herz sprechen lässt, denn die Töchter wollen allesamt andere Männer heiraten, als von Heiratsvermittlerin Jente vorgesehen.

Sendungshinweis:

„Steiermark heute“, 16.10.2020

Mit Humor die Schwierigkeiten überwinden

Für Tevje-Darsteller Ivan Orescanin – selbst Vater von fünf Kindern – ist die Figur des Milchmannes eine Traumrolle: „Es war für mich immer eine Identifikationsfigur, weil – und ich glaube, dass ich das genauso versuche – er kommt jeder Schwierigkeit mit ein bisschen Humor entgegen. Aber auch er hat – wie ich – seine rote Linie, die er nicht mehr überschreiten kann oder will.“ Nachdem er seine ältesten Töchter mit einem armen Schneider und einem Revolutionär verheiratet hat, ist die Ehe mit einem Christen für Tochter drei ein rotes Tuch für Tevje.

„Anatevka“ in der Grazer Oper

Beate Wittmann hat „Anatevka“ in der Grazer Oper vorab gesehen.

Im Englischen Original heißt das Musical „Fiddler on the roof“ – im Libretto eher eine Randfigur, begleitet dieser Geiger auf dem Dach Tevje als eine Art Alter Ego. Immer wieder zückt er seine Geige und begleitet das Geschehen vom Dach aus – also auf dem Koffer stehend, erklärt Regisseur Christian Thausing: „Er ist eigentlich so eine Art innere Stimme von Tevje, der immer wieder mit ihm in Kontakt tritt und der eigentlich auf die universellste aller Arten, nämlich mit der Musik, mit Tevje kommuniziert.“

„Anatevka“
ORF

Immer ein Licht am Ende des Tunnels

Freud und Leid liegen in Anatevka eng zusammen, denn die Bewohner sollen aus dem Schtetl vertrieben werden: „Das Erstaunlichste und das Schönste an dem Stück ist – wenn man an dem Stück arbeitet, gerade in Zeiten wie diesen –, dass der Milchmann Tevje und die ganze jüdische Gesellschaft immer nach vorne blickt, in der dunkelsten Stunde immer das Licht am Ende des Tunnels sieht, immer nach vorne schaut und immer den Humor bewahrt“, so Thausing. Das Musical ist somit eine Aufforderung, das Träumen und den Optimismus niemals aufzugeben.