Opernausgrabung: Halb für die Füchse, halb für die Ewigkeit

Das Theater Biel/Solothurn zeigt sich einmal mehr höchst munter und spielte am Freitag trotz Teil-Lockdown Paul Burkhards vergessene Oper «Casanova in der Schweiz».

Christian Berzins
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Flotte Handlung, tolle Töne: Paul Burkhards Oper«Casanova in der Schweiz».

Flotte Handlung, tolle Töne: Paul Burkhards Oper
«Casanova in der Schweiz».

Suzanne Schwiertz / TOBS

Jene Musikkritiker und Musikkritikerinnen, die sich bisweilen gar wichtig nehmen, erlebten am Freitag in Solothurn bei der Premiere von Paul Burkhards «Casanova in der Schweiz» ein schönes «Hallo»: Aus bekannten Gründen waren nur 30 Personen im Theater zugelassen – 30 plus Kritiker, die zählten nämlich nicht! Aber keine Angst, liebe Corona-Polizei, viel tricksen konnte man mit dieser Corona- bzw. Systemirrelevanz nicht. Es gab nur wenige Journalisten, die nach Solothurn gereist waren.

Gekommen waren sie aber, um eine Sensation zu erleben, stand doch quasi eine Uraufführung von Paul Burkhard (1911–1977) an: Ja, von jenem Nationalmusikheiligen, das uns «D Zäller Wiehnacht» geschenkt hat, die wunderbare «Kleine Niederdorfoper» und den monumentalen «Schwarzen Hecht». «Oh mein Papa» wurde Burkhards Jahrhunderthit, den einst jeder Schlagerstern draufhaben musste.

«Casanova in der Schweiz» ist aber eine echte Oper, was Intendant Dieter Kaegi bei seiner kurzen Ansprache mit Nachdruck unterstrich. 1943 wurde sie am Opernhaus Zürich uraufgeführt – und verschwand dann tief in den Archiven. Tonaufzeichnung gibt es nicht.

Das war für Dirigent Francis Benichou eine Herausforderung, die er klug nutzte, auch wenn das Orchester vielleicht durch die Abstände im Orchestergraben oder die Corona-Wirren ganz allgemein nicht den besten Abend erwischt hatte.

Casanova geht gar auf die Knie...

Casanova geht gar auf die Knie...

Suzanne Schwiertz / Tobs

Aber diese Musik ist unterhaltsam: Solange jedenfalls, bis Burkhard nicht den Parlando-Ton von Richard Strauss oder den viel süffigeren Operetten-Ton von Jacques Offenbach zu imitieren versucht, sondern zu ureigenen Tönen findet. Den Sängern sind famose Partien geschenkt, Simon Schnorr füllt die Titelrolle prachtvoll aus. Bis in die Nebenrollen hat jeder seinen kleinen Grossauftritt.

Von der Handlung kann man sich einfach ein Bild machen: Casanova hat genug von der Welt gesehen, will ins Kloster Einsiedeln eintreten, trifft dann aber auf eine besonders schöne Frau, nähert sich ihr als Kellner und folgt ihr nach Solothurn. Die Verstrickungen nehmen einen hochvergnüglichen Lauf.

Das Ganze wäre ein Riesenspass, würde man es nicht so ernst nehmen wie Georg Rootering. Er aber inszeniert, als wäre man in den 1980er-Jahren auf einer der legendären Schweizer Laien- Operettenbühnen.

Schade, hat der Intendant nicht selbst Regie geführt. Er hätte eine Sprache gefunden, damit das Spiel nicht dauerpeinlich geworden wäre. Auch die Musik hätte unter einem flotten Regie-Zugriff gewonnen.

Traurig, kann die Oper zurzeit trotz besten Schutzkonzepten nicht gespielt werden. Im Verkauf – hoffnungsvoll! – ist allerdings die Vorstellung vom 7. Februar. Bis dahin steht der Kultur ein steiniger und totenstiller Weg bevor.