"Rosenkavalier" an der Wiener Staatsoper: Ein Ochs zum Niederknien

Xl_rosenkavalier-wien-12-20-13 © Wiener Staatsoper

Sie gilt als die wienerischste aller Opern: Der Rosenkavalier von Richard Strauss, eine jener phänomenalen Schöpfungen, die durch die kongeniale Zusammenarbeit des bayerischen Komponisten mit dem österreichischen Dichter Hugo von Hofmannsthal entstanden ist. Jetzt wurde dieses außergewöhnliche Musikdrama an der Wiener Staatsoper musikalisch vom neuen Musikchef Philippe Jordan neu einstudiert. Und leider wurde es wieder einmal wegen der Pandemie ohne Publikum - außer einiger auserwählter Journalisten und einiger hauseigener Personen – und ohne Applaus – was vorher ausdrücklich erklärt wurde – im Stream Live übertragen. Am 27.12. kann man das Werk dann auch im TV auf ORF III sehen.

Aber eigentlich müsste die Oper diesmal „Ochs von Lerchenau“ heißen. Denn wie Günther Groissböck die Rolle, die er schon bei den Salzburger Festspielen, an der Metropolitan Opera in New York und zuletzt in Berlin aber noch nie in Wien gesungen hat, sowohl sängerisch wie auch szenisch anlegt, ist erste Sahne. Stimmlich am Höhepunkt seiner Karriere singt der aus Niederösterreich stammende Bass ungemein fassettenreich und differenziert. Er trifft jeden, auch noch so tiefen Basseston, und alles mit langem Atem.  Auch seine Bühnenpräsenz ist phänomenal: Mit großer Spielfreude, jede Pointe treffend gesetzt, ohne zu poltern, herrlich prall, mit spitzbübischer Naivität, humorvoll und frech. Bewundernswert ist auch, wie Groissböck bei diesem Rollendebüt an der Staatsoper in die Otto Schenk Inszenierung eingestiegen ist:  Einfach souverän und sicher einer der besten „Ochsen“, den man ihn Wien je erlebt hat.

Und dann hat man auch noch eine Martina Serafin aufgeboten: Eine durchaus gefühlvolle, elegante und sehr sensible Feldmarschallin mit blühendem Sopran. Als schöne Frau mittleren Alters ist die östereichische Sängerin optisch der ideale Marschallin-Typ, darstellerisch vielleicht etwas zu zurückhaltend. Die attraktive Erin Morley hat die ideale Sophien-Stimme, nämlich schlank wie auch strahlend und sie spielt entzückend. Ihr Deutsch ist bemerkenswert. Daniela Sindram in der Rolle des Octavian ist leider sowohl stimmlich als auch darstellerisch etwas zu blass. Jochen Schmeckenbecher ist ein köstlich witziger, neureicher Herr von Faninal. Regine Hangler singt die Leitmetzerin ideal. Thomas Ebenstein zeigt wie immer einen überzeugend und scharfgezeichneten Valzacchi, Noa Beinart, seine neue Annina, muss noch in die Rolle hineinwachsen. Es fehlt ihr vor allem an komischem Talent. Wolfgang Bankl überzeugt als mächtig singender Polizeikommissär. Und eine wahre Luxusbesetzung der mit wunderbarem Timbre singende Piotr Beczala für die kurze Rolle des Sängers. Der Ausnahmetenor singt seine Arie hinreißend.

Philippe Jordan am Pult des Wiener Staatsopernorchesters vermag bei den Musikern luxuriösen und üppigen Wohlklang zu verströmen. Es fehlt weder an spannungsvoller Agogik, noch an hoher Transparenz noch an inniger Emotionalität. Keiner der vielen „deliziösen“ Momente der herrlichen Musik geht verloren.

Und alle finden sich in der traditionellen Inszenierung von Otto Schenk, die kaum zu glauben, zum 385. Mal hier am Haus gezeigt wird, zurecht. In althergebrachten, aber geschmackvollen Kostümen kennt sich in dieser klassischen Regie jeder aus.  Ohne irgendwelche Verdrehtheiten wird die „Farce“ klar erzählt wird.

Dr. Helmut Christian Mayer

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading