Belcanto Tragödie in Linz - Düstere Ästhetik mit ein paar Farbtupfer

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Belcanto Tragödie in Linz - Düstere Ästhetik mit ein paar Farbtupfer-

 

Zwei zerstrittene Familien und zwei Liebende dazwischen, die Tragödie des Veroneser Liebespaares ist weltbekannt. Aber nicht William Shakespeare bildete die Literaturvorlage für Vincenzo Bellini "I Capuleti  e  i Montecchi", sondern verschiedene Erzählungen aus der Renaissance, die Felice Romani zu seinem Libretto verfasste. Die Geschichte ist hier bereits weit fortgeschritten und wir erleben die letzten ausweglosen Stunden der Beiden.Tebaldo soll Giulietta heiraten, Lorenzo, hier ein Arzt versucht Frieden zu stiften und den Liebenden zu helfen. Gefühle wie blinder Haß, Rache, Eifersucht oder Liebe dominieren wirkungsvoll die Partitur. Es ist dessen sechste Oper und wurde 1830 im Theater La Fenice in Venedig uraufgeführt. Sie gilt als Höhepunkt des Belcanto und leitet doch auch schon die große romantische Oper ein.

Das Landestheater Linz zeigt nun in Zeiten der Pandemie eine Neuinszenierung auf seiner Netzbühne im Stream. Gregor Horres, Leiter des Linzer Opernstudios führt Regie und verlegt die Handlung in ein kühles elegantes modernes Ambiente. Das Bühnenbild ist schwarz weiß geprägt, ein paar Farbtupfer schafft die Köstümbildnerin Yvonne Forster. Ein großes schwarzes drehbares und zerlegbares Element in der Bühnenmitte ermöglicht rasche Szenenwechsel und gleichzeitig intelligente Raumgestaltung – Bühnenbild Elisabeth Pedross. Ausgeklügelte Lichtregie und Videoinstallationen nutzen zusätzlich die Fläche und vermitteln Stimmungen und Handlungsinhalte.

Fremdartig wie Raumfahrer wirkt der ausschließlich männliche Chor, der in voluminöse Anzüge mit Halsringen gesteckt wird. Zumeist sitzt er am Bühnenrand und verfolgt das Geschehen. Statisch ist die Aufstellung, ungewöhnlich und ohne Inspiration ist seine Choreografie beim Einsatz. Musikalisch ist der Herren- und Herrenextrachor des Landestheater Linz bestens von Elena Pierini vorbereitet.

Capellio, Oberhaupt der Capuleti und Vater von Giulietta fährt im Rollstuhl vor, bewegt sich aber auch mit feinen Stock auf der Bühne. Im dunklen Anzug, angriffslustig und ständig mit Pistole intigriert Tebaldo im Hause. Lorenzo wirkt wie ein gealterter Junkie, lässig gekleidet mit langen etwas schütteren Haaren. Verschüchtert und eingeschüchtert schleicht Giulietta im bunten Kleid oder weißen Hochzeitskleid herum. Draufgängerisch ungestüm die Jugend präsentiert Romeo in Jeans und lockerer Kleidung.

Es wird viel geschossen in dieser etwas schleppenden Umsetzung. Romeo wird am Bein verletzt, Lorenzo wird niedergestreckt bevor er seine Mission vollenden kann und Tebaldo fällt getroffen zu Boden. Giulietta erhält eine Spritze, während Romeo klassisch das Gift aus einem Fläschen trinkt.  Der Chor erscheint im Schußbild mit weißen Schleier über dem Kopf von innen beleuchtet und besingt das Ende der Liebenden.

Enrico Calesso hat die musikalische Leitung dieser Neuinszenierung der Tragedia lirica in zwei Akten übernommen. Der Italiener versteht sich in die Musik hineinzuversetzen und das Orchester des Landestheater mit sich zu reißen. Es wird frisch und ungezwungen, leicht und transparent gespielt. Die Sänger werden förmlich getragen und vornehm zurückhaltend begleitet. Die Musiker erzeugen ungebrochen Spannung und bringen die Handlung voran.

Anna Alas i Jové ist ein ausdruckstarker Romeo mit einer ausgeprägten Mimik und Spielfreude. Die Mezzosopranistin weiß ihre Stimme durch die Partitur zu führen, fordernd und mutig den Helden zu mimen und gefühlvoll die Geliebte zu betören. Ihre Stimme kann die Nuancen akzentuieren und auch die Anforderung der Ornamente des Belcanto erfüllen. Die Sopranistin Ilona Revolskaya meistert als Giuletta ebenso die Ansprüche an die Flexibilität und Technik der Stimme, um die Verzierungen und ausgefeilten Legati des Belcanto zu erfüllen. Dominik Nekel erhält im Rollstuhl viel Aufmerksamkeit aber sein Bass hat nicht die herrschaftliche Gewalt und Durchsetzungskraft inne.

Joshua Whitener presst in die Höhe und legt Druck in die Stimme. Sein Tebaldo wirkt gesetzt farblos gegenüber seinem Gegenspieler Romeo. Michael Wagner fügt sich gut in das Rollenbild des Sonderling Lorenzo, der sich klar von dem gehobenen eleganten Umfeld abhebt.

Auch diese Premiere findet ohne Publikum statt. Tragisch endet die Oper im leeren Landestheater auf der Bühne und ohne Applaus müssen sich die Interpreten verabschieden. Die Tragik setzt sich im wahren Leben für die Kultur fort.

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