Winterstürme wichen dem Wonnemond passend zum Ende des harten Lockdowns in München

Xl_die_walkuere__1._akt___c__w_hoesl_2_ © Winfried Hösl

Ruhig, nahezu andächtig bewegt sich der gemäß Corona Richtlinien  „reduzierte“ Besucherstrom durch die Absperrungen unter den mächtigen Säulen des Münchner Nationaltheaters. Rund 30% Auslastung, also 700 Zuschauer für die Bayerische Staatsoper sind derzeit zugelassen. Die Karten für die beiden Eröffnungsvorstellungen mit einer konzertanten Aufführung des ersten Aktes von Richard Wagners Die Walküre in Starbesetzung waren in Minuten verkauft, zumal der Moment der Öffnung der Kulturstätten heiß ersehnt war. Intendant Nikolaus Bachler setzt gekonnt auf bewährt Beliebtes garniert mit Zugpferden, um rasch die freudige Botschaft des relativ kurzfristigen Neustarts zu verbreiten.

Der gefeierte Weltstar Jonas Kaufmann ist in seiner Heimatstadt umso beliebter und geschätzt. Dem Wagnerfach hat er sich in den letzten Jahren immer deutlicher zugewandt, zuletzt als Parsifal in der Wiener Neuinszenierung und in Kürze wird er als Tristan in München debütieren. In der Rolle des streitbaren Wälsen Siegmund hat er bereits großen Erfolg u a an der Metropolitan Opera New York gefeiert.

Optisch erfüllt er alle Erwartungen an den kühnen waffenlosen Helden, der in einen Liebestaumel mit seiner verloren geglaubten Schwester verfällt. Dies noch dazu im Hause seines erbitterten Feindes mit dessen Weib und der ihm nur missmutig Obdach gewährt. Zündender Stoff einer weltberühmten Liebesgeschichte, die Richard Wagner genial in hochromantischer Musik vertonte. Dazu ist Jonas Kaufmann ein leidenschaftlicher und begabter Schauspieler und Gestalter seiner Rollen. Auch hier setzt er sachte und sanfte Gesten und Zeichen der Dramatik, Gefühle oder Annäherung. Sehr lyrisch und in sich ruhend beginnt er sein Schicksal zu erzählen, fällt in seinem Leid auch manchmal sinnierend in einen monotonen Sprechgesang. Nur selten wühlen seine Gefühle auf, dann wird auch energisch mit Kraft gearbeitet. Gerne zieht er die höheren Tönen nach oben und in die Länge, manieriert malt er sie mit Farbe und Volumen aus. Dunkler ist sein Timbre in den letzten Jahren geworden und guttural wirkt immer wieder sein Ansatz verschiedener Vokale. Mit Inbrunst entfaltet er seine Wälse Rufe und haltet beeindruckend rein Ton und Forte. Seine Stärken spielt er im Duett mit Lise Davidsen als Sieglinde im zweiten Bild aus. Nun erkennt er Schwester und Geliebte, darf seine Gefühle in Männlichkeit und Begierde umsetzen – eine Rollenbild das seinem lyrischen Tenor entspricht. Interessant ist hierbei das Erlebnis der spürbar unterschiedlichen Wirkung der beiden Stimmen. Lise Davidsen strahlt mit unglaublich mächtiger Stimme ohne fühlbare Anstrengung. Vor Ehrfurcht stockt das Haus, wenn sie in vollem Tone ansetzt. Klar und rein bleibt dabei die Stimmführung ohne in Dramatik zu verfallen. Hier steht eine statthafte jungfräuliche Sehnsucht einem irrenden Helden gegenüber, die Halt und Kraft spendet. Sie läßt die Geschwisterliebe stimmhaft blühen und ihre Mimik vermittelt die Begeisterung. Mit einem herzhaften Lächeln sind sich die beiden am Ende zugewandt – sicherlich auch erlöst.

Georg Zeppenfeld mimt den gramen ahnenden Hunding. Zum Bösen verurteilt und als Frickas Knecht hat er keine einfache sympathieträchtige Rolle zu erfüllen. Distingiert und sehr elegant erscheint er, wohl und bedächtig seine Worte formulierend. Mit reinem Bass, der sich sehr geschmeidig durch die Melodien führen läßt, gelingt es ihm, diesem Hunding auch Verständnis abzuringen. Überaus klar figuriert er die Töne und versetzt ihnen Durchschlagskraft.

Dieses exzellente Trio wird vom bayerischen Staatsorchester unter der Führung von Asher Fisch bestens begleitet oder besser gesagt geführt. Die Tempi wählte der Dirigent gut, eher langsam aber er verfällt nicht in getragene Polemik, sondern behält Schwung. Dem wunderbar aufspielenden Orchester entzieht er klar die wesentlichen tragenden Leitmotive, impulsive Forte und vollmundige Melodien, die er mit den Gesangstimmen geschickt zusammenführt.

Am Ende dröhnt das Haus im Jubel des begeisterten Publikums. Der Abend hält noch drei Zugaben, wahre Höhepunkte bereit. Das Orchester hat die Bühne verlassen und ein Konzertflügel läßt die Erwartungen höherschlagen. Asher Fisch brilliert als Liedbegleiter. Jonas Kaufmann stellt mit dem Ausschnitt „Träume“ aus den Wesendonck Liedern seine Fähigkeiten als Liedsänger unter Beweis, Lise Davidsen strahlt mit einem Lied aus ihrer norwegischen Heimat und Georg Zeppenfeld amüsiert mit dem Schlußmonolog aus der Schweigsamen Frau von Richard Strauss.

Dieser unvergessliche Abend der Spitzenklasse wird allen Besuchern im Gedächtnis haften. Schon die Umstände sind erschreckend historisch. Die heilsame Wirkung der Kultur wurde von den Künstlern eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Wahrhaftig wichen pandemiebedingten Winterstürme dem Wonnemond der Kunst.

 

Dr. Helmut Pitsch

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