Teuflisch humorvoll- Suppès Opernrarität „Der Teufel auf Erden“ an der Wiener Volksoper:

Xl_teufel_auf_erden-wien-5-21-4 © Volksoper Wien

„Wenn die Kunst am Boden liegt, hat uns die Politik besiegt“: Über solche topaktuellen wie auch viele weitere Anspielungen auf die österreichische Politik (Chataffäre) und auf die heutige oberflächliche Handy-Jugend resümieren der Höllenknecht Ruprecht und Rupert, der Engel außer Dienst zum Finale von „Der Teufel auf Erden“ von Franz von Suppè. Denn Alexander Kuchinka hat den ursprünglichen aktuell-zeitkritischen Ansatz der Operetten-Rarität, die 1878 im Carlstheater in Wien uraufgeführt wurde - Die deutsche Erstaufführung fand erst 2016 im Akademietheater München statt - pointiert ins Heute übertragen. Manchmal allerdings mit recht trivialen und sehr deftigen Sprüchen.  Er macht in einer Reise durch die Jahrhunderte einen Spagat zwischen Modernisierungsschub und Werktreue, um dem Stück ein möglichst frisches Leben einzuhauchen. So wurden Figuren umbenannt und die beiden letzten Akte spielen überhaupt schon im 21. Jahrhundert.

Eigentlich sollte die Premiere dieser außergewöhnlich komischen Operette im Geiste Offenbachs an der Wiener Volksoper ja schon im Dezember 2020 stattfinden, allein die Pandemie verlangte mehrere Verschiebungen.  Aber jetzt war es soweit, die von den Operettenfreunden sehnlichst erwartete Öffnung nach mehreren Monaten des Kultur-Lockdowns fand jetzt statt, so dass diese Koproduktion mit dem Theater Chemnitz, wo das Werk schon 2019, in welchem der 200. Geburtstag Suppès gefeiert worden war, zu sehen war.

Natürlich geht es bei diesem Titel um den Teufel und die Hölle, woraus der Satan einfach verschwunden ist! Jetzt wird der Höllenknecht Ruprecht beauftragt, ihn auf Erden zu suchen. Dort gesellt sich mit dem Engel außer Dienst Rupert ein ungleicher Weggefährte zu ihm. Ein Nonnenkloster im 17. Jahrhundert, eine Kaserne im 19. Jahrhundert und eine Tanzschule im Heute sowie der Opernball sind die Stationen der atemlosen Fahndung nach dem Höllenfürsten.

Nur, gewisse Stücke sind nicht umsonst in der Versenkung verschwunden und in die musikalischen Vergessenheitskiste geraten: Denn die Handlung dieser Operette ist harmlos und der Musik fehlen zündende Stücke geschweige denn Ohrwürmer. Aber man hat hier an der Volksoper das Beste Draus gemacht: Jakob Brenner hat eine gründlich revidierte musikalische Fassung auf Basis von Suppés Partitur-Autograph erstellt, gelegentlich etwas korrigiert und Nummern entsprechend dem neuen Libretto umgestellt. Diese wird vom Orchester der Wiener Volksoper unter dem erfahrenen Operetten-Spezialisten Alfred Eschwé mit viel Verve und Freude musiziert.

Aus dem großen Ensemble ragen Hausherr Robert Meyer als Höllenknecht Ruprecht mit teuflischer Präsenz und einem dreiköpfigen Mops im Schlepptau sowie Christan Graf als Ex-Engel Rupert, beide mit köstlichen Schmähs heraus. Witzig im Spiel, da bleibt kein Auge trocken. Sie reisen durch Orte und Jahrhunderte sich gegenseitig helfend und über Gott aber auch den Teufel lästernd, um nach dem entflohenen Höllenchef zu fahnden. Dieser wird von Marco Di Sapia sprachwendig und in zahlreiche Personen schlüpfend gespielt. Alle anderen Protagonisten reüssieren in mehreren Rollen: Etwa Theresa Dax und Johanna Arrouas gefallen mit schönen, leichten Stimmen, wie auch David Sitka und Carsten Süss mit viel Schmelz. Gut auch der mit Masken singende Chor des Hauses.

Furchterregend und gigantisch ist es schon dieses rote Höllenmaul, das die Bühne dominiert und diese einrahmt. An das Kulissentheater des 19. Jahrhundert gemahnen dazu die gemalten an Hieronymus Bosch erinnernden Hängekulissen wie die Hölle, Nonnenkloster, Kadettenanstalt, Tanzschule und Opernhaus. Der mit fantasievollen Produktionen mehrfach Volksopern-bewährte Ausstatter und Regisseur Hinrich Horstkotte hat darin durchaus konventionell, mit viel Tempo, Witz, Augenzwinkern, alles als Ausstattungsrevue a la Offenbach inszeniert. Es darf gelacht werden und alle kriegen bei den frechen aktualisierten, teils allerdings recht trivialen und deftigen Dialogen und Gesangstexten ihr Fett ab: Weder die Politik (das Thema Brexit oder Donald Trump, der in die Hölle Einlass begehrt) noch die Kirche (Missbrauch an Minderjährigen) bleibt verschont. Der Schlussakt hat es überhaupt in sich, denn gibt es eine schonungslose Abrechnung der heutigen oberflächlichen Spaßgesellschaft und Facebook und Handy Generation. Einiges gleitet jedoch zu sehr ins Klamaukhafte ab.

Viel Applaus!

Dr. Helmut Christian Mayer

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