Teuflisch ging es am Tag der Wiedereröffnung der Theater in Wien zu: Während in der Staatsoper Faust seine Seele an den Teufel verkaufte, verschlug es in der Volksoper gleich mehrere Höllenbewohner unter die Menschen. Denn in Franz von Suppés Operette Der Teufel auf Erden ist der Satan höchstpersönlich aus der Hölle verschwunden, weshalb der Teufel Ruprecht damit beauftragt wird, ihn auf der Erde zu suchen.

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Christian Graf (Rupert) und Robert Meyer (Ruprecht)
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Gemeinsam mit dem dreiköpfigen Höllenhund Zerberl (entzückend verkörpert von einem äußerst wohlerzogenen Mops namens Bärbel Mocnik) reist er also durch die Jahrhunderte, um den Leibhaftigen zurückzuholen. Dabei trifft er auf Rupert, einen Engel außer Dienst, der ihm fortan beim Suchen hilft. Daraus entspinnt sich ein irrer Trip durch ein Kloster und eine Kaserne, in denen Satan in eine Oberin bzw. einen Offizier gefahren ist. Schließlich landet das ungleiche Paar in der völlig neuen Textfassung von Alexander Kuchinka im 21. Jahrhundert, in der Tanzschule Höllmeyer, wo zunächst für die Eröffnung des Opernballs geprobt wird und schließlich nach dem Kommando „Alles Walzer“ die Grenzen zwischen Hölle und Erde endgültig verschwinden – der Teufel steckt in der modernen Gesellschaft nämlich mittlerweile in jedem Menschen.

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David Sitka, Johanna Arrouas, Theresa Dax, Carsten Süss und Marco Di Sapia
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Für Hinrich Horstkotte, der bei dieser Produktion Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner in Personalunion ist, bietet die Geschichte natürlich eine Steilvorlage für allerlei kuriose Details. So ist im Vorspiel eine illustre Gesellschaft in der Hölle versammelt: Da treffen sich Hitler und Osama bin Laden auf ein Pläuschchen, Salome stolziert mitsamt dem Kopf des Jochanaan herum, ein Kardinal wird vom Höllenpförtner süffisant gefragt, ob er sich nicht im Stockwerk geirrt hat und Donald Trump ärgert sich mal wieder über Fake News. Von Chor und Solisten wurden die Einfälle des Regisseurs spielfreudig umgesetzt; insbesondere im dritten Akt schienen alle einen höllischen Spaß daran zu haben, bei den Opernballvorbereitungen das arrogante Jungdamen- und  Jungherren-Komitee zu verkörpern. Und auch so mancher ehemaliger Staatsoperndirektor würde wohl zustimmen, dass dieses Event mitsamt stocksteifem Benimmpapst und überdrehter Opernballlady (Verena Scheitz brachte eine durchaus gelungene Karikatur der Grande-Dame Lotte Tobisch auf die Bühne!) die wahre Hölle auf Erden ist.

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Carsten Süss (Isidor/Isbert/Immanuel), Christian Graf (Rupert), Theresa Dax (Amanda/Amalia/Amira)
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Nun gibt es in der Volksoper seit Jahren ohnehin wenige Neuproduktionen, in denen Direktor Robert Meyer keine Rolle für sich (er-)findet; der Höllenknecht Ruprecht steht ihm aber wirklich ganz ausgezeichnet, er blödelte sich sympathisch durch Kloster, Kaserne und Tanzschule und bildete mit Christian Graf als Engel Rupert, der als Running Gag bei jeder Erwähnung des Teufels Glitzer verstreuen durfte, ein unterhaltsames Duo, das im frisch gedichteten Couplet natürlich die Theaterschließungen und die Innenpolitik – denn lieben wir nicht alle unseren Kanzler!? – thematisierte.

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Michael Havlicek (Haderer/Thomas/Nebel/Höllmayer)
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Sieht man über die Tatsache hinweg, dass es nicht der Abend der gesanglichen Glanzleistungen war, war es doch eine solide Vorstellung vonseiten der Solisten: Zwar fehlte es sowohl Theresa Dax als auch Johanna Arrouas (in den die Jahrhunderte der Handlung umspannenden Rollen als Amanda/Amalia/Amira und Isabella/Isolde/Ilvy) an vokaler Durchschlagskraft – denn sobald das Orchester mehr aufdrehte, gingen sie unter – beide überzeugten aber mit klaren und höhensicheren Stimmen. David Sitka (in den Rollen des Reinhart/Reinwald/Reiner) und Carsten Süss (als Isidor/Isbert/Immanuel) ließen Schmelz und Wärme in der Stimme vermissen, darstellerisch waren die Herren jedoch herrlich selbstironisch unterwegs. Als ebenfalls durch die Jahrhunderte reisender Höllenpförtner sorgte Michael Havlicek mit trockenem Humor für Lacher und die vielleicht rundeste Leistung des Abends lieferte Marco di Sapia als wandlungsfähiger und mit starker Bühnenpräsenz glänzender Satan.

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Verena Scheitz (Frau Zimmermann-Großfeldt), Michael Havlicek (Haderer/Thomas/Nebel/Höllmayer)
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Letztlich – so ehrlich muss man sein – gibt Der Teufel auf Erden musikalisch aber nicht viel mehr her als ein bisschen nette Unterhaltung; keine Melodie bleibt nachhaltig im Ohr hängen, einen wirklichen Schlager gibt es auch nicht. Kein Wunder also, dass die zwischen zweitem und drittem Akt gespielte Ouvertüre zu „Leichte Kavallerie“ beim Publikum für die größte Begeisterung sorgte: Hier konnte das Orchester, das unter Dirigent Alfred Eschwé ohnehin immer ein Garant für Operettenseligkeit ist, mit rasanten Tempi und schimmernden Klangfarben endlich so richtig mitreißen!

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