Viele Ideen fließen auseinander neue Tosca in Brüssel

Xl_0a175918-f10b-47b0-896f-ba482cf2aa84 © Carl Foucher

Giacomo Puccini Tosca - De Munt/ La Monnaie Brüssel 16,6,2021

Der ursprüngliche Bau der Brüsseler Oper wurde 1700 an Stelle einer Münze Prägeanstalt errichtet, woher der Name des Opernhauses rührt. La Monnaie oder De Munt „das Geld“. 1695 hatten französische Truppen diese zerstört. Venezianische Architekten wurden vom bayerischen König Maximilian II Emmanuel, dem Statthalter der spanischen Niederlande mit dem Bau beauftragt. Geschichtlich bedeutend ist der Abend des 25. August 1830 als ein Opernabend bzw die Arie „Laufet zur Rache“ die belgische Revolution einläutete und zur belgischen Unabhängigkeit von den Niederlanden führte. 1855 wurde der heutige Bau nach einem Theaterbrand neu errichtet und galt als eines der elegantesten Opernhäuser in Europa.

Belgien verweilte viele Monate pandemiebedingt in einem strengen Lockdown. Auch jetzt ist die Regierung sehr zögerlich mit Lockerungen. Unter strengen Hygiene Auflagen dürfen zweihundert Zuschauer mit Mund Nasenschutz zu den Aufführungen kommen. Eine anspruchsvolle, sich dem Betrachter schwer erschließende Neuinszenierung von Giacomo Puccinis Tosca eröffnet die verbleibende Saison.

In sehr kurzer Vorbereitungszeit entstand diese erste Arbeit des spanischen Regisseurs Rafael (Rodríguez) Villalobos für das Brüsseler Opernhaus. Seine Herangehensweise klassifiziert er als erzählend. Die Schicksale der Beteiligten gegenüber einer politischen willkürlichen Macht stehen im Vordergrund, wobei es in höchster Ebene auch um eine Abrechnung mit der Gewalt des Vatikan und Gott geht. Die Interpretation des Satzes aus dem Libretto „vor ihm zitterte ganz Rom“ ist hier weitgehend. Er transportiert den geschichtlichen Hintergrund in das Rom der 70iger Jahre und integriert schwer erklärbar Piero Paolo Passolini in die Geschichte. Sein ungeklärter Tod ist raumgreifend zum Vorspiel des letzten Bildes wie ebenso sein letzter umstrittener Film Salo oder die 120 Tage von Sodom gestalterisch durch vier Jünglinge, die als Lustknaben der kirchlichen Würdenträger wie auch des unerbittlichen Machthabers Scarpia agieren. In seinem Büro im Pallazzo Farnese schleichen und kriechen sie nackt herum.

Die vorherrschende Ästethik in Kostümen und Bühnenbild, ebenfalls von Villalobos verhindern eine größere abstoßende Wirkung. Die Verfremdung und Aufdrösselung des Handlungsablaufes bleibt und verhindert gewohnte Spannungselemente, insbesondere zwischen Scarpia und der angebeteten Tosca. Der Eindrücke nicht genug wird noch das Gemälde Judith und Holofernes von Caravaggio in sein Konzept der barocken Schönheit gepaart mit purer Brutalität integriert und zur Mordszene hinzuprojeziert.

Alain Altinoglu, der künstlerische Leiter der königlich belgischen Oper findet am Pult einen ähnlich minimalistischen Zugang zur musikalischen Interpretation. Aber er legt Wert auf Klarheit und Transparenz sowie Tempo. Er möchte die Spannung auf die Bühne transportieren wird aber nicht von allen Sängern angenommen. Monica Zanettin gelingt es vielversprechend in ihrem Rollenbild sängerisch Konturen zu zeigen. Ihre Arie „visi d‘arte“ ist einfühlsam, echt und mitreißend. Ihr Sopran wärmt ebenso wie er scharf zeichnet. Angedunkelt im Timbre ist ihre Stimme farbenreich. Den kämpferischen mutigen Helden mimt Andrea Care. Sehr beschäftigt mit den stimmlichen Anforderungen besonders in der Höhe, bleibt er hölzern und einseitig in der Darstellung. Glücklich erreicht er mit Kraft die explosiven "Victoria" Rufe. Seiner berühmten Arie „E lucevan le stelle“ fehlt der Schmelz. Dimitris Tiliakos ist ein dunkler grimmiger syphisanter Scarpia und überzeugt mit mächtiger sonorer Stimme. Sava Yemic ist ebenso gut besetzt als Cesare Angelotti.

Viel Anerkennung und kräftiger Schlussapplaus vom glücklichen Publikum, die Ihr Opernhaus freudigst wieder besuchen dürfen.

 

Dr. Helmut Pitsch

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