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„Idalma“ bei den Innsbrucker Festwochen: Eine Art „Don Giovanni“

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Zwei Bauarbeiter treffen auf den barocken Lebemann Lindoro (Rupert Charlesworth).
Unheimliche Begegnung mit der dritten Opern-Art: Zwei Bauarbeiter treffen auf den barocken Lebemann Lindoro (Rupert Charlesworth). © Birgit Gufler

Wieder haben die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik eine Oper ausgegraben. „Idalma“ von Pasquini ist allerdings besser als diese Aufführung.

Alessandro De Marchi muss man sich als einen spitzfingrigen Archivförster vorstellen. So, wie er dirigiert, der Intendant der Innsbrucker Festwochen, so vorsichtig dürfte er in die Keller der Musikwissenschaft hinabsteigen. Und dort, vielleicht nach Genuss einer Tasse stärkenden Kräutertees, hält er dann Ausschau nach verkümmerten Gewächsen aus den Randzonen, um sie liebevoll zu päppeln, auf dass sie neu erblühen.

Ein paar Mal ist das schon gut gegangen bei diesem einzigartigen Festival der Alten Musik. Aha-Effekte gab es dort und überraschende Entdeckungen. Nur beim aktuellen Pflänzchen, der 1680 uraufgeführten Oper „Idalma“ von Bernardo Pasquini, verhält sich die Sache etwas anders.

Wobei einem nach vier Premierenstunden mit drei Akten und zwei Pausen der Verdacht kommt: Das wuchernde Stück ist besser als die Aufführung. Pasquini (1637-1710) sagt heute eigentlich nur Cembalo- und Orgelkundigen etwas. Seine Fähigkeiten auf den Tasteninstrumenten waren hochgeschätzt, in Rom fungierte er zudem als bestens bezahlter Tonsetzer für die High Society. „Idalma“ war, unter Aufbietung aller Theatermittel und herausragender Sänger, als kalkulierter Erfolg gedacht – der sich auch tatsächlich einstellte. Im Stile der Zeit bietet diese „Commedia per musica“ ein Verwicklungsknäuel, aus dem selbst Textkundige nur schwer herausfinden.

Ein Mann zwischen zwei Frauen

Im Grunde ist es eine „Don Giovanni“-Variation. Im Mittelpunkt steht Lindoro, verheiratet mit Idalma, der sich zwischenzeitlich für Irene interessiert. Die ist wiederum mit Celindo verbandelt. Beide Frauen verbünden sich gegen Lindoro. Dazu gibt es noch ein zeitübliches Dienerpaar, das im italienischen Original Derbes bis Zotiges plappert. Am Ende löst sich alles auf, wobei in Innsbruck unklar ist, welcher Topf wirklich welchen Deckel bekommt.

Es ist wie in vielen Barockopern (und reicht letztlich bis zu Verdis verworrenem „Troubadour“): Entscheidend ist nicht die Stringenz, sondern das Situative. Ständig wird eine Figur in einen Zwiespalt geworfen, der sich ganz wunderbar eignet für aussagekräftige Musiknummern. Pasquinis Partitur ist ein Schwellenwerk. Noch hat sich die Oper nicht verdichtet zu fest strukturierten Arien, noch sind frühere Zeiten mit ihrem reich ausgeschmückten, rezitativischen Dauergesang präsent, auch folkloristischer Swing aus dem Volkstum.

De Marchi, die editorische Arbeit ist nicht hoch genug einzuschätzen, bemüht sich mit dem Festwochenorchester um eine farbsatte, gehaltvoll instrumentierte Wiedergabe. Dennoch bleibt der Eindruck: Alle diese Voraussetzungen werden nur unzureichend genutzt. Der Chef gibt mehr den Sachwalter, den freundlichen Musikverbucher, als irgendetwas anzuheizen oder unter (notwendigen) Druck zu setzen. Eine, wenn man so will, wissenschaftliche Deutung, keine dramatische.

Barocke Figuren als Phantome der Oper

Auch auf der Bühne im Haus der Musik tut sich Unzureichendes. Alessandra Premoli (Regie) lässt mit Nathalie Deana (Bühne) und Anna Missaglia (Kostüme) alles in einem Renaissance-Palais mit teils verschiebbaren Kulissen spielen. Eine museale Szenerie, in der sich die Figuren wie Phantome der Oper bewegen und immer wieder auf zwei Bauarbeiter, später auf eine Kunsthistorikerin treffen. Die Menschen von heute nehmen diese Gespenster nicht wahr, wundern sich nur ab und zu über den Luftzug und andere mysteriöse Dinge. Das hätte man zur hübschen Konfrontation zweier Zeitalter ausbauen können. Hier bleibt es beim Gegenüber von stereotyper Gestik und matter Brechung.

Dass sich die Solistinnen und Solisten lange, schwere Partien draufscheffelten, die sie mutmaßlich nie wieder brauchen, verdient höchsten Respekt. Gesungen wird mit eindrücklicher Agilität und Kondition, aber oft auch mit herber, monochromer, versteifter Vokalität. Das löst sich mit der Zeit ein wenig. Margherita Maria Sala (Irene) mit ihrem weichen, reichen Alt und die quellfrische Anita Rosati als Page Dorillo ragen heraus. Die Innsbrucker „Idalma“ täuscht also: Mit beherztem Rotstift-Einsatz und unter anderen Vorzeichen ließe sich alles durchaus vor dem nächsten Dornröschenschlaf retten.

Weitere Vorstellungen
am 10., 12., 14. und 16. August; die Festwochen mit weiteren Opernpremieren und vielen Konzerten dauern noch bis 29. August, www.altemusik.at.

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