Feldmanns „Neither“ bei den Salzburger Festspielen: Meditative Klänge

Xl_neither-aristidou-kluttig-salzburg-8-21 © Marco Borelli

„Sehr langsam - sehr leise“: Auf Morton Feldman muss man sich einlassen. Denn der US-amerikanische Komponist (1926-1987), dem die Salzburger Festspiele unter dem Motto „Still Live -Zeit mit Feldman“ heuer einen Schwerpunkt mit mehreren Konzerten gewidmet haben, lässt sich nicht einordnen und hat diese zitierten Vortragsanweisungen in seine Partituren geschrieben, als er zu seinem ganz eigenen Stil fand. Und genauso erklingt seine einzige, einaktige Oper „Neither“, die jetzt in der Salzburger Kollegienkirche „konzertant“ aufgeführt wurde. Von einer Oper im eigentlichen Sinne kann eigentlich keine Rede sein, denn sie hat weder eine Handlung - es gibt bloß ein Gedankengeflecht -, noch ein wirkliches Libretto. Außerdem sind der Komponist und der Textdichter bekennende Opernverweigerer. Und so besteht der Text von Samuel Beckett nur aus 87 Worten, eine äußert knappe, verborgene Klangpoesie, die er Feldman auf einer Postkarte geschickt hat. 87 Worte für nicht einmal 55 Minuten. 1977 wurde daraus eine Partitur für Solosopran, wobei die Sängerin keine Rolle gestaltet. Es ist eher ein Eindringen in kryptische Wort- und Klangräume. Der Text wird meist unverständlich in Vokalismen gesungen, manchmal sind auch Wortfetzen wie „Inner and outer shadows“ zu vernehmen. Es ist eine Kette von rätselhaften Bildern und Assoziationen über „innere und äußere Schatten“oder bei dem Wortlaut: „by way of neither" geht es bloß um ein „weder“ nicht einmal um ein „noch“. Komponiert diffizil in allerhöchsten Lagen und in ewig lang anhaltenden Tönen werden die Sequenzen von Sarah Aristidou exzellent und mit großer Ausdauer gesungen.

Das ORF Radiosymphonie-Orchester Wien unter dem für Ilan Volkov kurzfristig eingesprungenen Roland Kluttig musiziert die trägen, minimalistischen, sich immer wiederholenden, auf- und abschwellenden Klangflächen, die komplexen Mischungen und die mit merkwürdiger Metrik arbeitende Musik mit höchster Konzentration und großem Engagement. Dabei wird der Text nie illustriert und nie wird zwischen Stimme und Orchester interagiert. Einerseits entstehen dadurch eine gewisse Dichte und eine starke meditative Wirkung anderseits aber auch eine lähmende Monotonie. Und alles ist langsam und meist leise. Weil aber der Dirigent, er ist Chefdirigent in der Grazer Oper, etwas schnellere Tempi anschlägt,   braucht man diesmal nur 45 Minuten.

Zuvor erlebt man die Komposition „String Quartet and Orchestra“ aus 1973, die für Morton Feldman ungewöhnlich eine fast melodiehafte Welt zeigt. Aber wieder ist alles langsam und leise und wieder wird nichts erzählt. Und wieder wird alles stets wiederholt und nur um Nuancen verändert, eben Minimalmusic. Das Minguet Streichquartett bewältigt es mit Bravour.

Gefordert ist natürlich auch das Publikum, das hochkonzentriert lauscht und zum Schluss heftigst jubelt und applaudiert.

Dr. Helmut Christian Mayer

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