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Tosca 2021: Anna Netrebko (Floria Tosca), Yusif Eyvazov (Mario Cavaradossi). Foto: © SF / Marco Borrelli
Tosca 2021: Anna Netrebko (Floria Tosca), Yusif Eyvazov (Mario Cavaradossi). Foto: © SF / Marco Borrelli
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Immer wieder Anna – die Große: Anna Netrebko als Tosca bei den Salzburger Festspielen

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Wenn Anna Netrebko singt, dann funkelt Salzburg noch ein bisschen mehr als sonst. Ein gerade Hundert gewordenes Nobelfestival braucht Oper, Theater, Schauspiel und Konzert, das sich hören und sehen lassen kann. Und es braucht Stars. Am besten Superstars wie die Russin, die auch außerhalb der Szene einen Namen hat und die die Festspiele obendrein selbst gemacht haben.

Netrebkos Weltkarriere nahm nach ihrer Salzburger Donna Anna im Jahre 2002 so richtig Fahrt auf. Und sie kam immer wieder an die Salzach zurück.

Was Bekanntheit und (Selbst-)Vermarktung betrifft, ist sie seit Jahren die Nummer Eins ihres Fachs. Weltweit. Das ist schon eine Leistung. Und sie schafft es noch jedes Mal, selbst Skeptiker einzufangen. Mit ihrer Bühnenpräsenz und mit der Strahlkraft ihrer Stimme, der man beim Wachsen und Reifen in den letzten zwei Jahrzehnten zusehen bzw. zuhören konnte. Immer wieder auch in Salzburg. Selbst wenn es nur in konzertanten Auftritten war. Die Inszenierung des bodenständig sympathisch rüberkommenden Weltstars, die gibt es immer als Schlagobers gratis auf die Melange. So verheimlicht sie nie ihr Geburtsjahr. Warum auch, man kriegt sowieso raus, dass sie im September 50 wird.  Für die Branche (und für die Festspiele) sind solche Ausnahmeerscheinungen ein Glücksfall. Dass sie es sich leisten kann, in Bayreuth die eigentlich geplante und in Dresden mit durchschlagendem Erfolg erprobte Elsa in Wagners Lohengrin zurückzugeben, weil ihr (die seit 2006 auch österreichische Staatsbürgerin ist) das Deutsche nicht liegt, gehört zu den Privilegien ihres Status, bleibt schade, aber hat ihr nicht wirklich geschadet. 

Abgesehen davon, ist jeder Auftritt mit reichlich Stoff fürs Adabei (den Klatschteil der hiesigen Zeitungen) verbunden. Da werden dann schon mal die 40.000 Swarovski-Kristalle im roten Bühnenkleid akribisch vermerkt. Und jede Erkältung im Vorfeld (und noch zur Generalprobe, die sie deshalb nicht sang). Dazu kommt ihre eigene offenherzige Präsenz in den sozialen Netzwerken. Das schließt den Mann an ihrer Seite ein. Erst den Südamerikaner Erwin Schrott und jetzt ihren Ehemann, den aserbaidschanischen Tenor Yusif Eyvazov. Was Anna Netrebko privat macht, geht uns eigentlich nichts an. Aber wenn ER neben IHR singt, dann beginnt, sagen wir mal ganz vorsichtig, ein Eiertanz. 

Jetzt also sie als Tosca und er als Cavaradossi. Auf der Bühne des Großen Festspielhauses, in einer Inszenierung von Michael Sturminger (der aktuell mit seiner inszenatorischen Maßanfertigung für den Jedermann Lars Eidinger Furore machte). Zu den Osterfestspielen 2018 hatten noch Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle im Graben sekundiert. Jetzt sorgen die Alleskönner der Wiener Philharmoniker unter dem Dirigenten Marco Armiliato für einen dramatisch zugespitzten Puccinisound. 

Wenn in Salzburg Anna Netrebko in so eine Sopranistinnen-Traumrolle einsteigt, dann wird eine Wiederaufnahme quasi zu einer Premiere ehrenhalber. (Gesungen hat sie dieser Partie das erste Mal 2018 in der New Yorker Met.) Festspielplanungstechnisch ist ihre hiesige Tosca der letzte große Höhepunkt des Jahrgangs. 

All das ist – ganz superstarlike – damit verbunden, dass Anna neben der Floria Tosca auch sich selbst spielt. Im ersten Akt etwa den Auftritt einer selbstbewussten, eleganten Frau von heute, die ihren Cavaradossi nicht nur mit ihrer Stimme bezirzt, sondern auch Bein zeigt. Wenn sie das berühmte „Vissi d‘arte, vissi d’amore“ im zweiten Akt singt, beginnt sie liegend auf Scarpias Schreibtisch und endet mit der großen Operngeste als Diva an der Rampe. Da ist sie eigentlich mehr sie selbst als Puccinis Heldin. Das macht aber nichts. Der eigentliche Preis, den man (mit)zahlen muss, ist Eyvazov. Anna Netrebko würde auch neben dem denkbar besten Tenor strahlen. In dem Falle muss sie es allein. Aus gaumiger Enge, mit blechern scheppernden Tönen auf der Jagd nach rettenden Trompetentönen in der Höhe (die er allerdings hat) bleibt sein Timbre vor allem Geschmacksache. Noch dazu, wenn mit Ludovic Tézier, der schon 2018 als Scarpia dabei war, ein exemplarisches Beispiel von stimmlicher Noblesse als abgründiger Bösewicht hinter einer Machtmenschfassade von heute liefert. Hier überlebt er übrigens die Messerattacke Toscas. Er erschießt sie hier, umringt von seinen Kumpanen, die wie Mafiose im Freizeitlook wirken, auf der Terrasse des Hotels „IL Divo“ (Anspielung auf einen den gleichnamigen Film über den x-fachen italienischen Regierungschef Giulio Andreotti) vor dem Kulissenhintergrund des Petersdoms höchstpersönlich – zu unser aller Glück natürlich nur die Bühnenfigur. 

Danach bejubelt das Salzburger Publikum seinen aktuellen Netrebko-Moment. Kriegt sich dann aber auch schnell wieder ein.

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