Alte Musik in Innsbruck : Mörder im Dienst des Vaterlands
Warum hat der Hamburger Komponist, Sänger und Musikschriftsteller Johann Mattheson seine „sowohl der Poesie als Composition nach verfertigte“ Oper „Boris Goudenow” 1710 zurückgezogen? In seiner Autobiographie ist etwas nebulös von „gewissen Ursachen“ die Rede, die dazu geführt hätten, dass er „selbige dem Theatro zu überlassen Bedencken trug“. Wie kam er überhaupt dazu, die Geschichte vom Usurpator des Zarenthrons bereits 160 Jahre vor Modest Mussorgskys bekannter Version desselben Stoffs zu vertonen? Hat er das Stück, das jetzt bei den Innsbrucker Festwochen Alter Musik im Rahmen der Reihe „Barockoper:jung“ auf die Bühne kam, wirklich nur „zu seiner besondern Übung und Lust“ geschrieben? Auf ihre Uraufführung musste die musikalische Politkomödie jedenfalls fast dreihundert Jahre warten. Die im Zweiten Weltkrieg zusammen mit Matthesons anderen Werken ausgelagerte Partitur galt lange als verschollen. Erst 1998 kehrte sie aus Armenien nach Hamburg zurück und wurde dort 2005 konzertant sowie in Boston szenisch aus der Taufe gehoben.