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Kultur „Hoffmanns Erzählungen“ in Hamburg

Das Opfer ist immer der Tenor

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Schöne Bilder, nichts dahinter: Szene aus "Hoffmanns Erzähllungen" in Hamburg Schöne Bilder, nichts dahinter: Szene aus "Hoffmanns Erzähllungen" in Hamburg
Schöne Bilder, nichts dahinter: Szene aus "Hoffmanns Erzähllungen" in Hamburg
Quelle: Monika Rittershaus
Jacques Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ und Hamburg – das ist eine Erfolgsgeschichte. War es jedenfalls lange. Jetzt hat Daniele Finzi Pasca den genialen Operntorso an der Staatsoper inszeniert. Das geht gar nicht gut. Einer vor allem steht ziemlich dumm herum.

„Hoffmanns Erzählungen“, der reizvollste und meistgeliebte Werktorso der Musiktheatergeschichte, kann in seiner komplexen wie kuriosen Rezeptionshistorie immerhin zweimal vehement auf die Hamburgische Staatsoper verweisen.

1981 gelang an der Alster erstmals Jürgen Flimm eine Lesart, die statt einer romantisch-grotesken Revue die Hautfigur als kaputten, kreativentleerten, liebestoten Junkie vorführte – und das zudem in der hinreißend einprägsamen Singschauspielergestalt von Neil Shicoff, der anschließend Jahrzehnte die Titelrolle prägen sollte.

1999 wurde in einer weiteren Premiere hier erstmals, nach vielerlei Rechtsstreit hinter den Bearbeiterkulissen, das bereits sechs Jahre zuvor wiederentdeckte Finale des Giulietta-Aktes uraufgeführt.

Das ist nun auch in den neuen Hamburgischen „Les contes d’Hoffmann“ zu hören. Aber sonst gibt es von der ephemeren Neukostümierung des ewigen Jacques-Offenbach-Klassikers wenig Positives zu vermerken.

Die locker zusammenmontierte Geschichte nach E.T.A. Hoffmann, präsentiert einen sich zwischen Frauen und Wein verlierenden, völlig fiktionalen Dichter von der Romantikstange: verliebt, verzweifelt, extrovertiert, exzentrisch, passiv, aktiv, hysterisch, mörderisch.

Daniele Finzi Pasca, erfahren in Olympiaeröffnungen und Cirque du Soleil-Events, kann keine Oper. Er hat keinen Sinn für Erzählung und Deutung. Er bebildert wahllos die Liebesepisoden des Stücks.

Akrobat schööön!

In Luthers Berliner Weinstube erscheinen alle, warum auch immer, als multiple Kostümpersönlichkeiten. Der Olympia-Akt ist ein stoischer Ärzte-Kongress mit bescheidender Spieldosenpuppenvorführung. Die tuberkulöse Möchtergernsängerin Antonia sehnt sich offenbar nach der damals noch gar nicht komponierten „Madama Butterfly“ und brütet als Schmetterling in einem Naturalienkabinett.

Und im aus Postkartenversatzstücken gefügten Venedig der rokokosilbrigen Kurtisane Giulietta flattert der Chor als Taubenschar so hektisch wie überflüssig. Dauernd werden armwedelnde Doubles an Fäden herumgezogen. Akrobat schööön!

Der eigentlich extrem stückkundige Kent Nagano dirigiert das versiert, aber mit wenig abgründigem Glamour, selten lauernder dämonischer Brillanz, greller wirbelnder Rhythmusfreude. Das war höchstens ambitioniertes Stadttheater. Luca Pisaroni in den vier Bösewichtrollen erscheint mit monströsen Krallenhänden als Offenbach, Glatzendämon, Vampir und Perückenschurke, singt aber so trocken wie brav.

Postkartenversatzstücke statt Inszenierung – Offenbach in Hamburg
Postkartenversatzstücke statt Inszenierung – Offenbach in Hamburg
Quelle: Monika Rittershaus
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Auch Gideon Poppe bleibt mit seinem Dienerquartett meist unauffällig. Olga Peretyatko, die – seltener Sopranistinnenfall – alle vier Frauenparien selbst schultert, meistert solches solide: der Olympia fehlt letzte Koloraturbrillanz, die zu helle Antonia hat im Finale keine Kraft, die hier höherliegender Giulietta bleibt ein kalter Besen, die Stella eine schattenhafte Blondine.

Dabei hätte dieser neuerliche Hamburger-„Hoffmann“-Versuch durchaus die Stückgeschichte weiterschreiben können. Der Tenor Benjamin Bernheim hat als Hoffmann das Gleißen, das biegsame Metall in der Stimme, der kann die furiosen Aufschwünge, das sich Verströmen, die zurückgenommene Voix mixte des plötzlich schüchternen, zweifelnden Poeten.

Er ist das verkörpert das dringend benötigte Ideal eines lyrischen französischen Tenors. Leider steht er meist nur herum. Schafft sich die feine Magie seines Singens Bahn, ist da nie ein packender Charakter zu erleben. Schade drum!

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