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La finta giardiniera (Die Gärtnerin aus Liebe)

Dramma giocoso in drei Akten
Libretto von Giuseppe Petrosellini
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (eine Pause)

Premiere im Aalto-Theater Essen am 2. Oktober 2021
(rezensierte Aufführung: 07.10.2021)




Theater Essen
(Homepage)
Liebeskarussell in pittoresken Bildern

Von Thomas Molke / Fotos: © Kirsten Nijhof

Mozarts La finta giardiniera zählt zu den "Jugendwerken" des Salzburger Genies und ist auf den Opernbühnen heutzutage eher selten zu erleben. Obwohl die Uraufführung am 13. Januar 1775 in München mit nicht enden wollendem Beifall und Bravorufen gefeiert worden sei - so berichtet Mozart selbst in einem Brief an seine Mutter -, erlebte die Produktion insgesamt nur drei Aufführungen. Bekannter wurde dann eine Singspielfassung in deutscher Sprache mit gesprochenen Dialogen, die 1779 unter Mozarts Beteiligung in Salzburg in Zusammenarbeit mit der Böhm'schen Schauspielergesellschaft entstand und dann später noch in Augsburg, Frankfurt am Main und Mainz aufgeführt wurde. Dass das Aalto-Theater diese Opera buffa in der Fassung von 1775 als erste Premiere der Saison auf den Spielplan gestellt hat, mag vielleicht noch Corona-Vorsichtsmaßnahmen geschuldet sein, da man bei der Programmplanung noch nicht wusste, wie sich die Pandemiesituation im Herbst verhalten würde und La finta giardiniera mit einem überschaubaren Solisten-Ensemble ohne Chor und einem relativ kleinen Orchester auskommt. Was die Länge betrifft, setzt man in dieser Spielzeit anders als in der vergangenen Saison aber wieder auf die Pause, wobei das Stück allerdings nicht nur verhältnismäßig lang ist, sondern auch einige Längen aufweist.

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Belfiore (Dmitry Ivanchey, links) trifft beim Bürgermeister Don Anchise (Richard Samek, rechts) auf Sandrina (Giulia Montanari, links) (in der Mitte von links: Arminda (Sophia Brommer), Ramiro (Alexandra Kadurina), Nardo (Tobias Greenhalgh) und Serpetta (Christina Clark)).

Das Libretto von Giuseppe Petrosellini wurde bereits ein Jahr zuvor von Pasquale Anfossi für den Karneval in Rom vertont und ist mit den zahlreichen Liebesverwicklungen reichlich verworren. Der Graf Belfiore glaubt, in einer Auseinandersetzung seine Verlobte, die Marchesa Violante, getötet zu haben, und ist geflohen. Violante hat sich mit ihrem Diener Nardo beim Bürgermeister Don Anchise als Gärtnerin unter dem Namen Sandrina engagieren lassen und hofft, auf diesem Weg Belfiore wiederzufinden. Don Anchise verliebt sich in die vermeintliche Gärtnerin, was seinem Dienstmädchen Serpetta absolut missfällt. Schließlich stand diese bis jetzt in der Gunst des Bürgermeisters. Dass Nardo sie nun umwirbt, interessiert sie dabei nicht. Arminda, die Nichte des Bürgermeisters, sucht bei ihrem Onkel Zuflucht, da sie von ihrem ehemaligen Geliebten Ramiro verfolgt wird, dem sie den Laufpass gegeben hat, weil sie sich in einen anderen Mann verliebt hat, den sie nun heiraten möchte. Das ist ausgerechnet der Graf Belfiore, der ja davon ausgeht, dass seine ehemalige Braut Violante von ihm getötet worden ist. Als er beim Bürgermeister auf Sandrina / Violante trifft, ist die Verwirrung perfekt. Während Belfiore zwischen Arminda und Sandrina hin- und hergerissen ist, müssen sich die drei Frauen der Avancen des Bürgermeisters, Ramiros und Nardos erwehren. Nachdem bei einem nächtlichen Verwirrspiel die Paare gehörig durcheinander gewirbelt worden sind, gibt sich Sandrina schließlich als Marchesa Violante zu erkennen. Der Graf wird sich bewusst, dass er seine tot geglaubte Verlobte noch immer liebt, Arminda kehrt zu dem sie anschmachtenden Ramiro zurück, und auch Serpetta ist bereit, Nardo zu erhören. Nur Don Anchise bleibt allein zurück und wartet auf eine neue schöne Gärtnerin.

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Sandrina (Giulia Montanari, links), Nardo (Tobias Greenhalgh, links), Don Anchise (Richard Samek, Mitte) und Serpetta (Christina Clark, Mitte) machen sich über den liebeskranken Ramiro (Alexandra Kadurina, rechts) lustig.

Ondřej Havelka, der mit Mozarts Oper sein Regie-Debüt in Deutschland gibt, wählt einen nahezu klassischen Ansatz in pittoresken Bildern, der Freunden des modernen Regietheaters ein wenig altbacken erscheinen mag. Bühnenbildner Frank Philipp Schlößmann nutzt die Drehbühne für vier opulente Räume. Da ist zunächst ein wunderschöner Garten, in dem die vermeintliche Gärtnerin mit dem Pflanzen einer Platane ihrer Dienstpflicht nachzukommen scheint. Ein Weg, der in den Bühnenhintergrund führt, wird von Platanen auf der rechten und linken Seite flankiert, wobei eine leicht kippende Platane die scheinbare Idylle ironisch bricht. Diese ironische Brechung taucht auch in Havelkas Personenregie auf. Wenn Ramiro zu Beginn der Oper den anderen Figuren sein Liebesleid klagt, scheinen die sich über seine Trauer lustig zu machen. Ein weiterer Raum zeigt eine Art Ankleidezimmer Sandrinas mit einem großen Kleiderschrank in der Mitte, in dem sich zunächst Serpetta versteckt und anschließend Don Anchise. Ein dritter Raum ist mit großen Gemälden ausstaffiert, und der vierte Raum zeigt mit aufgezeichneten Bäumen eine weitere Gartenidylle. Durch diese vier Räume bewegen sich die Figuren wie in einer Art Karussell. Die Kostüme von Jana Zbořilová verbreiten barocken Zauber.

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Verwirrung im dunklen Wald: von links: Sandrina (Giulia Montanari), Arminda (Sophia Brommer) und Belfiore (Dmitry Ivanchey)

Musikalisch ist die Produktion hochkarätig besetzt. Da ist zunächst Giulia Montanari in der Rolle der vermeintlichen Gärtnerin zu nennen. Mit leuchtendem Sopran lotet sie die verschiedenen Facetten der Marchesa, die in der Verkleidung der Gärtnerin ihren ehemaligen Verlobten sucht, intensiv aus. Dramatisch gestaltet sie ihre große Arie im zweiten Akt, wenn ihr unheimlich wird, weil die anderen sie alle im dunklen Wald suchen. Wieso die Regie sie allerdings gemeinsam mit Belfiore als Gespenst auftreten lässt, erklärt sich nicht. Recht buffonesk kommt ihre Arie im ersten Akt daher, in der Montanari mit leichtem, beweglichem Sopran die seufzende Turteltaube besingt. Mit Dmitry Ivanchey steht ihr als Graf Belfiore ein kongenialer Partner zur Seite. Mit strahlendem Tenor unterstreicht er einerseits die Leidensfähigkeit des Grafen, wenn er sich zunächst nicht zwischen Sandrina / Violante und Arminda entscheiden kann und er dem Wahnsinn nahe ist, weil er nicht weiß, ob sich hinter Sandrina seine totgeglaubte Verlobte verbirgt. Gepaart wird auch bei ihm gekonnt die dramatische Tragik mit Buffomomenten, in denen Ivanchey sich äußerst spielerisch präsentiert. Sophia Brommer stattet Belfiores neue Geliebte Arminda mit höhensicherem Sopran aus. Alexandra Kadurina unterstreicht mit dunkel gefärbtem Mezzosopran die verzweifelten Bemühungen Ramiros um Arminda, die am Ende schließlich doch noch von Erfolg gekrönt werden.

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Serpetta (Christina Clark) und Nardo (Tobias Greenhalgh)

Während diesen vier Figuren durchaus auch ernste Momente zukommen, sind die anderen drei Figuren als reine Buffopartien gestaltet. Christina Clark überzeugt als kecke Dienerin Serpetta mit soubrettenhaftem Charme. Wenn sie die Annäherungsversuche Nardos immer wieder zurückweist, lässt sie bereits durchblicken, dass sie den Diener gar nicht so uninteressant findet, wie sie immer vorgibt. Aber der Bürgermeister wäre eben eine bessere Partie. Erst als sie merkt, dass er lieber eine neue Gärtnerin suchen will, als zu ihr zurückkehren, lenkt sie schließlich ein und erhört Nardo. Tobias Greenhalgh gestaltet den Diener, der als einziger Sandrinas wahre Identität von Anfang an kennt, mit sonorem Bariton und agilem Spiel. Richard Samek rundet mit großer Komik als etwas lüsterner Bürgermeister die Solistenriege wunderbar ab. Generalmusikdirektor Tomáš Netopil zaubert mit den Essener Philharmonikern aus dem Orchestergraben einen frischen Mozart-Sound, so dass es am Ende verdienten Applaus für alle Beteiligten gibt. Über einige dramaturgische Längen kann der musikalische Genuss aber leider nicht hinwegtäuschen.

FAZIT

Ondřej Havelka gelingt eine unterhaltsame Inszenierung mit einem spielfreudigen Ensemble in einem pittoresken Bühnenbild. Aber die Produktion hätte durchaus noch einige Striche vertragen können.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Tomáš Netopil

Inszenierung
Ondřej Havelka

Bühne
Frank Philipp Schlößmann

Kostüme
Jana Zbořilová

Choreographie
Andrea Miltnerová

Dramaturgie
Svenja Gottsmann

 

Essener Philharmoniker

Cembalo
Boris Gurevich

Solisten

Don Anchise, Podestà von Lagonero
Richard Samek

Sandrina
Giulia Montanari

Contino Belfiore
Dmitry Ivanchey

Arminda
Sophia Brommer

Cavaliere Ramiro
Alexandra Kadurina

Serpetta
Christina Clark

Nardo
Tobias Greenhalgh

 



Weitere Informationen
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Theater Essen
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