La Gioconda in kräftigen Bildern in Toulouse

Xl_la_gioco © Mirco Magliocca

Toulouse : La Gioconda - 28. September 2021

Die bemerkenswerte Inszenierung von Olivier Py am Théâtre du Capitole Toulouse kam schon 2019 am Théâtre Royal de la Monaie heraus. Py hat mit den weitflächigen und sich oft eindrucksvoll wandelnden Bildern von seinem Bühnenbildner Pierre-André Weitz eine wirkmächtige Interpretation voller Dramatik und Exzessivität von Ponchiellis Meisterwerk um Macht, unerwiderte Liebe bis zu grausamer Gewalt und Mord zu dessen opulenter Musik geschaffen. Dunkle Schwarz-Weiß-Töne mit Neonröhren, typisch für die Ästhetik von Py und Weitz, dominieren das Geschehen, auch in Weitz‘ Kostümen. Das den Spielort Venedig bestimmende Wasser und seine Kanäle kommen darin zum Ausdruck, dass das ganze Stück auf einem Wasserspiegel stattfindet. Die Wasserbewegungen spiegeln sich bisweilen mystisch an den grauen Wandungen des palastartig die gesamte Bühne umgebenden Raumes. Mit dem Wasser soll aber auch eine der Handlung entsprechende Unterwelt, ein verwerfliches „Darunter“, insinuiert werden. Der architektonisch monumental anmutende Bühnenraum stellt sich mit einer manchmal atemberaubenden Changierbarkeit als nahezu fließendes Bühnenbild da. Einmal sieht man nahezu unendlich weit in die Tiefe, in einen Raum, aus dem es jedoch kein Entrinnen gibt. Dann kommt immer wieder eine Spielbrücke von oben mit zusätzlichen Protagonisten herunter, mit der Weitz die berühmte Seufzerbrücke im Dogenpalast von Venedig assoziiert.

Immer wieder erlebt man die Liebe von Py und Weitz zu verschiedenen kassettenartig angeordneten Räumen im vertikalen Bühnenbild, wie Zimmer eines Palastes oder Kabinen eines Schiffes, mit denen sie parallel laufende Szenen gleichzeitig darstellen. Diese Bilder sind im Einklang mit der Aktion stets von starker dramaturgischer Intensität. Weitz will mit der ungewöhnlichen Variabilität des Bühnenraumes den Zusehern ein „dramaturgisches Kontinuum“ bieten.

Natürlich stellt Py wie immer stark ausgeprägte Körperlichkeit mit nackten Oberkörpern bis hin zu eindeutigen sexuellen Aktionen in den Vordergrund, vor allem bei den Ballett-Szenen. Das Maskenhafte des Karnevals von Venedig wird durch eine riesige schwarz-weiß-rote Clowns-Maske angedeutet, eine Reminiszenz an die commedia dell’arte. Sie ist aber auch die Maske der Politiker und steht meist für alles andere als karnevalistisches Vergnügen, z.B. die Inquisition und die Falschheit an sich. Dennoch entsteht mit ihr immer wieder ein Momentum von Poesie, einer Poesie, der man nie trauen kann, hinter der sich schlimmste Gefahren verbergen können. Die stets exzellente Personenregie beschert eine überaus dramatisch konzipierte Interpretation des Meisterwerks von Ponchielli.

Béatrice Uría-Monzon ist eine tragische Vollblut-Gioconda mit dunklen und charaktervollen Tönen ihres kraftvollen Mezzos. Judit Kutasi begeistert als Laura mit ihrem perfekt geführten jugendlich dramatischen Sopran. Ramón Vargas ist ein einnehmender Enzo Grimaldo, nicht unbedingt von letzter tenoraler Eloquenz, aber die vielen Facetten der Rolle intensiv darstellend. Roberto Scandiuzzi überzeugt in der üblen Rolle des Avise Badoero. Pierre-Yves Pruvot stellt sich als Idealbesetzung für den boshaften Barnaba heraus, und zwar mit einem erstklassigen Bariton stimmlich wie mit seiner raffinierten Darstellung.

Eine ungewöhnlich starke dramaturgische Rolle kommt dem stimmstarken Chor des Théâtre du Capitole und seinem Ballett zu, die beide viel Dynamik in das Geschehen bringen. Roberto Rizzi-Brignoli lässt das Orchestre nacional du Capitole sehr engagiert mit großer Intensität aufspielen und bietet dem stets in Hochspannung gehaltenen Geschehen den passenden musikalischen Rahmen. Eine Aufführung aus einem Guss!

Klaus Billand

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