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Wexford Festival Opera
19.10.2021 - 31.10.2021


Ein Wintermärchen

Oper in drei Akten
Libretto von Alfred Maria Willner nach William Shakespeares A Winter's Tale
Musik von
Karl Goldmark

In deutscher Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 5' (eine Pause)

Premiere der konzertanten Aufführung im National Opera House in Wexford am 21. Oktober 2021



 

 

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Abstruse Geschichte in einer vergessenen Oper

Von Thomas Molke

Karl Goldmark verbindet man heutzutage hauptsächlich mit seiner ersten Oper Die Königin von Saba, die 1875 an der Wiener Hofoper ihre Uraufführung erlebte und zu den erfolgreichsten Werken des späten 19. Jahrhunderts avancierte. Mit seinen insgesamt fünf weiteren Opern konnte er an diesen Ruhm nicht anknüpfen. So ist auch das am 2. Januar 1908 an der Wiener Hofoper uraufgeführte Werk Ein Wintermärchen, das auf Shakespeares etwas sperrigem Stück The Winter's Tale basiert, in Vergessenheit geraten. Als Rosetta Cucchi das Wexford Festival Opera 2020 unter dem Motto "Shakespeare in the Heart" plante, sollte das Festival eigentlich mit dieser Oper eröffnet werden, vielleicht weil sie von den drei geplanten großen Opernproduktionen als einzige eine Vertonung eines Shakespeare-Stückes darstellt. Da die 2021 nachgeholten Festspiele in Wexford immer noch aufgrund der Corona-Pandemie gewissen Einschränkungen unterworfen waren, war eine szenische Umsetzung dieser Produktion ein Jahr später nicht möglich, weshalb man sich entschied, die Oper nur konzertant zu präsentieren und sie deshalb nicht als Eröffnungspremiere auswählte. Ob das Stück in einer szenischen Umsetzung eine gelungene Wahl gewesen wäre, kann man sicherlich nicht beantworten. Die konzertante Aufführung lässt jedoch nachvollziehen, wieso der Oper kein andauernder Erfolg beschieden war.

Shakespeares The Winter's Tale gehört in der Forschung nicht zu den größten Errungenschaften des englischen Dichterfürsten. Die Handlung ist zu abstrus und selbst mit großer Fantasie nicht nachvollziehbar. Leontes, der König von Sizilien, bittet seine Gattin Hermione, den gemeinsamen Freund Polixenes, den König von Böhmen, zu überreden, noch länger in Sizilien zu verweilen. Als Polixenes einwilligt, obwohl er schon viel zu lange seinem Königreich ferngeblieben ist, wird Leontes plötzlich misstrauisch und verdächtigt seine Frau, mit Polixenes nicht nur ein Verhältnis zu haben, sondern auch noch in dieser Zeit eine Tochter gezeugt zu haben. Von seinem Diener Camillo verlangt Leontes, den König von Böhmen zu vergiften. Doch Camillo flieht mit Polixenes nach Böhmen. Daraufhin befiehlt Leontes Antigonus, das neugeborene Kind an der Küste auszusetzen. Hermione bricht aufgrund der Verdächtigungen und des Verlustes ihrer Tochter zusammen und wird für tot gehalten. Der gemeinsame Sohn Mamillius stirbt. Durch diese Ereignisse und die Befragung eines Orakels erkennt Leontes seinen Fehler und verfällt in endlose Trauer. Dann macht die Geschichte einen Zeitsprung von 16 Jahren. Leontes' verbannte Tochter Perdita ist in Böhmen von dem Hirten Valentin aufgezogen worden und hat sich in Polixenes' Sohn Florizel verliebt. Da Polixenes die Verbindung seines Sohnes nicht für standesgemäß hält, rät Camillo den beiden, nach Sizilien zu Leontes zu fliehen, da Camillo selbst auch gerne in seine Heimat zurückkehren möchte. In Sizilien stellt sich schließlich heraus, dass Perdita Leontes' verschollene Tochter ist. Polixenes stimmt also einer Heirat zwischen Perdita und Florizel zu. Um die Freude perfekt zu machen, erwacht dann auch noch die Statue Hermiones zum Leben, und so sind auch der sizilianische König und seine Frau wieder vereint.

Goldmark findet für die verschiedenen Handlungsorte der Oper eine recht unterschiedliche Tonsprache, die die Atmosphäre des jeweiligen Aktes gut einfängt. Die Ouvertüre wirkt sehr idyllisch, weil hier noch die Welt in Sizilien in Ordnung ist. Leontes genießt die gemeinsame Zeit mit seinem Jugendfreund Polixenes und wünscht sich, dass er noch bei ihm bleibt. Während Polixenes bei Shakespeare nur neun Monate bei Leontes gewesen ist, sind es bei Goldmarks Librettisten Alfred Maria Willner zwölf Monate. Vielleicht soll damit Leontes' Vermutung, dass sich in dieser Zeit eine Affäre zwischen Hermione und Polixenes angebahnt habe, der dann auch noch ein Kind entsprungen sei, glaubhafter gemacht werden. Musikalisch unruhig malt Goldmark dann Leontes' wachsende Zweifel aus. Burkhard Fritz, den man vor allem als Wagner-Tenor kennt, setzt diesen Wandel vom glücklichen zum misstrauischen und von Eifersucht zerfressenen König mit kräftigem Tenor und sauber angesetzten Spitzentönen um. Er versucht nicht, irgendetwas zu beschönigen oder zu verharmlosen, sondern zeichnet Leontes recht grausam und ohne jeden Verstand. Sophie Gordeladze bildet stimmlich als Hermione einen großartigen Kontrast. Mit weichen Bögen und zarten Spitzentönen unterstreicht sie den Charme und die Milde der Königin. Besonders bewegend gelingt ihr Wiegenlied, das abrupt vom Raub der Tochter unterbrochen wird. Mit welcher Kälte sich Leontes nun als Urheber dieser Entführung zu erkennen gibt, ist so herzlos, dass man gut nachvollziehen kann, dass der gemeinsame Sohn stirbt und auch Hermione unter diesen Bedingungen nicht weiterleben möchte. Niamh O'Sullivan, die Hermiones Freundin Paulina mit kraftvollem Mezzo gestaltet, lässt im Minenspiel allerdings bereits vermuten, dass Hermione nicht wirklich tot ist.

Nach dem dramatischen Ende des ersten Aktes, der die ersten drei Akte von Shakespeares fünfaktigem Stück umfasst, ändert sich Goldmarks Musikstil völlig. Fiona Finsbury verkündet als Zeit mit ruhigem Sprechgesang, dass mittlerweile ein Zeitraum von 16 Jahren ins Land gegangen sei und man sich nun in Böhmen befinde. Für Böhmen findet Goldmark eine ganz andere Musiksprache, die schon fast einen operettenhaften Ton anschlägt. Die ländliche Idylle ist vom Tanz der Schäfer geprägt, und auch das Lied das Sheldon Baxter als Perditas vermeintlicher Vater Valentin anstimmt, wirkt beinahe wie ein Couplet aus einer Operette. Die Partie des Florizel ist ähnlich anspruchsvoll wie die des Leontes. Daniel Szeili gelingt die Mittellage recht kraftvoll. In den Höhen muss er allerdings stark forcieren. Da klingt nicht alles sauber. Strahlenden Glanz hingegen versprüht der Sopran von Ava Dodd als Perdita. In den glockenklaren Höhen wird die musikalische Nähe zu Hermione hörbar, und Dodd, die in diesem Jahr auch noch Teilnehmerin der Wexford Factory ist, zeigt, dass sie Gordeladze hier in jeder Beziehung ebenbürtig ist. Simon Thorpe gestaltet die Partie des Polixenes mit kraftvollem und autoritärem Bariton. Während er im ersten Akt noch der Sympathieträger im Vergleich zu Leontes war, wirkt er nun ähnlich unsympathisch, da er das Glück seines Sohnes mit der vermeintlichen Schäferin torpedieren will. Doch Rory Musgrave, der die Partie des Camillo mit solidem Bass gestaltet, weiß Rat und schickt die Kinder nach Sizilien.

Für den dritten Akt wählt Goldmark nun zunächst wieder die dunkle Musiksprache, mit der der erste Akt geendet hat. Die Jahre sind zwar ins Land gegangen, aber Leontes hat es nicht geschafft, mit seiner Schuld fertig zu werden. Erst als sich die Probleme allmählich lösen, Perdita als Tochter des Königs erkannt wird und der Hochzeit nichts mehr im Wege steht, wird es auch musikalisch heller. Fritz vollzieht hier auch stimmlich eine glaubhafte Entwicklung zum geläuterten König. Ein Höhepunkt ist dann der Instrumentalteil im dritten Akt, in dem Hermione zunächst als Statue auftritt und dann zum Leben erwacht. Hier hat Goldmark wirklich noch einmal unter Beweis gestellt, welche Ausdruckskraft er in seine Komposition stecken kann. Man spürt in den emotionalen Ausbrüchen der Musik regelrecht die "Menschwerdung" Hermiones. Dies wird auch von Marcus Bosch mit dem Orchester des Wexford Festival Orchestra großartig herausgearbeitet. Die Versöhnung erfolgt dann im Vergleich zum Rest der Oper relativ schnell. Nachdem man sich also zunächst durch einige Längen im Stück gequält hat, ist man am Ende fast traurig, dass es nun vorbei ist. Das Orchester, der Chor und die Solist*innen werden mit großem Beifall bedacht.

FAZIT

Ein richtig großer Wurf ist Karl Goldmarks Ein Wintermärchen sicherlich nicht. Da hätte gewiss auch keine szenische Umsetzung etwas retten können.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marcus Bosch

Licht
D. M. Wood

Chorleitung
Errol Girdlestone

 

Orchester des Wexford Festival Opera

Chor des Wexford Festival Opera

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Leontes
Burkhard Fritz

Hermione
Sophie Gordeladze

Perdita
Ava Dodd

Polixenes
Simon Thorpe

Florizel
Daniel Szeili

Camillo
Rory Musgrave

Antigonus
Jevan McAuley

Paulina
Niamh O'Sullivan

Mamillius
*Conor Gahan /
Adian Morissey

Cleomenes
Ben Knight

Dion
Vladimir Sima

Valentin
Sheldon Baxter

Hausierer
Peter Lidbetter

Die Zeit, Mädchen
Fiona Finsbury

 


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