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„Die Zaubermelodika“ von Iiro Rantala. Foto: Iko Freese / drama-berlin.de
„Die Zaubermelodika“ von Iiro Rantala. Foto: Iko Freese / drama-berlin.de
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„Ist der Drache nicht süß?“ – „Die Zaubermelodika“ von Iiro Rantala an der Komischen Oper Berlin

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Am Ende gab es langdauernden Jubel der Eltern und Gejohle ihrer Kinder angesichts einer beschwingten, unermüdlich quirligen Show mit Vorsatzstücken aus der „Zauberflöte“, vom Komponisten Iiro Rantaka jazzig und verswingt aufbereitet und vom Ensemble der Komischen Oper Berlin engagiert dargeboten.

Diverse Autoren und Komponisten wurden durch „Die Zauberflöte“ angeregt, die von Mozart und Schikaneder eingeführten Personen wieder aufzugreifen und offene Fäden der Spielvorlage weiterzuführen. Zu jenen, die dem Erfolgsstück einen zweiten Teil angedeihen ließen, gehörte kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe. Auch heute noch ist von Zeit zu Zeit Peter von Winters zweiter Teil der „Zauberflöte“, „Das Labyrinth“ zu erleben. Frecher und frischer gehen die Librettistin Minna Lindgreen und Iiro Rantala in ihrem Auftragswerk für die Komische Oper Berlin ans Werk.

Die Ehe von Tamino (Johannes Dunz) und Pamina (Alma Sadé) ist nicht das, was die beiden Liebenden sich davon versprochen hatten, und das hohe Paar erweist sich hier als ein in die Drachenpflege verliebter Tamino und eine die Hausarbeit verrichtende und den Drachenkot entfernende Pamina. Glücklicher getroffen haben es da Papageno (Nikita Voronchenko) und Papagena (Sylvia Rena Ziegler), gemäß ihrer im ersten Teil erwarteten Kinderschar nun von 20 besungenen Gören umgeben (und auf der Bühne sogar von 22 Mädchen des exzellenten Kinderchors). Obendrein ist Papagena wieder hochschwanger, diesmal sollen es Zwillinge werden, danach mag es dann aber auch genug sein des „Kindersegens“.

König Sarastro ist schwer von Alzheimer betroffen. Da sich der demente Herrscher an nichts mehr erinnern kann, wird ihm – und dem jungen Publikum – im ersten Teil der Novität die Vorgeschichte, also Mozarts und Schikaneders „Zauberflöten“-Handlung immer wieder erzählt. Der Königin der Nacht ist ein Bart gewachsen, und sie ist mit einem Bassisten besetzt, was aber den auch tänzerisch hinreißenden Stefan Sevenich nicht daran hindert, auch counternd die früheren Höhenflüge dieser Königin erklingen zu lassen. Eine Metamorphose haben die drei Knaben oder Genien durchgemacht. Nun sind sie mit drei Frauenstimmen besetzt (Josefine Mindus, Susan Zarrabi, Julia Domke), die moluskenhaft, barbusig, aber mit viel Brustbehaarung das Geschehen der Protagonist*innen umtanzen. Im Verbund mit der Zaubermelodika von Hohner, welche die drei Molche anspielen, kann sich die Königin der Nacht in einen Drachen verwandeln oder in persona plötzlich aus dem Nichts auftauchen.

Und dann ist da noch Monostatos. Von ihm weiß keiner, warum er eigentlich böse ist oder für böse gehalten wird; Christoph Späth gibt diese blonde Alternativ-Escheinung zu Tamino.

Da der Beherrscher des Sonnenkreises auf seinem Rollstuhl nicht mehr fähig ist, zu regieren, soll durch das Bestehen von drei Prüfungen ein neuer König oder eine neue Königin gewählt werden. Die beiden ersten Prüfungen gemahnen noch an die Vorlage: nämlich, wer es am längsten in einer Sauna aushalten oder am längsten in einem Eisbottich verbleiben kann. Tamino gibt stets schnell auf, aber Sarastro (köstlich: Philipp Meierhöfer) harrt am längsten genussvoll aus. Die dritte Prüfung ist dann, wer mit dem nackten Popo am längsten auf einem Ameisenhaufen sitzen kann – und als Sieger geht Monostatos hervor. Der aber erweist sich so edel wie weiland Titus in Mozarts „Clemenza di Tito“ und verzichtet auf sein Königtum zu Gunsten von Pamina, welche er obendrein mit ihrer Mutter versöhnt.

Die Musik jubelt fast durchgängig, nur ab und zu sind die Mozart-Allusionen hineingetupft, am deutlichsten ist die Nähe beim nur jazzig überschriebenen Duett von Papageno und Papagena.

Zum voll besetzten, von Koen Schoots schwungvoll geleiteten Orchester singen die elektroakustisch verstärkten Solisten des Hauses. Dank der eingesetzten Mikroports bleibt auch viel vom Witz des Ulrich Lenz ins deutsche übertragenen Textes erhalten (denn für die Kinder, von denen offenbar angenommen wird, sie seien des Lesens zu großen Teilen noch nicht fähig, wird auf die an diesem Hause üblichen Übertitel auf der Rückseite des Vordersessels verzichtet).

Wie in den Vorjahren, gibt es zur Kinder-Oper statt eines Programmhefts eine CD (für 7 Euro) mit reich bebildertem Beiheft: die Highlights der Komposition erklingen – leider nur von Klavier begleitet, aber besonders authentisch, da der Komponist selbst als Pianist zu erleben ist – und teilweise mit einer alternativen Besetzung des Hauses, die auf der Bühne auch gut vorstellbar wäre, mit Tom Erik Lee und Karolina Gumos als Buffopaar.

Zauberhaft gelungen ist das Bühnenbild von Friedrich Eggert, auf der von unendlicher Klaviatur umrahmter Drehbühne, mit Notenschlüsseln in diversen Größen als Hauptrequisiten und Bäumen, sowie drei kleinen Weisheitstempeln mit rauchenden Schornsteinen und den aus den Eingängen ragenden, wackelnden Drachenschwänzen.

Liebevoll gestaltet sind Alfred Mayerhofers Kostüme von Glamour, „glitter and be gay“, wie es in Bernsteins „Candide“ heißt. Regisseurin Nicole C. Weber hat mit viel Detailliebe und Schwung ihr Bestes gegeben, so dass das Ensemble einen akkurat choreografierten Spaß verströmt, der auf das im Schachbrettmuster ohne Mundschutzmasken die Vorstellung verfolgende Publikum überspringt.

Ein mit einfachsten Melodien, wenn auch nicht gerade (gemäß Ankündigung) „durchkomponiertes“, so doch mit durchwegs von Musik beherrschtes, gelungenes neues Spektakel „für Musiktheater-Fans ab 6“.

  • Weitere Aufführungen: 30. Oktober, 8., 11. November 2021, 10., 13., 16., 21., 26., 27. Dezember 2021, 24. Januar, 13. Februar 2022.

 

 

 

 

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