Das schreckliche Duo allein zuhaus: Simon Neal als Macbeth und Annemarie Kremer als Lady Macbeth.

Foto: Anna-Maria Löffelberger

Salzburg – Schlamm. Gatsch. Morast. Ein felsenreitschulbreites knöcheltiefes Schlammbad verunmöglicht jeden aufrechten Gang. Keine Weste bleibt weiß in diesem Sumpf. Dahinter eine metallisch-kupferfarben schimmernde Wand mit fugenlosen schmalen Türen. Darüber aufragend, wie die Felswand, die sie einst gewesen ist, verliert sich in der Höhe die Felsenreitschule, in die das Salzburger Landestheater Einzug hielt. Grau in Grau ...

Trotz seiner Größe ist es ein klaustrophobiefördernder Raum. Er wird bei Verdis Macbeth auch so genutzt, zur Projektion von Ängsten aller Art. Im Fundament darunter? Löcher, aus denen Hexen, Geister und sich verselbstständigende Wahnvorstellungen hervorkriechen wie Ratten. Das Bühnenbild von Alexander Müller-Elmau fasziniert in seiner abstrakten Anschaulichkeit, ist ein so schnörkelloses wie effektvolles Setting für die mörderischen Intrigen und die seelischen Verwerfungen der Figuren.

Regisseurin Amélie Niermeyer siedelt die Handlung in einem zeitlosen Immer-und-Überall an. Die Regie Niermeyers setzt auf die Psychologie eines Paares, das sich – wechselweise – einredet, zur Stillung seiner Machtgelüste über Leichen gehen zu müssen und zu dürfen. Es ist ein Paar von Möchtegern-Tyrannen, das seinen letzten Mord (am legitimen Erben) doch nicht hinkriegt und letztlich ganz menschlich-bürgerlich im eigenen Wohnzimmer am sehr schlechten Gewissen zugrunde geht.

Unisex-Kleider

Die scharenweise herumschleichenden, gelangweilt herumlungernden, immer wieder rattengleich in ihre Löcher huschenden Hexen, die Macbeth nach seinem Schicksal befragt, tragen weite Unisex-Rüschenkleider, die auch zum Reifrock-Überwurf taugen. Es ist ein genialer Wurf von Kostümbildnerin Kirsten Dephoff. Diese coolen Typinnen und Typen, der Großteil von ihnen bestens präparierter und spielfreudiger Chor und Extrachor des Landestheaters, sind schleimende Hofgesellschaft und zugleich auch verderbenbringende Ratgeber des Jenseitigen.

Da braucht es wirklich keine "Aktualisierungen" und keine Anspielungen auf Tagespolitik oder Verschwörungstheorien. Das einzig Überflüssige, ja Störende, in der rundum überzeugenden Produktion sind denn auch gegen Ende die Filmprojektionen von Kriegsschauplätzen auf die Kupferwand.

Überzeugende Gesangsleistung

Der Dirigent Gabriel Venzago, seit dieser Spielzeit stellvertretender Musikdirektor am Salzburger Landestheater, hat für den erkrankten Musikdirektor Leslie Suganandarajah kurzfristig die musikalische Leitung am Pult des Mozarteumorchesters Salzburg übernommen. Er hat seine Chance genutzt und dem Ensemble eine federnde, leichtfüßige, dabei die grandiosen Abgründe von Verdis Partitur subtil ausleuchtende Orchesterbasis für überzeugende Gesangsleistungen geboten.

Und die Stimmen? Das schreckliche Duo, also Simon Neal als Macbeth und Annemarie Kremer als Lady Macbeth, dazu Raimundas Juzuitis als (länger untot als lebendig im Schlamm stapfender) Banco und Luke Sinclair als Macduff – sie alle bildeten ein zu Recht bejubeltes Ensemble. (Heidemarie Klabacher, 1.11.2021)