Das Unsichtbare sichtbar gemacht – LA TRAVIATA am Theater Basel

Theater Basel / LA TRAVIATA/ Foto ®Ingo Hoehn

Jeder Musikliebhaber kennt dieses großartige Werk von Giuseppe Verdi, die opulenten Bühnenbilder, Ballszenen, Kostüme und Tänze. Nichts davon wird im Theater Basel sichtbar. Ganz alleine und nur mit ein paar Requisiten, sieht man Violetta leiden. Das mag am Anfang noch irritieren und befremdlich wirken, doch nach ein paar Szenen, hat man einen ganz anderen Blick auf dieses Schicksal. (Rezension der Premiere vom 14.11.2021)

Schon die ersten Worte „This is for you“ vor Beginn der Musik, weisen darauf hin, das hier ganz intensiv für das Publikum gespielt wird und bereits während der kurzen Ouvertüre, welche der Regisseur Benedikt von Peter, als Einsamkeitsmusik beschreibt, wird klar, man muss sich hier auf ein ganz neues Erleben dieser Geschichte einstellen.

Theater Basel / LA TRAVIATA/ Foto ®Ingo Hoehn

Ein Kostüm, ein Fensterrahmen, eine Türe, ein Tisch alles bekommt durch die Konzentration auf das wesentliche eine Bedeutung und man beginnt unbewusst, vieles in der eigenen Vorstellung zu ergänzen. Gerade in den wichtigen Szenen der Begegnung mit Alfredo oder Vater Germont, welche nur hörbar sind, gelingt es trotzdem, sich vorzustellen, was gerade passiert. Ergreifend als Beispiel die Szene wo Alfredo im Haus mit Violetta wohnt. Sie deckt den Tisch wie wenn er im Raum wäre und aus dem Kassettenrecorder erklingt die Szene Ihrer ersten Begegnung. Das unsichtbare wird sichtbar.

Man könnte viele solche Beispiele aufführen, aber kann man dieses gesehene überhaupt in Worte fassen? Man muss es erlebt haben.
Alle anderen Partien singen aus dem verdunkelten Zuschauerraum und lassen dadurch ein ganz anderes Hörerlebnis entstehen. Durch diesen Effekt konzentriert man sich viel mehr auf die Handlung und erlebt die einzelnen Personen viel intensiver, er führt aber auch zu einigen akustisch nicht optimalen Momenten.

Das die Rolle der Violetta eine sehr anspruchsvolle Partie ist, war einem schon immer bewusst. Doch was für eine Herausforderung diese Inszenierung an die Sängerin stellt, hat man so wohl noch nicht erlebt.

Theater Basel / LA TRAVIATA/ Foto ®Ingo Hoehn

Nicole Chevalier leistet hier das schier unmögliche mit Bravour. Unglaublich wie es ihr gelingt, alle Stimmungen, Freude, Verzweiflung, Trauer zu vermitteln und 2 1/2 Stunden, das Publikum in den Bann zu ziehen. Es wirkt nichts gespielt, sondern mit jeder Faser erlebt. Wenn sich körperliche Leistung noch mit einer großartigen Stimme paart, dann muss man von einer Sensation sprechen. Sei es liegend, tanzend und sogar mitten ins Publikum kletternd, immer ist die Stimme perfekt sitzend und man folgt fasziniert dieser einzigartigen Künstlerin auf dem Weg in das tragische Ende.

Obwohl man die anderen Sänger nie sieht, haben diese sich doch im stimmlich besten Licht gezeigt. Arthur Espiritu als Alfredo, glänzte mit einem starken Tenor. Noel Bouley als Vater Germont konnte mit seiner Baritonstimme überzeugen. Des weiteren sangen Ena Pongrac, Flora, Jasmin Etezadzadeh, Annina, Karl-Heinz Brand, Gaston, Kyu Choi, Douphol, Andrew Murphy, Grenvil und Mkhanyiselli Mlombi, Marchese d‘Obigny.

Der Chor des Theater Basel unter der Leitung von Michael Clark war einmal mehr hervorragend einstudiert.

Das Sinfonieorchester Basel spielte auf der Bühne hinter einem Gazevorhang und bot ebenfalls eine sehr überzeugende Leistung. Der Dirigent Tito Ceccherini hatte die nicht einfach Aufgabe, die verschiedenen Spielorte und mit der Sängerin hinter seinem Rücken, zu koordinieren, was jedoch gelang.

Theater Basel / LA TRAVIATA/ Foto ®Ingo Hoehn

Benedikt von Peter hat diese Inszenierung bereits vor zehn Jahren in Hannover präsentiert und auch dort einen großen Erfolg erzielt. Die Bühne wurde von Katrin Wittig, die Kostüme von Geraldine Arnold gestaltet. Das Lichtdesign stammt von Susanne Reinhardt und Roland Edrich.

Wann hat es in Basel zum letzten Mal eine Standing Ovation gegeben unmittelbar nach dem Ende des Stückes? An diesem Abend war dies mehr als verdient und wer immer die Gelegenheit hat, eine der wenigen Vorstellungen zu besuchen, sollte sich dies nicht entgehen lassen.

  • Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
  • Theater Basel / Stückeseite
  • Titelfoto: Theater Basel / LA TRAVIATA/ Foto ®Ingo Hoehn (auf allen Fotos: Nicole Chevalier)
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2 Gedanken zu „Das Unsichtbare sichtbar gemacht – LA TRAVIATA am Theater Basel&8220;

  1. Ich teile die Lobeshymnen ganz und gar nicht. Meine Frau (klassisch ausgebildete Sängerin) und ich haben die Vorstellung nach 1,5 Stunden verlassen.
    Oper ist Musik und szenische Darstellung. Um Letztere hat die Regie das Publikum komplett betrogen.
    Und die Musik? Wie können Duette klingen, bei denen die Partner -zig Meter voneinander entfernt stehen und die eine den anderen nicht sehen kann? Auch bauen Akustikspezialisten Opernhäuser sicher nicht dafür, dass die Sänger in der Ecke des oberen Ranges stehen und das Orchester stattdessen auf der Bühne sitzt…
    Ich würde mich sehr dafür interessieren, was die Mitwirkenden von dieser Inszenierung ehrlich halten. Meine Mutter hat vor einigen Jahrzehnten in Deutschland in der Oper gesungen und ich wage zu behaupten, dass die Regie lange vor der Premiere Ärger mit den Bühnengewerkschaften bekommen hätte.
    Mein Fazit der Aufführung: Regie: Hauptsache spektakulär, Qualität des Produktes zweifelhaft, Zuschauer verärgert.

    1. Guten Nachmittag Herr Theis
      Das eine solche Inszenierung geteilte Meinungen hervorruft ist verständlich.
      Das Publikum war an der von mir besuchten Premiere gar nicht verärgert. Das in Basel das Publikum sofort beim Erscheinen der Violetta eine Standing Ovation spendet ist in den 40 Jahren wo ich dieses Haus besuche, sehr selten vorgekommen. Selbstverständlich ist die Akustik so nicht optimal. Ich hoffe das Sie bald wieder eine Ihnen zusagende Aufführung besuchen können und wünsche eine gute Vorweihnachtszeit.
      Marco Stücklin

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