Zelebrierter Exhibitionismus: "7 Deaths of Maria Callas"

08. April 2022 - 23:53 Uhr

Berlin (MH) – Einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt die Opern-Performance "7 Deaths of Maria Callas", die am Freitag in der vollbesetzten Deutschen Oper ihre Berlin-Premiere erlebt hat. Rund hundert Minuten lang zelebriert die Performance-Künstlerin Marina Abramović ihre persönliche Auseinandersetzung mit einer Diva, die bereits zu Lebzeiten zur Ikone wurde. Das auch musikalisch nur mäßig überzeugende Spektakel, das im September 2020 an der Bayerischen Staatsoper in München aus der Taufe gehoben wurde, wird zu einer peinlichen Selbstbespiegelung.

"7 Deaths of Maria Callas"

"7 Deaths of Maria Callas"

Abramović, die für Konzept, Regie und Bühne verantwortlich zeichnet, liegt fast die gesamte Zeit reglos im Bett. Mehrere Sängerinnen bieten nacheinander sieben bekannte Arien dar, mit denen die Callas Musikgeschichte geschrieben hat. All diesen weiblichen Opernfiguren ist gemeinsam, dass sie am Ende sterben müssen. Auf einer Leinwand laufen im Hintergrund Szenen ab, in denen Abramović mit dem Schauspieler Willem Dafoe ihre Gedanken zu den Rollen der "Primadonna assoluta" in teils drastische Bilder übersetzt.

Während Mané Galoyan recht farblos die berühmte Arie "Ah, fors’è lui che l’anima" aus Giuseppe Verdis Oper "La Traviata" singt, bleibt Abramović auch im Film zunächst in der Horizontalen. Bald schon wird sie der schicksalhafte Tod durch Schwindsucht ereilen. Die Erinnerung an Maria Callas will in diesem Moment – wie auch sonst an diesem Abend – nicht recht lebendig werden. Als Puccinis Floria Tosca, der Diana Gouglina die Stimme leiht, stürzt sich Abramović im Film nicht etwa von der Engelsburg, sondern von einem Wolkenkratzer. Beklemmende Assoziationen zu den Anschlägen von 9/11 werden wach. Adela Zaharia interpretiert dann grandios die Wahnsinnsarie "Ardon gl’incensi" aus Gaetano Donizettis "Lucia di Lammermoor – einer der wenigen Höhepunkte des Abends – während der überdimensional groß auf der Leinwand agierenden Abramović blutige Tränen über das Gesicht laufen. Die Protagonistinnen der Opern von Verdi, Donizetti, Bellini, Bizet und Puccini segnen rasch das Zeitliche. Umso länger empfindet man den achten Bühnentod, nämlich den von Maria Callas höchstpersönlich. Abramović hat für ihr erstes Opernprojekt Callas' Schlafzimmer in ihrer Pariser Wohnung möglichst authentisch nachbilden wollen, inklusive einer Schachtel mit Schlaftabletten auf dem Nachttisch.

Unter Leitung des Dirigenten Yoel Gamzou spielt das Orchester der Deutschen Oper nicht nur die zum Kernrepertoire gehörenden Arien. Der Komponist Marko Nikodijević liefert den Soundtrack zu den von Abramović selbst eingesprochen, bisweilen sehr pathetisch klingenden Reflexionen zu den unglücklichen Opernheroinen und ihrer großen Interpretin, die ebenfalls an ihren unerfüllten Träumen zerbrach. Nikodijevićs Sphärenklänge wirken ebenso diffus wie die Wolkenformationen, die auf der Leinwand vorüberziehen. Auch die Verdi-Melodien verpuffen irgendwo im Ungefähren.

Die Musik, das wird rasch klar, spielt an diesem Abend nicht die Hauptrolle. Anderthalb Stunden lang wird die Bühne von der starren Mimik Abramovićs dominiert, die sich selbst zum Kunstwerk stilisiert. Ein eher penetranter Exibitionismus, mit dem die Performance-Künstlerin der Callas in Wirklichkeit einen Bärendienst erweist. Das Publikum lässt sich dennoch zu lautem Beifall hinreißen.

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(ck/wa)

Berichtigung (09.04.2022 – 11:42 Uhr): Im dritten Satz muss es "September 2020" … heißen (nicht: April 2020).

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