Hauptbild
Nadine Weissmann (Amneris), Hector Sandoval (Radamès). Foto: Nasser Hashemi
Nadine Weissmann (Amneris), Hector Sandoval (Radamès). Foto: Nasser Hashemi
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Ja, wo spielen sie denn? Die Chemnitzer „Aida“ als Kostümfest an der Seine

Publikationsdatum
Body

Für Freunde der italienischen Oper wird es in Sachsen ein wenig eng: Anfang März kam Giuseppe Verdis „Aida“ an der Semperoper in Dresden heraus, nun gibt es auch im Opernhaus Chemnitz eine Neuproduktion. Verdi geht immer, jedenfalls jetzt, wo große Oper endlich wieder möglich ist. Was aber dabei herauskommt, wenn die „Aida“ noch vor ihrer historischen Uraufführung spielt?

Die Hintergründe für eine solche Idee immerhin sind plausibel und durchaus verbürgt, denn die zur Eröffnung des Suezkanals und der Oper von Kairo bei Verdi bestellte Oper war zwar rechtzeitig fertig, aber die in Paris hergestellten Kostüme konnten wegen der preußischen Belagerung im Krieg von 1870/71 nicht pünktlich in Richtung Nil geliefert werden. Aus dieser Tatsache heraus fantasiert die Chemnitzer Inszenierung nun eine Vor-Aufführung der „Aida“ in einem Pariser Salon. Da sitzt alles mehr oder minder auf gepackten Koffern und will nach Ägypten, während draußen die deutschen Kanonen ballern und bersten.

Das Gesamtkonzept inklusive Ausstattung geht auf das kanadische Künstlerduo Barbe & Doucet zurück, mit dem die Zusammenarbeit zwischenzeitlich allerdings aufgekündigt worden ist. Angeblich aus dispositorischen Gründen. Eingesprungen ist Ingolf Huhn, der einstige Intendant des Mittelsächsischen Theaters Freiberg / Döbeln und des Theaters Plauen / Zwickau sowie des Eduard-von-Winterstein-Theaters Annaberg-Buchholz.

Wie sehr das Resultat nun seine Handschrift trägt oder das originäre Resultat von Barbe & Doucet darstellt, war nicht erkennbar und ist wahrscheinlich auch eher belanglos. Denn das Ganze ist nicht viel mehr als ein Kostümfest mit ziemlich mauer Personenführung, teils albernen Gesten und Tänzen sowie immer mal wieder dem plakativen Versuch, ganz besonders originell sein zu wollen. Da ist viel gegen Text und Musik inszeniert worden, die Bühne steckt voller Klischees in den Farben der französischen Trikolore, übertüncht mit schwarz-goldener einer bizarren Möchtegern-Ägyptologie.

Aber die Handlung selbst – Aida, äthiopische Königstochter, liebt Radames, den ägyptischen Feldherrn, der aber von der Pharaonentochter Amneris begehrt wird, die sich Aida zur Sklavin genommen hat – die wird dann doch erzählt, bis hin zum unfreiwilligen Verrat der ägyptischen Kriegsstrategie an Aidas Vater, den Äthiopier-König Amonasro, wofür Radames letztendlich mit dem Tod bestraft wird. Die Katakombe, in der er lebendigen Leibes eingemauert werden soll, ist allerdings die Vorbühne, den Schlussstein gibt ein rötlicher Vorhang. Als Radames hier zum Finale antritt und Aida entdeckt, die sich in das Verlies eingeschlichen hatte, stehen beide bühnenbreit auseinander und deklamieren ihren ergreifenden Schlussgesang in Richtung Publikum. Todgeweiht Liebende hätten vermutlich anders reagiert.

Dennoch war es eine Freude, Tatiana Larina in der Titelpartie erleben zu dürfen, die sie erst wenige Stunden vor der Premiere für eine erkrankte Kollegin übernommen hatte. Chapeau, eine wirkliche Sternstunde! Klar geführt ihre Stimme, gut nuanciert, uneingeschränkt verdienter Applaus. Ebenso ohne Fehl und Tadel der Tenor Hector Sandoval als Radames. Bei Amneris, gesungen und dargestellt von Nadine Weissmann, fiel bei aller Kraft in ihrem Organ ein metallisches Hintergrundrauschen auf, und bei Aris Argiris als Amonasro gab es Probleme in der Höhe.

Möglicherweise hat es der Chemnitzer Generalmusikdirektor Guillermi Garcia-Calvo auch etwas zu gut gemeint und es damit den Sängerinnen und Sängern recht schwer gemacht, denn er ließ die Robert-Schumann-Philharmonie zu Höchstleistungen auffahren, was wundervoll farbenreich klang, der Solistenriege aber ziemliche Kraftanstrengungen abverlangt hat.

Hervorzuheben sind der grundsolide Opernchor sowie die Ballettsolisten, darunter zwei Kinder, die reichlich unbefangen über die Bühne hüpften und so von manch sonstiger Unbeweglichkeit ablenken konnten.

Dennoch gab es reichlich Beifall nach dieser Premiere, gewiss hat sich das Publikum einfach auch darüber gefreut, endlich wieder eine große Opernpremiere erlebt haben zu dürfen. Obwohl die Seine so weit weg ist von Sachsen. Und sowieso von Ägypten.

  • Termine: 30. April, 6., 14., 27. Mai und am 25. Juni 2022

 

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!