Französischer Esprit in sizilianischem Ambiente – „Béatrice et Bénédict“ in der Oper Köln

Oper Köln/ Beatrice et Bénédict/Paul Appleby, Isabelle Druet © Hans-Jörg Michel

Es ist eine leichte Sommeroper. Der Krieg ist aus, die Männer kehren heim. Dass Héro und Claudio heiraten wollen, ist beschlossene Sache, nur Béatrice und Bénédict liefern sich brillante Wortgefechte und beteuern beide, niemals heiraten zu wollen. Hector Berlioz greift in seinem Alterswerk, Uraufführung 1862 in Baden-Baden, Shakespeares romantische Komödie „Much ado about Nothing“ auf und macht daraus eine Opéra comique mit 17 Nummern und gesprochenen Dialogen. Die Intrige des Don Juan streicht er und fokussiert die Handlung auf die Bekehrung des bekennenden Junggesellen Bénédict und des Blaustrumpfs Béatrice zum Liebes- und schließlich Ehepaar. Als komödiantisches Element fügt er den Kapellmeister Somarone mit seinem Chor hinzu. Im sehr sizilianisch anmutenden Bühnenbild und mit den Kostümen von Christof Cremer, die das Ganze am Anfang der 50-er Jahre mit Petticoats und betonter Taille auf der Piazza eines sizilianischen Dorfs spielen lassen, entsteht daraus eine Parabel auf den Kampf der Geschlechter, bei dem die Frauen anscheinend den Kürzeren ziehen. (Rezension der Vorstellung v. 5.5.2022)

 

 

Der Kölner Generalmusikdirektor und Chefdirigent der Oper Francois Xavier Roth mit seinem Gürzenichorchester schlägt Funken aus der wunderschönen filigranen Musik des Komponisten Hector Berlioz. Roth ist bekennender Verfechter der Originalversion und natürlich auch der Originalsprache. So hat die Regisseurin Jean Renshaw eine Dialogfassung in französischer Sprache erarbeitet, die weitgehend die Originaltexte Shakespeares verwendet und die Handlung auf die beiden Liebespaare und den Chor mit seinem Maestro als Buffo-Element fokussiert. Der von Rustam Samedov einstudierte Chor hat, wie der Kapellmeister Somarone erklärt, eine Fuge zu singen, ist also mehrstimmig aktiv und trägt wesentlich zur Atmosphäre bei. Anlässe für den Chorgesang sind die siegreiche Rückkehr der Soldaten und die Hochzeit der beiden Paare.

Bühnen- und Kostümbildner Christof Cremer hat jedem einzelnen Chorsänger ein individuelles Kostüm und damit eine Identität verpasst: der Restaurantbesitzer, seine Frau, die Zwillingssöhne, der Polizist, der Pastor, einige Mütter mit gedecktem Outfit und 50-er-Jahre mit Kinderwagen, ein paar heiße Feger mit Petticoats, zwei Nonnen, ein Trunkenbold, der nächtens von seiner nicht amüsierten Frau aufgelesen und heimbugsiert wird, einen Blinden, der mit Stock über die Bühne tapst und bei dem man jeden Moment Angst haben muss, dass er irgendwo abstürzt. Im Hintergrund eine Frau, die an einer nicht enden wollenden Wäscheleine immer wieder Wäsche aufhängt. Der Kapellmeister Somarone – Bruder im Geiste des van Bett aus „Zar und Zimmermann“ – liebevoll karikiert vom französischen Bariton Ivan Thirion, bezieht das rechts von der Bühne platzierte Gürzenich-Orchester gleich mit ein. Ein köstlicher Einfall ist das Geschwätz des Chors auf Dirigieranweisungen, das nach der spritzigen Ouvertüre Anfang und Ende der Handlung markiert.

Oper Köln/ Beatrice et Bénédict/Miljenko Turk, Paul Appleby, Luke Stoker © Hans-Jörg Michel

In der Opéra comique kommt dem gesprochenen Text, wie in der Operette, eine tragende Bedeutung zu. Isabelle Druet als Béatrice, Paul Appleby als Bénédict, Jenny Daviet als Héro und der für Miljenko Turk eingesprungene Aimery Lefèvre als Claudio erweisen sich als Vollblutschauspieler*innen und Erzkomödianten, die nicht nur aus Shakespeares Dialogen Funken schlagen, sondern auch mit stilsicherem Gesang die überwiegend lyrischen Qualitäten der Arien und Ensembles von Berlioz hörbar machen. Vor allem Appleby blüht als Verliebter mit noch mehr Feuer auf. Es gibt auch zum gesprochenen Text deutsche Übertitel.

Luke Stoker als Don Pedro, Befehlshaber der Truppen, Schauspieler Sébastien Dutrieux als Leonato, Gouverneur von Messina und Heros Vater („Ihre Mutter behauptet es“) und Béatrices Onkel und vor allem Ivan Thirion als Kapellmeister Somarone tragen das Buffo-Element und die Bassstimmen bei.

Besonderes Lob verdient die Belgierin Lotte Verstaen aus dem Opernstudio als Ursule, Héros Freundin, die sich in dieses hochkarätige Ensemble mit ihrer samtigen Mezzosopranstimme perfekt eingliedert und nicht nur mit Jenny Daviet das bekannte Duett „Duo nocturne“ und zusätzlich mit Isabelle Druet ein Terzett der Sonderklasse hinlegt, bei dem die Stimmen perfekt kontrastieren und harmonieren. Der „Rosenkavalier“ lässt grüßen! In diesem Terzett machen Ursule und Héro der widerspenstigen Béatrice vor, Bénédict sei in sie verliebt. Gleiches geschieht Bénédict im Terzett mit Claudio und Don Pedro, und am Schluss gestehen beide einander ihre Liebe und heiraten sogar – ein kurzfristiges Happy End. Diese Ehe wird spannend!

Es ist ein Fest der schönen Stimmen, die Melodien des reifen Berlioz sind zum Weinen schön, die Orchestrierung ist farbig und überbordend an Einfällen, wie einem im Pianissimo ausschleichenden Ende des ersten Akts. Man muss Francois Xavier Roth dankbar sein, dass er diesen Zweiakter erstmalig in Köln aufführt und damit demonstriert, dass Opéra comique mehr ist als Bizets „Carmen“.

Oper Köln/ Beatrice et Bénédict/Chor der Oper Köln © Hans-Jörg Michel

Das Bühnenbild von Christof Cremer ist eine auf den Boden projizierte Hausfassade, die leicht ansteigt und mit sanftem Schwung in einen Balkon und Etagen mit Fenstern, in denen immer mal jemand steht und musiziert, übergeht. Die Inszenierung ist ein Feuerwerk von witzigen Einfällen mit mehreren spielenden Kindern und schreienden Babys auf der Bühne, die in dem Gag gipfelt, dass Hero und die zur Ehe mit Bénédict bekehrte Béatrice ein Bügelbrett, ein Bügeleisen, einen Besen und einen Wischmopp in die Hände gedrückt bekommen und dadurch in ihrer Bewegungsfreiheit schwer gehandicapt sind.

„Militia species amor est“ (Die Liebe ist eine Art Militärdienst)– dieses Zitat von Ovid aus seiner „Ars amatoria“ stellt Jean Renshaw ihren Erläuterungen zur Inszenierung voran. Damit meint sie vermutlich die strikten Verpflichtungen, die die Gesellschaft Eltern, vor allem Müttern,  auferlegt, illustriert mit endlosen Wäschebergen, knatschenden Babys und tobenden Kindern auf der Bühne. Sie entwickelt die Utopie einer gleichberechtigten Partnerschaft von Béatrice und Bénédict. „Als ob sie die Naturgewalt ‚Liebe‘ mit all ihren Licht- und Schattenseiten akzeptieren und umarmen, um den Betrachter*innen dadurch eine Vision einer ewigen, gleichberechtigten Liebe zu schenken, die sich durch ‚Widerstand‘ und ‚Reibung‘ immer wieder wie ein Phönix aus der Asche erneuert.“

Es war ein Genuss ohne Reue, der einem die endlose Plackerei der Hausfrauen der früheren Jahre vor Augen geführt hat und die Macht der Liebe zeigte, die durch gesellschaftliche Konventionen in Ehen gelenkt wird. Als offiziell gleichberechtigte verheiratete Berufsfrau bin ich froh, dass wir dieser Utopie seit 1862 etwas nähergekommen sind.

 

  • Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Oper Köln / Stückeseite
  • Titelfoto: Oper Köln/ Beatrice et Bénédict/Lotte Verstaen, Jenny Daviet © Hans-Jörg Michel 
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