Moise in Aix - Kräftige Bilder und mitreißender Erzählmodus

Xl_e0e6c252-25fe-4408-b92f-848942cb2967 © Festival Aix

Giaocchino Rossini Moise et Pharaon Festival d‘Aix en Provence 14.Juli 2022

Moise in Aix - Kräftige Bilder und mitreißender Erzählmodus

Die biblische Geschichte und der historische Hintergrund der unterdrückten Juden in Ägypten diente Giaocchino Rossini mehrmals als Opernstoff. Für das Pariser Publikum und der herrschenden Ägyptomanie arbeitete er sein Frühwerk Mose in Egitto zu einer Grande Opera seria um, mit vielen Arien, zündenden Chorszenen und umfangreicher Balletteinlage. Die Uraufführung von Moise et Pharaon fand 1827 in der Academie royale in Paris statt.

Nunmehr wird das sperrige Werk in vier Akten erstmals in Aix geboten. Die Neuinszenierung hat Tobias Kratzer übernommen, der mit seiner intelligenten kurzweiligen Inszenierung von Richard Wagners Tannhäuser in Bayreuth internationale Reputation gewonnen hat. Moses kämpft um die Freiheit seines unterjochten Volkes in Ägypten. Erst als er die langjährigen Dürren und Flutkatastrophen mit der Hilfe seines Gottes bewältigt wird der Pharao einsichtig und ist bereit zu konvertieren und das jüdische Volk ziehen zu lassen. Nur sein Sohn Amenophis sperrt sich aus Liebe zu Moses Tochter dagegen. Sinaide entscheidet sich für ihren Vater und ihren Glauben. Das jüdische Volk flieht vor dem Zorn Amenophis durch die von Gott geteilten Fluten des Nil.

Tobias Kratzer nähert sich mit Akribie der Handlung, mit Feingefühl und Umsicht setzt er den historischen Stoff in aktuelle Umgebung. Palast und Büro des Pharao ist ein modernes Design Büro, die Juden leben in notdürftigen Zelten in einer Stadt, deren Architektur an Aix erinnert. Anzug und Krawatte sowie High heels und Kostüm regieren am Hof, Jeans und casual im Flüchtlingscamp nebenan. Moses wird zum Bindeglied der Historie mit der Istzeit mit orientalischem wallendem Gewand und Holzstock, langem weissem Haar und Bart. Die bekannten Bilder der aktuellen Flüchtlingswelle über das Mittelmeer sind Vorlage für die letzte Szene. Überfüllte Schlauchboote und rote Schwimmwesten für die fliehenden Juden. Als Videomontage erlebt der Zuschauer die geteilten Fluten, sowie die ertrinkenden Verfolger. Als anklagendes Schlussbild erlebt der Betrachter den vorherigen Strand gefüllt mit schicken Touristen auf Liegen unter Liegestühlen, wieder im unbekümmerten Luxusleben, gelangweilt und sorgenfrei, ohne moralische Verantwortung.

Vier Stunden gut durchdachter Regie, immer wieder gefüttert mit Videos begeistern mit geschickter Steigerung der Spannung und Ausdruckskraft der Bilder. Mit Feingefühl und Selbstbewusstsein dirigiert Michele Mariotti das Orchester und den Chor der Opera de Lyon. Der Belcantoklang Rossinis schimmert selten durch in dieser Partitur der Grand Opera seria. Die unterhaltsame Lockerheit weicht einer erhabenen Schwere. Die Personen der Handlung sind musikalisch nuanciert beschrieben und das Geschehen romantisch unterspült. Es gelingt ihm dabei, frisch und farbenreich mit guter Tempiauswahl zu bleiben.

Michele Pertusi ist ein spröder engstirniger gealteter Moses mit Ehrfurcht weckender Stimme. Ein kampfbereiter Führer aber auch ein liebender Vater ist in seiner Rollenzeichnung zu hören, und Adrian Sampetrean setzt sich als Herrscher der Ägypter weniger in Szene. Sein Pharaon ist sicher und sauber gesungen. Anai , seine Frau wird von Jeanine de Bique ausdrucksstark und mit Präsenz gegeben. Akrobatisch schreitet sie mit gewagten hohen Absätzen majestätisch. Pene Pati ist der zwischen Liebe und Macht zerrissene stürmische jugendliche Thronfolger Amenophis. Die Ablehnung der arrangierten Hochzeit mit einer Prinzessin ist erlebbar nicht nach seinem Geschmack. Der junge Tenor aus Samoa verfügt über ein eindrucksvolles Stimmvermögen, es verjüngt sich in der Höhe. In der Stimmführung lässt er noch weitere Potenziale erkennen. Vasilisa Berzhanskaya berührt mit ihrem gut geführten und reichhaltig intonierten Sopran als Senaide, die sich schmerzhaft für ihr Volk und Ihren Glauben entscheidet. Mert Süngü ist Moses Sohn Eliezer, der die Bestimmung seines Vaters unterstützt, sich aber nicht gekonnt in den Vordergrund spielen kann.

Spät beginnen die Aufführungen im Innenhof des erzbischöflichen Palais, gekonnt verkürzt der bildhafte großflächige Erzählstil des Regisseurs den Abend.

Grosse Begeisterung im ausverkauften Haus.

Dr. Helmut Pitsch

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