Hölle, Fegefeuer, Paradies: ewige Unbekannte in der Gleichung des Lebens. Und diesen Sommer, in Anlehnung an Dantes „Divina Commedia“, die programmatischen Leitmotive der Salzburger Festspiele. Gleich die erste Opernpremiere macht das mit einer ungewöhnlichen Kombination überdeutlich. Béla Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“, ein 1911 komponiertes, intim-abgründiges Kammerspiel, auf der einen Seite. Carl Orffs Spätwerk „De temporum fine comoedia“, eine apokalyptische Oratorienoper, zwei Weltkriege später entstanden, auf der anderen.

Beiden Kompositionen wohnt etwas Rituelles inne, für das die Archaik der Felsenreitschule wie gemacht zu sein scheint. Und doch entscheidet sich Romeo Castellucci (Regie, Ausstattung und Licht) dafür, die Arkaden mit einem schwarzen Vorhang auszukleiden und ganz auf die Wirkmacht eines symbolträchtigen Bühnendunkels zu setzen. Zurecht, entfaltet sich in diesem Nicht-Raum im ersten Teil doch eine soghafte Seelenschau rund um eine Frau, die vom Tod ihres Säuglings – ob selbst verschuldet oder nicht – innerlich zerrissen wird.

Aušrine Stundyte lässt den Schmerz dieser Judith Stimme und Körper werden. Angst vor den Schatten in Blaubarts Mauern gibt es für sie nicht, den Weg in die Finsternis beschreitet sie bereitwillig. Vielleicht, weil der Eindruck nicht weichen will, dass wir uns in Wahrheit in ihrer Seelenburg wiederfinden, Blaubart nichts anderes als ein imaginierter Dialogpartner im Tränensee ihrer Einsamkeit ist. Mika Kares ist in dieser Produktion jedenfalls nicht die treibende, beunruhigende Kraft – und bleibt folgerichtig bei aller Klangschönheit etwas blass und konturlos.

Das lässt sich weder von Castellucci behaupten, der das schiere Gegenteil einer Materialschlacht anvisiert und mit akzentuiert platzierten Feuer- und Wasser-Impressionen jede Bühnenverwandlung überflüssig macht. Noch von Teodor Currentzis, dem energiegeladenen Meister großer Gesten, der die reiche Instrumentation dieser Perle der ungarischen Opernliteratur am Pult des Gustav Mahler Jugendorchesters in unzählige feine Nuancen auffächert. Über die „Causa Currentzis“ wurde und wird hitzig diskutiert – ein sehr sensibles Thema, für das dringend eine finale Lösung gefunden werden muss.

Nach einer grenzwertig langen Umbaupause findet der Abend nicht zu den Qualitäten der ersten Hälfte zurück. Das ist nicht etwa dem nun auch auf der Bühne großformatig besetzten Ensemble, sondern vielmehr Orffs „Spiel vom Ende der Zeiten“ selbst anzulasten. Es gibt unzählige Stücke, die zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind – die 1973 hier uraufgeführte Choroper in altgriechischer, lateinischer und deutscher Sprache zählt leider nicht dazu. Inhaltlich kreist sie um die Frage nach der Erlösung der Menschheit am Tag des Jüngsten Gerichts: Gibt es auch für das Böse noch Hoffnung? Auf dem Papier ein reizvolles Sujet, nutzt sich das eigenwillige, spröde Werk durch manische Repetition, skandierte Rhythmen, schrilles Sprechgeschrei bis zur Schmerzgrenze und bedeutungsschwangere Bebilderung nervenaufreibend ab. Eine komplexe Werkanlage und Bühnenwirksamkeit gehen nicht immer Hand in Hand. Der perfektionistischen Einstudierung durch alle Gewerke gebührt nichtsdestotrotz größter Respekt.

Florian Maier

„A kékszakállú herceg vára“ („Herzog Blaubarts Burg“) (entstanden 1911, uraufgeführt 1918) // Oper von Béla Bartók
„De temporum fine comoedia“ („Das Spiel vom Ende der Zeiten“) (1973/81) // Oratorienoper von Carl Orff

Infos und Termine auf der Website der Festspiele