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Kultur Puccinis „Il trittico“

Etwas mehr Loslassen wäre schön gewesen

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Asmik Grigorian (Suor Angelica) in „Il trittico“ von Giacomo Puccini Asmik Grigorian (Suor Angelica) in „Il trittico“ von Giacomo Puccini
Asmik Grigorian in „Il trittico“ von Giacomo Puccini
Quelle: dpa
In Salzburg haben bewährte Namen einen festspielwürdigen Opernabend zum Abheben gebracht. Zur Apotheose reichte es allerdings nicht ganz. Das lag nicht nur an der protestantischen Strenge der Puccini-Aufführung.

Die Uraufführung seines „Trittico“ fand 1918, mitten im Ersten Weltkrieg, in New York statt. Giacomo Puccini konnte nicht anwesend sein. Und doch hatte er, der bis heute gern von Ignoranten (leider auch vom legendären Salzburg Mastermind Gerard Mortier) als Kitschier für die kleinen Leute gedisst wird, hier die Ästhetik der italienischen Oper so radikal aufgebrochen wie keiner vor und nach ihm.

Gegen den geschlossenen Werkbegriff setzte er im bis heute viel zu selten komplett gespielten „Il trittico“ drei Einzelstücke, die sich musikalisch wie inhaltlich radikal unterscheiden. Als Triptychon eint sie höchstens, dass dreimal gestorben wird, dass die Menschen ihren Verhältnissen ausgeliefert sind – und dass sich diese Einakter, tragisch, sentimental, komisch, zeitlich rückwärts bewegen: aus dem sozialen Milieu der Entstehungszeit unter Pariser Flussschleppern über ein Frauenkloster am Ende des 17. Jahrhunderts in ein Florentiner Bürgerhaus am Ende des Mittelalters.

Eine jüngere Regiegeneration hat inzwischen Gefallen an dem eher unterschwellig als offensichtlich verknüpften, auch musikalisch nachdrücklichen Dreier gefunden. 2006 hat Katharina Wagner an der Deutschen Oper Berlin poppig schrill nicht nur die Reihenfolge vertauscht, 2008 hat ihn Claus Guth in Frankfurt komplett auf ein Schiff verlegt. 2012 verortete ihn Damiano Michieletto für das Theater an der Wien in einem Containerlager, 2017 Lotte de Beer an der Bayerischen Staatsoper in einem blechern kantigen Trichter, in dem die Geschichten rückwärts in die Zeit zoomen. Anfang des Jahres hat ihn Roland Schwab in Essen in monochromen Lichträumen spielen lassen, Barrie Kosky plant ihn für die Dutch National Opera.

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Und als zweite Opernpremiere gab es „Il Trittico“, in der ebenfalls variierten Reihenfolge Komisch-Tragisch-Vergeistigt, jetzt in der Regie von Christof Loy erstmals bei den Salzburger Festspielen. Wobei das Spektakuläre des Vier-Stunden-Abends eigentlich dessen makellos unspektakuläre, freilich nicht sehr italienisch anmutende Qualität war. Dieser Dreiteiler der Einzelstücke (als solche begreift sie auch Loy, nur durch ganz zahme optische Verweise sind sie im bewusst karg leeren, beigen Bühnenbild-Raum von Etienne Pluss verbunden), die immer auch Theater spielen, commedia eben, der wird hier zum realistisch aufgedröselten, filigran in feinsten Einzelleistungen und Momente sich verbindenden Mosaik vielfältiger Stimmen.

Vereint ist er auch durch die eher kommerzielle Entscheidung, die in Salzburg zu Ruhm gekommene Asmik Grigorian in jedem der Werke eine Rolle singen zu lassen. In der fidelen Erbschleicher-Komödie „Gianni Schichi“, wo eine Bande gieriger adeliger Verwandter von einem Proletarier genasführt wird und dessen Tochter ihren Sohn geben muss, ist sie eine herbe, lautere Lauretta als spätes Mädchen in Cowboystiefeln. Die krallt sich ihren Rinuccio (dünnstimmig: Alexey Neklyudov), sobald die Tinte auf dem falschen Testament trocken ist, zum Liebemachen im Totenbett.

Misha Kiria (m., Gianni Schicchi) und Ensemble in „Il trittico“ von Giacomo Puccini
Misha Kiria (m., Gianni Schicchi) und Ensemble in „Il trittico“ von Giacomo Puccini
Quelle: dpa

Ganz bei sich ist die Lettin mit dem dramatisch vibrierenden Sopran dann in der Dreiertragödie „Il tabarro“ bei Giorgetta, der unerfüllten Frau eines Seine-Schleppers, die ihr Kind verloren hat. Deren Zerrissensein zwischen der Treue zu ihrem emotional kühlen Mann (anständiger Bariton: Roman Burdenko) und zu Luigi (noch ein zu kleiner Tenor: Joshua Guerrero), der ihr Gefühlsfeuer wieder lodern lässt, übersetzt sie in anrührend einfache Töne des Sopranglücks. Das jäh vorbei ist, als sie unter dem titelgebenden Mantel den von Giorgio ermordeten Luigi findet.

Und darstellerisch toll ist Asmik Grigorian, aber mit harschem Timbre, die Stimme selten auf harmonischen Bögen schweben lassend, als verhärmte „Suor Angelica“. Die wurde von der adeligen Familie ihres unehelichen Jungen wegen in ein Kloster weggesperrt. Nach sieben Jahren erfährt sie von der herzlosen Tante, dass der schon seit zwei Jahren tot ist. Sie vergiftet sich und sieht schuldbewusst in einer Vision Marie mit dem Kind, dessen Lichtaureole sie entgegen schreitet.

Feinsinnig und finessenreich

Natürlich nicht in Salzburg, wo die katholische Himmelfahrt musikalisch zündet, aber Loy nur die vor dem Sterben Verzweifelte zeigt, die rauchend ihr Nonnenhabit trotzig wieder mit den Kleidern ihrer alten Existenz tauscht, die sich selbst blendet, quasi Stigmata zufügt und der jetzt ein echter Junge, den sie nicht mehr sehen kann, in die Arme läuft.

Feinmechanisch ist das ein meisterlicher Abend – weil Loy wunderbar das Personenräderwerk dieses vielfigurigen Werkes zu drehen weiß, Ablenkendes, wie die zirkushaften Tänzer zwischen Möbelstücken im „Tabarro“, sich auch noch schenken könnte. Meisterlich entlockt ebenso Franz Welser-Möst im hochgefahrenen Graben den Wiener Philharmonikern einen feinsinnig zurückhaltenden, in vielen Details finessenreich aufleuchtenden Puccini. Aber etwas mehr Loslassen, südlich-sonniges Klang-dolce far niente, unbekümmert temperamentgesättigte Italianità wäre für ein vollkommenes Opernglück schön gewesen. So war es eher protestantisch streng.

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Zumal auch die meistenteils unbekannte, für Salzburg wenig glamouröse Besetzung allen Ansprüchen genügt, aber nicht heraussticht. Die böse Verwandtschaft hätte gegenüber Misha Kirias nettem, nicht abgefeimten Schicchi noch schärfer karikiert werden können. Und die liebevoll ausgestellten Nonnen hätten mit mehr Edelnamen als nur dem von Hanna Schwarz (La Badessa) noch unverwechselbarer wirken können.

Grigorian, Loy, Welser-Möst – so haben bewährte, beliebte Salzburg-Namen einen festspielwürdigen Opernabend zum Abheben, aber nicht zur Apotheose gebracht.

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