Beeindruckend als Schwester Angelica, Asmik Grigorian.

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Wenn sie in Salzburg erscheint, ist sie an jenem Ort, an dem ihre Karriere einen entscheidenden Schub bekam – wie einst jene von Anna Netrebko als Mozarts Donna Anna, die fast alle an die Wand sang. Wer dabei war, erinnert sich an Asmik Grigorian, wie sie sich in Romeo Castelluccis Inszenierung als Salome nach dem Mund des schließlich geköpften Propheten Jochanaan verzehrte.

Eine vokale und körperliche Grenzleistung war das, die nun in eher gemäßigter Gangart ihre Fortsetzung fand: Bei Puccinis "Il Trittico", bei den Salzburger Festspielen im Großen Festspielhaus zu erleben, handelt es sich um ein Werktrio, bei dem es zwar immer auch um den Tod geht, in unterschiedlicher, auch heiterer Form allerdings.

An sich schließt "Il Trittico" ja tumultartig heiter mit der bitteren Satire "Gianni Schicchi", in der sich eine lechzende Verwandtschaft Hoffnung auf das Erbe des in der Bühnenmitte auf dem Bett liegenden erbleichten Buoso Donati macht.

Regisseur Christof Loy hat das makabre Erbstück jedoch vorgezogen und den tragischen Einakter "Suer Angelica" an den Schluss gesetzt, um die ernsthafte, tragische Farbe der Trilogie zu verstärken und wohl auch, um Sopranstar Grigorian die Möglichkeit zu geben, im Finale ihre Stärken höhepunktartig auszuspielen.

Kurzer Moment der Heiterkeit, bevor es tragisch wird: Asmik Grigorian in "Der Mantel"
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In dem abschließenden Monolog der Nonne, die sich selbst vergiftet, nachdem sie vom Tod ihres Sohnes erfahren hat (sie ist eine von der Familie distanzierte Adelige), steigert Grigorian sich tatsächlich zum Kern ihrer Möglichkeiten als Sängerschauspielerin, was sich auch in der Auseinandersetzung mit ihrer herzensharten Tante (packend Karita Mattila) manifestiert. Vokale Intensität ist Grigorian in den Höhen gegeben, dort entfaltet sich die volle Pracht dieser Stimme, die auch im Pianissimo über Strahlkraft verfügt.

Beim "Opener", also "Gianni Schicchi", bewundert man eher, wie Loy bei diesem turbulenten Stück als Meister der individuellen Ausgestaltung der Figuren das Geschehen organisiert. Die in Trauer verpackte Geldgier der Verwandtschaft wird pointiert bis zur Kenntlichkeit karikiert. Es entsteht regelrecht – in dem nahezu leeren Raum – eine differenzierte Figurenfuge, eine szenische Mehrstimmigkeit.

Wenn der schlaue Gianni Schicchi, der einen Plan ersinnt, wie man verhindern kann, dass das ganze Erbe des Toten an der Verwandtschaft vorbei Mönchen geschenkt wird, werden die Verwandten zu exaltierten Bewunderern des Retters, um später zusammenzubrechen: Schicchi diktiert – der Tote liegt derweil versteckt unterm Bett – in der Rolle des Verblichenen ein neues Testament, in dem er sich selbst reichlich beschenkt. Meisterhaft, wie Misha Kiria hier als eine Art erfolgreicher Falstaff das Geschehen dominiert und die vokalen Linien auch szenisch legitimiert.

Asmik Grigorian nimmt in "Gianni Schicchi" eher eine kleine schüchterne Rolle ein.
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Grigorian nimmt hier eher eine kleine schüchterne Rolle ein. Den Haupthit "O mio babbino caro" gibt sie als Lauretta solide, ohne die Kantilenen großzügig auszukosten. Abseits der glanzvollen auch zarten Höhen war da nicht viel Strahlkraft, es dominierte irgendwie das Gefühl, sie wolle die Arie eher schnell hinter sich bringen. Da genoss man eher die Verzweiflungsekstasen der enterbten Verwandten, die echte Tränen erst in jenem Augenblick vergießen können, wenn sie von Schicchis makabrem Plan zur Rückholung des Erbes erfahren. Tolles Ensemble!

Grigorians Stärken werden dann auch in der Mitte des "Trittico" deutlicher präsent: Als Giorgetta steht sie in "Il tabarro" vor den Trümmern ihrer Existenz und zwischen ihrem Ehemann — Kapitän Michele— und dessen Arbeiter Luigi, mit dem sie aus der Trostlosigkeit der Ehe zu entfliehen sucht.

Über dem Ehepaar schwebt wie eine dunkle Wolke natürlich auch die Tatsache, dass ihr Kind gestorben ist. Es wird nicht der einzige Tote bleiben – in dieser Pariser Hafengegend, die Loy mit Bühnenbildner Etienne Pluss sehr stilisiert als eine Art Wohnzimmer mit direkter Anbindung an einen Lastkahn darstellt.

Der Gifttrunk

Michele (Roman Burdenko) tötet Liebhaber Luigi (Joshua Guerrero), Grigorian ergibt sich als Giorgetta entsetzt der Resignation, um später im Nonnengewand als Schwester Angelica einen Gifttrunk zu sich zu nehmen. Loy, der an diesem Abend unprätentiös genau inszeniert hat, bleibt sich auch am Schluss treu: Er lässt unspektakulär ein Kind auf die Bühne in den Schoss der Tragödin sinken, ohne dass sich weihrauchvernebelte Verklärung einstellt.

Beeindruckend, wie die Wiener Philharmoniker mit Dirigent Franz Welser-Möst hier – ohne grell aufzutrumpfen – beim Nonnendrama klangvoll einen spannungsreichen Schwebezustand der gefühlvollen Melancholie und Poesie aufrechterhalten. Er trägt und prägt das Geschehen und alles bleibt auch im dynamisch ausufernden Moment kontrolliert und ausgewogen. Hier kenn jemand den Festspielraum.

Ähnlich bei "Il tabarro": Da modellierte man die Atmosphäre ähnlich diskret und blieb doch präsent, um bei "Gianni Schcicchi" auch den ironischen Furor der Musik klar und pointiert darzustellen, der die Turbulenzen auf der Bühne befeuerte, ohne sie zuzudröhnen.

Jubel für alle, aber ein besonderer natürlich für Grigorian, die man sich grundsätzlich lieber in eindeutig dramatischen Rollen vorstellen möchte. Als Salome, mit dem abgetrennten Kopf des Propheten zwischen den Händen, bleibt sie ja unerreicht. (Ljubisa Tosic, 30.7.2022)