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Puccinis „Il trittico“ in Salzburg: Der Tod und die Frau

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Asmik Grigorian als Schwester Angelica, links Karita Mattila als ihre Tante, die Fürstin.
Asmik Grigorian als Schwester Angelica, links Karita Mattila als ihre Tante, die Fürstin. © Monika Rittershaus, Salzburger Festspiele

Salzburger Festspiele: Asmik Grigorian bekommt große Auftritte in Puccinis „Il trittico“, mit dem Christof Loy nicht so viel anfangen kann wie erhofft.

Die Schmähungen als Kitschbold, denen Giacomo Puccini ausgesetzt ist, ermüden, sind aber weiterhin ohne Überzeugungskraft. Franz Welser-Möst und die Wiener Philharmoniker machen das bei den Salzburger Festspielen in ihrer luziden „Il trittico“-Lesart erneut deutlich, wobei gerade „Der Mantel“, „Il tabarro“, das klassischste Stück Oper im Dreier, am modernsten – modern bis ins Richard-Straussige – klingt: so dünnhäutig, dass die Äderchen des musikalischen Gerüsts durchleuchten und pochen, dazu geschärft und kompliziert, wie das Leben ist, dem Puccinis Opern relativ direkt ins Auge zu schauen wagen.

Erst recht die drei Einakter. Die völlig unterschiedlichen Grundfarben hindern sie nicht daran, jeweils intensive Momente aus dem menschlichen Verhaltens- und Reaktionsreservoir hyperrealistisch abzubilden: die Gier, die verdammte Enttäuschung, die süße Hoffnung, die kriminelle Energie; dann die ohnmächtigen Sehnsüchte nach einem anderen Leben; schließlich die Demut, die nicht überstrapaziert werden darf. Immer präsent ist der Tod, die Liebe muss dahinter zurückstehen.

„Gianni Schicchi“, „Il tabarro“, „Suor Angelica“, das ist die Reihenfolge, für die sich Regisseur Christof Loy entschieden hat: die Komödie zu Beginn, nicht als Rausschmeißer. Loy hat zudem erkannt, dass die voneinander ganz unabhängigen Handlungen als Lebensstationen einer Frau verstanden werden können: Lauretta, die im Fahrwasser ihres frechen Vaters Gianni den Mann bekommt, den sie liebt; Giorgetta, die an ihrem kärglichen Alltag und dem Verlust eines Kindes so leidet, dass sie mit einem Tenor anbandelt, den ihr Mann ermorden wird; Angelica, die nach der Geburt eines unehelichen Sohnes von ihrer Familie ins Kloster gesperrt worden ist, dort mit Noblesse büßt, sich aber umbringt, als sie erfährt, dass das Kind tot ist.

Natürlich ist es gewagt, hier Verbindungen herzustellen, aber auch reizvoll, und die Dreifachbesetzung mit Asmik Grigorian, die in Salzburg 2018 als „Salome“ zum Star wurde, müsste behilflich sein und ist es auch. Dennoch erwächst daraus nicht die erhoffte packende Gesamtdramaturgie. Im Gegenteil zeigt sich im Großen Festspielhaus die Seltenheit eines trotz glänzender Ensemble-Bewegungen, trotz einer überhaupt attraktiven Oberfläche teils konventionellen, teils sogar leicht verstolperten Loy-Abends. Dass Grigorian alles, was sie tut, mit umwerfender Energie tut, ist davon unberührt.

Termine

Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus: 5., 9., 13., 18., 21. August. Am 13. August, 18.30 Uhr, live auf Arte. Concert. www.salzburgerfestspiele.at

An der Oper Frankfurt ist Asmik Grigorian zum Spielzeitbeginn am 7. September für einem Liederabend zu Gast, im Saisonverlauf singt sie erneut die Manon Lescaut, dazu die Titelheldin in Tschaikowskis „Die Zauberin“.

Die Verknüpfung der drei Teile durch die eindrucksvollen, spröden Bühnenbilder von Étienne Pluss ist dekorativer Natur: drei Innenräume, taupefarbener Anstrich für Wände wie für Interieur, das dadurch modellhaft wirkt, Barbara Drosihns Kostüme sind in mäßig historisierendem Opernnaturalismus gehalten. Im Zentrum zunächst das Totenbett in der Komödie (wenn der Tod schon fort ist, kann es offenbar noch lustig werden), dann das veritable, freilich auf dem Trockenen liegende Schiff Micheles und Giorgettas, schließlich ein internatshafter Klostersaal.

Von den Spaghetti essenden Trauernden an, die wie Hühner auf der Stange die Wand entlang sitzen, setzt Loy im „Gianni Schicchi“ auf einen sozusagen veredelten, stilisierten Witz. Dazu passt, dass Grigorian Laurettas „O mio babbino caro“ mit jenem für sie charakteristischen Mehrwert singt: Laurettas Suiziddrohung ist keine Floskel. Der Herr zur Linken wischt eine Träne fort, auch Gianni Schicchi gibt sofort nach. Dazu passt auch, dass Misha Kiria nicht als Erzkomödiant antritt, er ist schlitzohrig genug und stimmlich profund.

Mit schlankem lyrischen Tenor ist Dean Power der Mann, den Lauretta gewählt hat. Einen Einakter später ist der, auf den Giorgetta ein Auge wirft, ein anderes Kaliber: Joshua Guerrero bietet kontrollierten Schmelz allererster Güte. Indem Grigorian ihrerseits nun wirklich ins Dramatische gehen kann – was ihren großen Sopran abschattiert und fein angeraut klingen lässt – und Roman Burdenko ein mächtiger Affektmörder Michele ist, lässt sich hier ein bedeutendes italienisches Operndreieck hören.

Szenisch aber ein vertändelter Akt: Eine Tanztruppe belebt die Szene halbherzig, während alle Einakter ohnehin personalreich bis zur Verwirrung sind. Die neben dem Schiff abgestellte Sitzgarnitur ist ein recht theoretisches Bild der Heimatlosigkeit. Die konkrete Folge ist, dass Grigorian in emotionalsten Augenblicken auf dem Sofa lagert, auf das sie auch nach dem Leichenfund erschüttert zurücksinkt.

„Suor Angelica“ ist nicht nur ein großes musikalisches Finale, sondern auch die Geschichte einer Befreiung. Das Leben Angelicas im Kloster ist vermutlich erfreulicher als das Giorgettas auf dem Schiff, jedenfalls erscheint in den holden Nonnenkostümen alles sehr liebreizend – mehr pauschal liebreizend und typisiert als individuell, ein bisschen ungewöhnlich für Loy. Ambitioniert gestaltet er die Szene mit der knallharten Fürstin, Karita Mattila tritt als kalte Familienmanagerin auf. Angelicas Entsetzen über diese Kälte ist bei Grigorian eine solche Welle der Leidenschaft, dass Mattila sich ihr durch Flucht entziehen muss.

Dass Angelica auch durch Grigorians Energie vom engelsgleichen Opfer zur Handelnden wird, ist stark. Dass sie sich dafür kurz vor ihrem Suizid wieder in eine irdische junge Frau im kleinen Schwarzen und mit letzter Zigarette verwandelt, wirkt vordergründig. Schließlich wird ein kleiner Junge zu ihr geschickt. Ein Kind auf der Bühne ist in 80 Prozent der Fälle Kitsch.

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