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Kritik – "Die Walküre" in Bayreuth Bühnenunfall, Buhgewitter und ein unrunder Ring

Eine Schrecksekunde, ein Bühnenunfall und ein Einspringer, der bejubelt wird. Heftige Buhgewitter gab es auch. Die galten offenbar der Regie von Valentin Schwarz. Der erzählt die Handlung der "Walküre" weiter als Familiensaga im Netflix-Stil. Ein ereignisreicher Abend mit überragenden, traurigen und mittelmäßigen Momenten.

Szenenbilder Wagners "Die Walküre", Inszenierung Bayreuther Festspiele 2022, Regie: Valentin Schwarz | Bildquelle: © Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath

Bildquelle: © Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath

Premierenkritik zum Anhören

Als Wotan sich in seinen Designersessel flätzt, gefrustet vom Ehestreit, bricht plötzlich die Rückenlehne ab und kracht auf den Bühnenboden. Sänger Tomasz Konieczny kippt hinten über und liegt auf dem Rücken. Fast alle halten das für einen Gag. Schließlich streut Regisseur Valentin Schwarz gelegentlich ein bisschen Slapstick in seine Inszenierung. Viele im Publikum lachen. Aber das ist kein Spaß und erst recht nicht geplant, sondern ein veritabler Bühnenunfall. Konieczny lässt sich jedoch zunächst nichts anmerken. Nach einer Schrecksekunde steht er auf und singt den zweiten Akt tapfer zu Ende. Als dann der Pressesprecher der Festspiele kurz vor Beginn des letzten Akts vor den Vorhang tritt, ist klar, dass etwas passiert sein muss.

Bravouröser Einspringer nach Bühnenunfall in Bayreuth

Einspringer Michael Kupfer-Radecky, der bei den Bayreuther Festspielen eigentlich den Gunther singt, hat nicht nur die Gesangspartie des Wotan drauf, sondern kann auch szenisch mitspielen, weil er an Bühnenproben teilgenommen hat. Glück im Unglück: Kupfer-Radecky gelingt eine bravouröse Leistung. Zwar hat er nicht ganz so viel Volumen wie der verunfallte Tomasz Konieczny, aber dafür versteht man bei ihm jedes Wort. Ein echter Vorteil – und leider keineswegs selbstverständlich. In Bayreuth aber dank der besonders sängerfreundlichen Akustik eigentlich zu erwarten. Immerhin: Tomasz Konieczny geht es inzwischen wieder besser. Bei der Premiere von "Siegfried" wird er wieder wie geplant auf der Bühne stehen.

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Hier finden Sie die Premiere von der "Walküre" bei den Bayreuther Festspielen zum Anhören.

Walkürenritt in der Schönheitsklinik

Die Regie von Valentin Schwarz führt nahtlos weiter, was am Vorabend angelegt wurde: Familientrouble bei Wotans. Sieglinde ist, anders als im Textbuch, schon von Anfang an schwanger – es darf also gerätselt werden. Ist Hunding der Vater? Unwahrscheinlich, Sieglinde hasst ihren Mann. Hat sie schon vorher was mit ihrem Bruder gehabt? Auch falsch, Papa Wotan war's, wie sich im zweiten Akt rausstellt, als der seiner hochschwangeren Tochter unter den Rock greift.

Die familiären Tragödien prasseln nur so herein auf den Wotan-Clan: Offenbar hat Freia, die eigentlich nur im "Rheingold" vorkommt, Selbstmord verübt. Am Sarg wird theatralisch geheult und garstig gestritten. Alle Mythen- und Märchenelemente werden in eine leicht schrille Upperclass-Gegenwart versetzt: Schwert Nothung ist eine Pistole, und beim Flammenzauber wird von Wotan und – überraschenderweise – seiner Frau Fricka im Kerzenschein ein bisschen Rotwein verschüttet. Mehr Zauber ist nicht. Dafür absolvieren die Walküren ihren Ritt im Wartezimmer einer Schönheitsklinik. Offenbar hat sich ein erheblicher Teil der Damen des verzweigten Familienclans einer Nasenkorrektur oder einem Lifting unterzogen. In seiner Wut auf seine ungehorsame Tochter Brünnhilde reißt Wotan ihren frisch operierten Schwestern rüde den Verband vom Gesicht.

Wie war das "Rheingold" bei den Bayreuther Festspielen?

Lesen Sie hier die Kritik zum Vorabend des Bühnenfestspiels "Der Ring des Nibelungen".

Ein paar Mystery-Elemente gibt's auch in dieser Netflix-Serie. Immer wieder wird eine weiß leuchtende Pyramide herumgetragen, die schon im "Rheingold" schimmerte, offenbar ein Symbol der Macht. Übrigens ist auch die berühmte Louvre-Pyramide Teil von Wotans Luxus-Villa. Vermutlich eine Anspielung auf den populären Fantasy-Film "Der Da Vinci Code". Was bringt das alles? Manchmal schlicht Action, manchmal ein bisschen Rätselspaß. Seltener psychologisch interessante Momente, etwa wenn Figuren, die eigentlich abwesend sind, aber die Handlung bestimmen, auf der Bühne stehen. Und schließlich ist diese Inszenierung eine Aneinanderreihung von kleinen Anekdoten. Fricka rührt ihrem Schützling Hunding Zucker in den Kaffee, obwohl der gar keinen will. Oh, eine dominante Frau! Vieles ist nett, aber belanglos. Was diese ganze Saga jetzt aber eigentlich sagen soll und mit uns und den Weltproblemen zu tun hat, bleibt auch nach dem zweiten Teil eine offene Frage. Den "Ring" mal etwas stylisher erzählen – das kann's noch nicht gewesen sein. Zum Glück ist das hier ja eine Serie. Und jede ordentliche Netflix-Serie braucht offene Fragen als Cliffhanger – weißt du, wie das wird?

Worum geht es eigentlich bei der "Walküre"?

Schauen Sie hier den BR-KLASSIK-Crashkurs zur Oper.

Georg Zeppenfeld: Volltreffer ins Herz der Figur

Szenenbilder Wagners "Die Walküre", Inszenierung Bayreuther Festspiele 2022, Regie: Valentin Schwarz | Bildquelle: © Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath Tomasz Konieczny als Wotan, der bei der Premiere einen Bühnenunfall hat, Georg Zeppenfeld als Hunding und Christa Mayer als Fricka. | Bildquelle: © Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath Sängerisch wurde es jedenfalls besser. Toll war Lise Davidsen als Sieglinde mit umwerfender Wucht und hochemotionalen leisen Momenten. Ebenfalls heftig in der Wirkung, aber leider sehr viel weniger gezielt singt Iréne Theorin die Brünnhilde: Das war problematisch. Klaus Florian Vogt als Siegmund hat ein etwas raues Timbre bekommen, das seinem fast zu hellen Tenor ganz gut steht. Mehr Piano wünscht man sich. Einfach fantastisch singt Georg Zeppenfeld als Hunding. Böse, konzentriert, schwarz und präzise: ein Volltreffer ins Herz der Figur.

Dirigent Cornelius Meister hat gute Ideen

Dirigent Cornelius Meister gelingen immer wieder hochinspirierte Momente. Und er hat gute Ideen, die er aber offenbar nicht immer ganz klar rüberbringen kann. Bei Tempowechseln und Übergängen hakt's gelegentlich im Orchester. Auch klanglich fehlt die Verschmelzung, ein paar Intonationsproben hätten die Blechbläser noch gebraucht. Auch Meister ist ja ganz kurz vor der Premiere eingesprungen. Richtig rund ist dieser Ring noch nicht.

Sendung: "Allegro" am 2. August 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (18)

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Samstag, 06.August, 22:17 Uhr

Michael Czerny

Bayreuth Ring 2022

Mit Unterstützung von überwiegend mit Steuergeld „honorierten“ TheaterleiterInnen verwehren schwer narzisstisch gestörte, hirn- onanierende RegisseurInnen einer Generation nach der anderen das Recht, Bühnenwerke in Darstellungen kennenzulernen, die den Ideen genialer Autoren und Komponisten auch nur im Entferntesten gerecht werden.
Herr Schwarz kann in Interviews seine Ideen zwar durchaus überzeugend kommunizieren, aber seine Umsetzung ist nur die Fortsetzung des seit Jahrzehnten üblichen, ekelhaften, perversen, den Inhalt dramaturgisch und die DarstellerInnen optisch entstellenden sog. Regietheaters. Abgesehen von gelangweilten Feuilletonisten und einer zu vernachlässigenden Minderheit empfindet der überwiegende Teil des Publikums derartige Perversitäten als Zumutung.
Im Wissen, dass sie für die Bestellung o. g. TheaterleiterInnen und deren Geldverschwendung nicht zur Verantwortung gezogen werden, nehmen PolitikerInnen bei Premieren ihr Gesichtsbad.

Mittwoch, 03.August, 15:23 Uhr

Friedrich Werner

Musikalisch die..

...wunderbaren und edlen Leitmotive und dazu verfälscht Personen und Handlungen, die zu einer billigen Vorabendserie passen würden. Diesen Gegensatz kann nicht jeder aushalten. Entweder Augen zu oder auf bessere Zeiten hoffen! Wir jedenfalls werden Bayreuth erst einmal meiden, was sehr schade ist!

Mittwoch, 03.August, 12:33 Uhr

Leonore Lewing

Kein Ring...

...für Menschen, die Ästhetik und Ernsthaftigkeit schätzen. Wie kann man nur dieses grandiose Weltendrama so banalisieren?

Mittwoch, 03.August, 09:50 Uhr

Dr.Roithner Caecila; Wien

Walküre Kritik

Volle Zustimmung zu dieser treffenden
Analyse. Ärgerlich ist auch , dass es noch immer keine eingeblendeten Texte gibt.
Caecilia Roithner, A 1010 Wien

Mittwoch, 03.August, 07:59 Uhr

Po Sung

I was there

I saw the accidence. Actually I thought it was an accidence because there were a bit unease body language from everyone on stage. Luckily Wotan was not singing at that exact moment so he got time to stand up and continue. (Btw, Zeppenfeld not only sang well, but also had good acting sense: he helped to carry the broken chair back out later, which convinced many it‘s part of performance)

I don‘t understand why people boo. It‘s way less offensive and puzzling than previous ones, almost too mild, too obvious. Like a London Royal Opera production. The three singers of act 1 were really outstanding, deserved all praises.

Mittwoch, 03.August, 00:28 Uhr

Luchino Visconti

Fantastischer Stoff, banale Alltäglichkeit

Wenn schon so oft von Netflix die Rede ist: Ich vermute, Netflix hätte eher aus den spekatulären Originalideen von Wagner eine Serie gemacht als aus der vergleichsweise biederen Krimihandlung des Ring-Regisseurs ...
Da hat man schon grandiose Filmmusik. Und dazu passt wirklich nur ein mythisches Spektakel, kein vergleichsweise bodenständiges Familiendrama (dazu würde man sich eher Kammermusik von Schubert vorstellen).
Unverständlich bleibt: Warum werden einzigartige Teile des Rings ignoriert (die Handlung spielt nun einmal unter Göttern und nicht unter reichen Menschen), aber mittelmäßige Ideen hinzugefügt?
Da gehen die - gerade auch jungen - Menschen scharenweise ins Kino, um sich Harry Potter, den Herrn der Ringe, Star Wars, Dune oder Marvel- und DC-Comicverfilmungen anzusehen - und in Bayreuth, wo man einen fantastischen Stoff mit Helden, Monstern und Intrigen hat, wird die Geschichte auf banale Alltäglichkeit verkleinert? Den Sinn dieses Strategie verstehe ich einfach nicht.

Dienstag, 02.August, 23:56 Uhr

Heller

Ring in bayreuth

Wozu sich über die Inszenierung aufregen.
Künstlerischer Maßstab sind eben nun mal DSDS,ESC und unsägliche Serien ,Rieu zählt bereits zur Hochkultur.Wagners Musik als Soundtrack für Klamauk,billige Gags ,Ekelhaftes.
Neue Sicht auf das Werk?Das war mal bei Chereau,Kupfer U.a.Der Regisseur hat schon als Kind die Rheingoldpartitur gelesen,leider !

Dienstag, 02.August, 21:13 Uhr

Stephan Tamino von Pangsy

Gelungener Ring

Die hier meist ohne kulturellen Sachverstand verfassten Kommentare sind Krude und Simpel!
Mir gefällt der neue Ring sehr gut! Einmal einen anderen Blick auf das Werk zu ermöglichen scheint die meisten Verfasser hier zu überfordern!
Wir hatten bis jetzt eine sehr gute Zeit in Bayreuth!

Dienstag, 02.August, 16:06 Uhr

Florian Stiller

So geht modernes Theater

So geht modernes Theater und nicht anders.
Man fragt sich ständig - „was soll das?“ und genau das macht es interessant. Mit dieser „klaren“ Inszenierung die offensichtliches zeigt, nicht etwa wie die rotierende Scheibe im neuen „Tristan“, weis man hier sehr gut an was man ist und weis es trotzdem nicht.
Die Spannung wird bis zum Grand Final in der „Götterdämmerung“ aufgebaut und alles wird sich sinnhaft auflösen. Somit werden auch die vielen Querverweise und Rätsel Sinn ergeben. Eben wie in einer Netfilx Miniserie… „Wagnarian binging“

Wer diesen Ring doof findet war wohl auch gegen den letzten Tannhäuser, Lohengrin oder Meistersinger.

Dienstag, 02.August, 12:50 Uhr

Josep Mallol

Bis wann?

bis wann werden sie zulassen, dass diese Dinge begangen werden?. Wenn sie die Handlung ändern, sollten sie dann nicht auch die Musik ändern?
Natürlich! dann wäre es nicht Wagner!14

Dienstag, 02.August, 12:01 Uhr

Veronika Vogel

Traurig

Für Wagnerkenner ist diese Inszenierung einfach nur traurig, aber vielleicht zielt man mit den bunten Bildern, viel Action und dem Vulgären auf ein anderes Publikum. Ob die Rechnung aufgeht?

Dienstag, 02.August, 11:17 Uhr

Klaus D. Mueller

Bayreuth /Valentin Schwarz

Der leider inzwischen (oder immer noch) übliche Schwachfug à la Regietheater.
Die können's einfach nicht.

"herrschende Ahnungslosigkeit und Kunstferne bei gleichzeitigem und fortschreitendem Opportunismus als der räudigen Überanpassung an allerlei trübseligen Zeitgeist"
(Henscheids Urteil, bereits vor über einem Jahrzehnt).

Dienstag, 02.August, 10:59 Uhr

Tom Barfuß

Diese Totalschrott am besten schnellstens abetzen!

Absoluter Tiefstpunkt der Festspielgeschichte, schlimmer noch als seinerzeit der Biogas-TANNHÄUSER!!! Hat Bayreuth denn gar kein Niveau mehr??
Wenn es noch einen Rest an Seriosität gibt, sollte dieser Bockmist nach diesen Festspielen sofort ABGESETZT werden. Ein großer finanzieller Verlust dürfte es bei dieser schäbigen, unglaublich scheußlichen Ausstattung nicht sein, wenn man das Ganze in den Müll wirft, wo es hingehört.

Dienstag, 02.August, 10:38 Uhr

Bertram Eljon Holubek

Buh!

Es fehlte im Artikel ein Hinweis auf die hervorragenden, aber deutlich zu wenigen Buhs am Schluss für Valentins Verhunzung. Die Aufführung war immerhin musikalisch schön und gelungen. Allein am Radio konnte man sich gut vorstellen wie sie hätte aussehen können. Doch die Dänin Iréne Theorin war leider keine neue Hildegard Behrens, und die Rolle der Brünnhilde gehört zu den schwersten. Nach dem Bühnenunfall, der quasi die Strafe des Himmels war für den Bühnenklamauk, konnte sie den höchst schwierigen Text in schnellen Passagen nur noch andeutungsweise reproduzieren. Wer den nicht kannte verstand nichts. Hier hätte man sich gewünscht dass der Dirigent einfühlsamer reagiert und das Tempo raus nimmt, anstatt in gewohnter Manier am Schluss nach "Manta Manta" Art immer mehr Tempo zu machen. Besonders gut gefiel mir Fricka (Christa Meyer). In schwierigen Passagen und unter Stress schaffen es deutsche Sänger%innen doch leichter den deutschen Text gut zu reproduzieren als Ausländer.

Dienstag, 02.August, 10:25 Uhr

Josep Mallol

Es ist etwas ganz anderes

Das ist nicht das Argument, das Wagner über den Ring des Nibelungen geschrieben hat.
Sehen sie nicht, dass Gesang und Musik von der Szene beeinflusst werden können?

Dienstag, 02.August, 10:24 Uhr

Eva Eller

Bayreuth

Das Gesetz der Verschlechterung wirkt.
Wie überall sieht man auch hier nur vulgären Trash und das im Gegensatz zu der überirdisch edlen Musik. Schrecklich!

Dienstag, 02.August, 09:19 Uhr

Herby Neubacher

Schrott

Der neueste Regie Schrott aus Bayreuth. Nach Grabschaffäre jetzt Kinderhandel. Kaputter geht nicht.

Dienstag, 02.August, 03:29 Uhr

Michael Klement

Verwechslung

Kann schon passieren, dass man Hunding mit Hagen verwechselt - wenn man eine so wirre WALKÜRE aufgetischt bekommt ...

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