Diesmal entfesselt Barrie Kosky in Salzburg kein Operettenspektakel, sondern stellt Leoš Janáčeks „Káťa Kabanová“ auf die Bühne der Felsenreitschule. Mit einer jungen Frau, die an der Enge der Verhältnisse und ihrer Ehe fast erstickt. Sie wird von einem Musterexemplar von Schwiegermutter-Drachen drangsaliert und erniedrigt, gegen die sich ihr schwächlicher Ehemann nicht einmal ansatzweise zur Wehr zu setzen vermag. Káťa lässt sich in ihrer Verzweiflung und Lebens-Sehnsucht auf eine Liebschaft ein, hat aber die Verhältnisse und ihre Stellung darin so verinnerlicht, dass sie ihre „Sünde“ öffentlich beichtet und so die Ächtung in Gang setzt, die sie dann in den Selbstmord treibt. Sie geht in die Wolga – hier öffnet sie eine Bodenluke und gleitet hinein. Man findet am Ende nur noch ihr pitschnasses Kleid. Aber das ist auch schon der konkreteste Bezug zu einer realistischen Welt. Für Káťa besteht die Welt aus Menschen, die sie – abgesehen von ein paar Ausnahmen – nicht als junge Frau sehen. Die sich wie eine Wand ihr gegenüber verweigern und mit dem Rücken zu ihr nur Zurückweisung demonstrieren. Die konkrete Verortung der Geschichte lässt Kosky beiseite.

Es gibt einen Vorhang. Vor den (optisch) zugemauerten Arkaden stehen unzählige menschliche Puppen mit dem Gesicht zum Felsen. Sie bilden einen variablen Raum, den eine Lichtbatterie von oben zusätzlich imaginiert. Aus dieser Masse Mensch lösen sich die Akteure, haben die gesamte Bühnenbreite für sich. Ein großer Raum, der dennoch beklemmend eng wirkt. Das ist eines der Kunststücke von Rufus Didwiszus (Bühne). Die präzise Personenregie ist eins des Regisseurs. Davon profitiert allen voran die phänomenale Corinne Winters als Káťa. Eine junge, hübsche Frau, doch eingesperrt, ein leichtfüßiger Wirbelwind mit beeindruckender vokaler Ausdruckskraft. Sie ist das Glanzlicht eines in jeder Hinsicht durchweg exzellenten Ensembles: von Evelyn Herlitzius als unbarmherziger Schwiegermutter Kabanicha über Jens Larsen als ihr „Hündchen“ Dikoj, David Butt Philip als Liebhaber Boris, Jarmila Balážovás Káťa-Freundin Varvara und Jaroslav Březinas mutterhörigem Ehemann Tichon – alle fabelhaft.

Im Graben am Pult der Wiener Philharmoniker liefert Jakub Hrůša einen so atmosphärischen wie dramatisch-raunenden Janáček-Sound – immer mit, nie gegen die Sänger. Einhelliger Beifall.

Dr. Joachim Lange

„Káťa Kabanová“ (1921) // Oper von Leoš Janáček

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