Frauenpower allenthalben in der überarbeiteten 2018er-Inszenierung der Zauberflöte bei den diesjährigen Salzburger Festspielen. Nicht nur, weil zwei zentrale Figuren der Zauberflöte, Pamina und die Königin der Nacht, nun einmal Frauen sind, sondern besonders deshalb, weil es Regula Mühlemann als Pamina, die Dirigentin Joana Mallwitz, die Regisseurin Lydia Steier und nicht zuletzt auch die Drei Damen Ilse Ehrens, Sophie Rennert und Noa Beinart waren, die in dieser Produktion außergewöhnliche Akzente setzten.

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Ilse Eerens, Sophie Rennert, Noa Beinart, Wiener Sängerknaben, Mauro Peter, Roland Koch
© SF | Sandra Then

Perfekt vorbereitet und stimmlich wie darstellerisch auf den Punkt erquickten die Drei Damen ein ums andere Mal das kritische Festspielpublikum mit ihren feinfühligen und wohl akzentuierten Auftritten. Neben ihnen verdiente an diesem Abend auch die Verkörperung der Pamina durch die Schweizer Sopranistin Regula Mühlemann das Attribut „perfekt“. Die hochdekorierte Sängerin zeigte sich auf dem Höhepunkt ihrer stimmlichen Qualität. Frische und flexible Phrasierung mit wohldosiertem Vibrato und einem edlen Timbre ergaben die optimale Mischung für die ehrwürdige Prinzessin, die von Liebe, Hoffnung und Verzweiflung schier zerrissen wird. Herzergreifend und eben perfekt gelang die Szene, in der Pamina sich das Leben nehmen will und die Drei Knaben sie davon abzubringen versuchen. Die Knaben, drei Solisten der Wiener Sängerknaben, sangen glockenrein und fügten sich geschmeidig in das differenzierte dramaturgische und choreographische Konzept ein. Das intim-stille Zwiegespräch zwischen den Drei Knaben und Pamina war der Höhepunkt des Abend.

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Regula Mühlemann (Pamina) und Tareq Nazmi
© SF | Sandra Then

Brenda Rae als Königin der Nacht fiel an diesem Abend etwas zurück hinter der Leistung ihrer Kolleginnen. Mehr schneidige Stimmgewalt und dramatisch-wuchtige Gesten hätten der pompösen Inszenierung ihrer Figur eher entsprochen. Gerade weil Kostüme und die märchenhafte Inszenierung den Raum für eine gewaltige Königin der Nacht als Antipodin des ehrfurchtgebietenden Herrschers Sarastro geschaffen hätte. Fabelhaft, wie Lydia Steier das Tischtuch in der Eingangsszene zum gewaltigen Kleid der Königin werden lässt, als Reminiszenz an den berühmten Bühnenbildentwurf von Karl Friedrich Schinkel.

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Brenda Rae (Königin der Nacht)
© SF | Sandra Then

Überhaupt ist die Inszenierung geprägt von vielschichtigen und nachgerade überladenen Erzählebenen, Bezügen und Verweisen auf Kunst, Literatur und Geschichte. Steier bedient sich aller Möglichkeiten der Drehbühne im Haus für Mozart, um zwei Ebenen innerhalb des Bühnenbilds gegeneinander zu rotieren, damit neue Türen zu öffnen und Bezüge herzustellen, bis hin zu Projektionen auf die Oberfläche des Bühnenaufbaus. In der Abschlussszene von Pamina und Tamino sieht man auf der Oberfläche einer an M.C. Escher gemahnenden  mit von ins Nichts führenden Treppen durchkreuzten Fassade schwarz-weiße Filmaufnahmen grässlicher Kriegsszenen des Ersten Weltkriegs aufflackern. Dass die Regisseurin ihre Inszenierung in genau diese Zeit, also kurz vor dem Ersten Weltkrieg in Wien, verortet wissen will, geht angesichts der überwältigenden Alice im Wunderland-haften Regie-Ideen mit überlebensgroßen bunten Teddybären und schrillen Comic-Figuren leider unter. Ganz im Gegenteil zu dem Geniestreich, mit dem Schauspieler Roland Koch die Figur eines Großvaters einzuführen, der als Erzähler nicht nur den inhaltlichen Rahmen vorgibt, sondern auch wohldosiert und unterhaltsam mit den Opernfiguren in kurze Dialoge tritt.

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Wiener Sängerknaben (Drei Knaben) und Mauro Peter (Tamino)
© SF | Sandra Then

Die männlichen Darsteller konnten jedoch bis auf den stimmlich und mimisch packenden Michael Nagl als Papageno nicht überzeugen. Freilich sang Mauro Peter als Tamino aufgrund einer Erkältung außer Konkurrenz, doch auch Tareq Nazmi stellte den Sarastro zwar als imposante Herrscherfigur dar, sein Bass jedoch war meist zu metallen-fahrig, so dass die Obertöne den Grundton teils übertünchten und das Klangvolumen zu flach geriet.

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Die Zauberflöte
© SF | Sandra Then

Über jede Kritik erhaben waren die Wiener Philharmoniker unter Joana Mallwitz. Die Hildesheimer Dirigentin wurde 2019 völlig zurecht bei der Kritikerumfrage der Zeitschrift Opernwelt zur Dirigentin des Jahres gewählt und zählt spätestens seit ihrem Salzburger Festspieldebüt mit Così fan tutte im Jahr 2020 zu den herausragendsten Persönlichkeiten ihres Fachs. In der 100-jährigen Festspielgeschichte war sie die erste Frau, der eine Neuproduktion und eine gesamte Aufführungsserie anvertraut wurde. Wie sie die Philharmoniker zu den höchsten Höhen ihres legendären samtenen und fein phrasierten und akzentuierten Ausnahmeklanges anspornte, mit eleganten und unfassbar ästhetischen Bewegungen, das wird den beschwingten Zuhörern dieses lauen Opernabends noch lange in Erinnerung bleiben.

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