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STUTTGART/ Staatsoper: Performance „LIEBESTOD“ – Strom der unendlichen Gefühle

24.09.2022 | Konzert/Liederabende

Performance „Liebestod“ am 23.9.2022 im Württembergischen Kunstverein – Staatsoper/STUTTGART

Strom der unendlichen Gefühle

Extreme Emotionen stehen im Mittelpunkt von „Liebestod“ als Videoinstallation von Johannes Müller und Philine Rinnert. Wie Musik auf Körper und Geist einwirkt,  wird hier in Zusammenarbeit mit der Universität von Gent eindringlich untersucht. Die Sänger und Performer Elisa Soster, Hauke Heumann und Shlomi Moto Wagner präsentieren dabei die Ergebnisse ihrer opernarchäologischen Forschungsreise. Interviews mit Waltraud Meier (Sopran), Jacqueline Van Quaille (Sopran), Werner Hintze (Dramaturg) oder Daan Janssens und Maarten Buyl (Komponisten) bereichern diese präzisen Beobachtungen. 2020 entwickelten Johannes Müller und Philine Rinnert die dreiteilige Vorstellungsreihe „Orpheus Institut“ an der Staatsoper Stuttgart.

„Liebestod“ nach Richard Wagners Oper „Tristan und Isolde“ ist nun der vierte Teil dieser Reihe. Die menschliche Stimme steht dabei im Zentrum. Isoldes Liebestod wird zu Streicherbegleitung auch gesungen. Es kommt zu einer tiefgreifenden Analyse, wie sich die Stimme auf Körper und Geist der Zuhörenden auswirkt. Nach intensiven Vorbereitungen folgte zusammen mit dem Sounddesigner Ruben Nachtergaele die spannende Entwicklungsphase. So erfährt man, dass Richard Wagner nur mittelmäßige Aufführungen von „Tristan und Isolde“ wollte. Vorzügliche Interpretationen würden die Menschen  verrückt machen, meinte er. Rita Kaufmann erklärt einfühlsam am Klavier nicht nur den „Tristan“-Akkord – und dem Publikum wird auch erzählt, dass Ludwig Schnorr von Carolsfeld (der Titel-Sänger der Uraufführung) wohl aufgrund einer starken Erkältung vierzehn Tage nach der Premiere starb. Das lässt niemanden kalt, zumal man bei dieser interessanten Performance viel vom Seelenleben Richard Wagners erfährt. Bei der Uraufführung im Jahre 1865 in München soll Wagner gelacht und geweint haben. Für Johannes Müller und Philine Rinnert hat sich Wagners „Liebestod“ zwischen Leuchtstäben und Plattenspielern als besonders faszinierend erwiesen. Und die Darsteller schlüpfen teilweise auch in historische Kostüme. Das Hörerlebnis könne hier nicht konkret definiert werden, jeder höre für sich  jeweils auf eigene Weise: „Und genau das verbindet uns“. So steht Isoldes finaler Monolog in jedem Fall im Zentrum des Geschehens. Die sich ständig erweiternden Transpositionen führen zur konsequenten musikalischen Auflösung.

Das Regieteam versucht, das Publikum eine ähnliche musikalische Entwicklung hören zu lassen. Das Streichquintett mit Evgeny Popov, Amelie Wünsche-Revelle (Violine), Robin Porta (Viola), Jan Pas (Cello) und Michael Sistek (Kontrabass) und die Darsteller bringen diesen Monolog am Schluss auf intime und dennoch elektrisierende Weise zur Aufführung. Die Gehörgänge werden  hier auch graphisch genau durchsucht. Was geschieht nach dem „Liebestod“ eigentlich akustisch? Diese spannende Frage findet in verschiedenen visuellen Variationen ihre Entsprechung. Um das akustische Element wirkungsvoll umzusetzen,  verwendet das Team „field recordings“ (Dramaturgie: Koen Bollen, Piet De Volder). Das Rauschen des Meeres und des Windes bis hin zum Sturm oder Strudel führt dabei zu verdichteten Eindrücken. Töne und Worte werden so zu Lebenserinnerungen. Isoldes Traumvision entfaltet sich über Tristans Leiche. Die sterbende Isolde erfährt dabei die seligste Erfüllung des glühenden Sehnens. Diese Ekstasen der Sehnsucht erwähnt auch Marc Leman (Professor für systematische Musikwissenschaft). Die Höhepunkte werden nach und nach in den Strom der „unendlichen Melodie“ eingesogen. 

Alexander Walther

 

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