Wagners „Ring“ in Berlin :
Teetrinken mit Erda

Von Clemens Haustein
Lesezeit: 4 Min.
Stresstest unter erschwerten Bedingungen: Was Regie und Ensemble auf die Beine gestellt haben, hat keine Buhrufe verdient.
Ironie und Allzumenschliches: An der Berliner Staatsoper geht Dmitri Tcherniakovs starke Neuinszenierung von Wagners „Ring“ zu Ende. Christian Thielemann wird gefeiert.

Einen solchen Buh-Sturm hat dieser neue „Ring des Nibelungen“ nicht verdient. Gnadenlos bricht er herein, als in der Berliner Staatsoper das Regie-Team auf die Bühne kommt. Da hat sich über vier Abende hinweg eine Enttäuschung und Wut angestaut, die sich nun Luft machen muss. Enttäuschung aber worüber? Dmitri Tcherniakov hat eine Regieidee geliefert, die alle vier Teile des „Rings“ trägt: jene eines Menschenexperimentes, das von einem zynischen, später bereuenden Wotan in Gang gesetzt wurde. Eine Idee, die auch deshalb so stark ist, weil sie dem Manipulativen Rechnung trägt, das dieses Großwerk Richard Wagners als Motiv durchzieht. Nicht nur Wotan macht hier seine Experimente, um die Macht zu retten, sondern ebenso Mime, der Siegfried für sich einspannen möchte, um den Ring zu erlangen, oder Hagen, der im großen Manipulationsmanöver der „Götterdämmerung“ sich Siegfried dienstbar macht. Wotan ist nur der vorderhand Hochrangigste in der verlogenen, unehrlichen Gesellschaft, die im „Ring“ aneinander herumexperimentiert.

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