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„Lucrezia Borgia“ an der Bayerischen Staatsoper: Geisterbeschwörung ohne Geist

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Angela Meade
Angela Meade ist die neue Titelheldin der Donizetti-Oper. © Wilfried Hösl

Ein Jahr Trauerzeit hat sich das Haus gestattet. Nun zeigt die Bayerische Staatsoper wieder „Lucrezia Borgia“, die einst für Edita Gruberova inszeniert wurde. Angela Meade ist eine total anders gepolte Titelheldin.

So sehr man Augen und Ohren verschließt: Natürlich bleibt sie präsent. 2009 brachte die Bayerische Staatsoper Donizettis „Lucrezia Borgia“ heraus, maßangefertigt für Edita Gruberova von ihrem Lieblingsregisseur Christof Loy. Fast genau ein Jahr nach dem Tod der auf ewig unvergessenen Assoluta beendet das Haus nun die Trauerzeit mit einer Wiederaufnahme. Eine Geisterbeschwörung ohne Geist – und ein Risiko, ganz klar. Das aber minimiert wird, wenn als neue Titelheldin eine total anders gepolte Sängerin auf der Bühne steht.

Angela Meade, US-Sopranistin mit festem Standbein an der New Yorker Met, ist keine extreme Feinzeichnerin. Für die mordende Borgia, der Donizetti und erst recht Loy Verständnis entgegenbringen mit zartbitteren, melancholischen, liebenden Facetten, führt Angela Meade einen echten dramatischen Koloratursopran ins Feld. Das Timbre ist breit und gehaltvoll, die Stimme durchschlagskräftig und trotzdem agil, auch die tückischen Tiefen der Partie sind präsent.

Erwin Schrott bräuchte eine Regie-Bremse

Was aber fehlt, dies ist das Los jeder Wiederaufnahme einer derart minutiösen Regie: das so vielschichtige, vielsagende bis irritierend ausinszenierte Verhältnis zu Sohn Gennaro – der seine Mutter erst am Ende erkennt. Pavol Breslik lässt seinen Tenor wie bei der Premiere (unter Druck) lodern, einige seiner Spielangebote bleiben unbeantwortet. Loys radikale Leere, die in puristischer, schmuckloser Ausstattung seinerzeit Charaktere überscharf und doppelbödig profilierte, wird kaum mehr gefüllt. Und manch einer hätte auch eine Regie-Bremse vertragen: Erwin Schrott als Alfonso hat zwar begriffen, dass der Borgia-Gatte von Loy als selbstbesoffener Gockel gesehen wird. Doch Schrott überzeichnet das, auch klanglich mit einem Bassbariton im Brunft-Röhr-Modus. Bis zur Zweitvorstellung sollte ihm jemand beibringen, dass im Nationaltheater nicht 2000 Schwerhörige sitzen.

Ganz anders agiert da Teresa Iervolino als feinstimmiger, stilbewusster Orsini. In den aufgekratzt gespielten Nebenrollen hat sich erstaunlich viel von der Ur-Inszenierung erhalten. Schon 2009 in der Premiere war das Dirigat ein Problem, damals stand Bertrand de Billy am Pult. Nachfolger Antonio Fogliani merkt man an, dass alles nicht überprobt ist. Immerhin ist zu spüren, dass hier jemand Belcanto ohne Klischees gestalten möchte. Vieles muss sich aber noch zurechtruckeln, aus dem Graben dringt manches wie vom Blatt gespielt. Dafür gibt es ja Folge-Aufführungen.

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