Oper „Katia Kabanova“ in Genf :
Diese Frau ist nicht bloß ein Opfer!

Von Lotte Thaler
Lesezeit: 4 Min.
In Not: Corinne Winters als Katia.
Leoš Janáčeks Oper „Katia Kabanova“ erlebt in Genf eine rundum überzeugende Aktualisierung durch die Regie von Tatjana Gürbaca.

Das hat die Oper dem Roman voraus: In nur neunzig Minuten kann sie von Liebessehnsucht, Ehebruch, Ekstase und Freitod erzählen, während die einschlägigen Romane von Leo Tolstoi oder Gustave Flaubert dafür viele Stunden Lesezeit in Anspruch nehmen.

Die Vorlage für die Oper „Katia Kabanova“ ist jedoch kein Roman, sondern das Schauspiel „Das Gewitter“ von Alexander Ostrowski, das der Komponist Leoš Janáček selbst ins Libretto umarbeitete. Wer wüsste besser Bescheid, was in Frauen vorgeht, als der mährische Feminist, der im wirklichen Leben ein Unsympath war? Die Regisseurin Tatjana Gürbaca teilt jedenfalls nicht nur Janáčeks Seeleneinsicht, sondern treibt auch seine Dramaturgie der Konzentration weiter.

Welches erhellende Kammerspiel daraus hervorgegangen ist, lässt sich derzeit am Opernhaus in Genf erleben, auf einer abstrakten, zentralperspektivischen Bühneneinrichtung von Henrik Ahr, die durch die Lichtgestaltung von Stefan Bollinger jeweils lokalisierbar wird. Und zentral ist die Perspektive auch in der Personenregie auf den brodelnden Gefühlsvulkan Katia gerichtet, den die mädchenhafte Corinne Winters nach ihrem Salzburger Debüt in dieser Rolle in Genf übernommen hat: eine stimmliche und darstellerische Anverwandlung, von der Janáček geträumt haben dürfte.

Kaum ist sie auf der Bühne, beherrscht sie mit ihrer Ausstrahlung alles um sich herum, inklusive Publikum. Mit Ostrowskis Gesellschaftskritik hält sich Gürbaca nicht auf, die hatte schon Janáček selbst gegenüber der Vorlage reduziert.

Ohne Abo weiterlesen
Dies ist kein Abo. Ihre Registrierung ist komplett kostenlos, ohne versteckte Kosten.
Oder 3 Monate für 1 € pro Monat Zugang zu allen FAZ+ Beiträgen erhalten und immer aktuell informiert bleiben.