Lortzing in Leipzig : Die Seele macht die Menschen nicht besser
Als man an den Kartentischen der Familien, mit Kindern und Tanten, noch „Opernquartett“ spielte, zu der Zeit also, die vor etwa vierzig Jahren zu Ende ging, gehörte Albert Lortzing mit „Zar und Zimmermann“ zum Kanon einer Geselligkeit, die Jux und Bildung in einen konfliktfreien Dialog zu bringen verstand. Worüber man beim Spiel lachte, dem hörte man beim Radio-Wunschkonzert mit Rührung zu. Menschen, die im Zweiten Weltkrieg die halbe oder ganze Familie verloren hatten, fanden im Lied des Knappen Veit aus Lortzings Oper „Undine“ künstlerische Bergung ihrer eigenen Erfahrung: „Vater, Mutter, Schwestern, Brüder hab’ ich auf der Welt nicht mehr. Kehrt’ ich auch zur Heimat wieder, fänd’ ich alles öd und leer“. Lortzing hatte für mehr als ein Jahrhundert das Erfolgsmodell eines partizipativen Musiktheaters geschaffen, das auch dem weinseligen Philister – er begegnet uns in der „Undine“ in Gestalt des Knappen Veit wie des Kellermeisters Hans – oder dem wohltemperierten Erwerbsbürger Zugang zur Kunst gewährte, ohne sie aus der Genieperspektive als dumm, beschränkt und mittelmäßig zu denunzieren.