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Detiège, Mayer, Stacey, Heinrich, Spinetti, Birkenheier, Bakker, Chor. Foto: Jörg Landsberg.
Detiège, Mayer, Stacey, Heinrich, Spinetti, Birkenheier, Bakker, Chor. Foto: Jörg Landsberg.
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Mit Selbstironie und perfektem Timing – „Hello Dolly“ fulminant am Theater Bremen

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Zwanzig Jahre ist es her, als der damalige Intendant des Theater Bremen, Klaus Pierwoß, erfolgreich gegen Kultursenatspläne protestierte, dass Bremen ein eigenes Musicaltheater brauche. „Das können wir auch“, wollte er beweisen und hat es auch mit dem Engagement von Helmut Baumann. Nicht nur dessen „My fair Lady“ wurde zu einem immer ausverkauften Ereignis. Nun hat  der neue Oberspielleiter der Oper Bremen mit der Inszenierung von „Hello Dolly“, Frank Hilbrich, gezeigt, dass auch er das Genre ovationstreibend auf die Bühne stellen kann:

Man kann es immer wieder kaum glauben, wie punktgenau er Effekte setzt, die nie irgendein Gag-Klischee bedienen, sondern immer winzige Knallbonbons, die voller kluger Ironie sind. Die Rede ist von der 1964 am Broadway uraufgeführten „musikalischen Komödie“ „Hello Dolly“ von Jerry Herrman. Nicht nur Hilbrich hat in dieser ebenso unterhaltsamen wie spannungsgeladenen und einfach schönen Produktion alles richtig gemacht.

In der Geschichte der Heiratsvermittlerin Dolly Levi, die als Witwe zwar betagt, aber doch auch wieder selbst auf der Suche nach einem Mann ist, beeindruckt die Choreographie von Dominik Büttner, der es verstanden hat, aus Chor und TänzerInnen eine stimmige mitreißende Show hinzulegen. Da präsentiert der Dirigent William Kelley gekonnt die Bremer Philharmoniker für ironische Brechungen, die denjenigen der Inszenierung entsprechen. Die zeitlosen Fantasiekostüme – inklusive der superkomischen Hüte in Irene Molloys Geschäft – von Gabriele Rupprecht sitzen passgenau und taugen dazu, die ZuschauerInnenfantasie weiterlaufen zu lassen – wunderbar. Volker Thiele überrascht mit dem flexiblen Bühnenbild mit immer neuen Einfällen.

Und dann die Besetzung, die Maßstäbe setzen dürfte: zwar steht im Mittelpunkt mit ihrer enorm spannungsvollen Energie die Entertainerin Gayle Tufts, die mit ihrem verzaubernden „Dinglisch“ – einer witzigen Fantasiesprache zwischen deutsch und englisch – und ihrer selbstironischen Präsenz, aber ohne die anderen Rollen käme auch sie nicht zu ihrer atemberaubenden Wirkung. Da ist an erster Stelle Christoph Heinrich zu nennen, der einmal mehr klar macht, welch großer Singdarsteller da weiter auf seinem Weg ist. Sein Horace Vandergelder, der Dolly den Vermittlungsauftrag vergibt und der nicht die Liebe, sondern eine „Perle“ sucht, und den sie am Ende selbst heiratet, ist – obschon Millionär – ein kommunikationsunfähiger verbitterter bulliger Mensch, der immer wieder ein Rest von Humor über sich selbst aufblitzen lässt. Auch Ulrike Mayer ist hier zu nennen, die ihren Hutladen und ihren Witwenstatus gründlich satthat und das Leben weitertoben lässt. Weitere Akzente setzen Jan Spinetti, Timo Stacey, Elisa Birkenheier, Joel de Detiège. Hilbrich hat es mit diesen DarstellerInnen neben der sensiblen Selbstironie mit einem perfekten Timing verstanden, der einfachen und absurden Geschichte Tiefe zu geben, nicht nur Komik und Unterhaltung. Er nimmt die Menschen ernst, sehr ernst. Wenn am Ende, wenn wirklich alles aus den Fugen und wieder ins Lot gerät, die Stimme des Richters sagt, dass alle an allem gegenüber allen schuldig sind, sind auch wir gemeint.

Die nächsten Aufführungen: 22. und 26.12. um 18 Uhr, 29.12. um 19.30, am 31. 12 um 15 und 19 Uhr, 11. und21. 1. 2023 um 19.30, 12.2. um 15.30 und 19.3. 18 Uhr.

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