Die Götter sind lustig und auch nur Menschen.

Barbara Pálffy

Als wäre Jacques Offenbachs Orpheus in der Unterwelt nicht gut mit gesellschaftsbissigen Turbulenzen bestückt, wurde dem Stück an der Volksoper auch noch eine Rahmenhandlung beigelegt: Es betritt der Komponist selbst, der seine Parodie auf die Scheinmoral der französischen Gesellschaft antik getarnt hat, die Bühne. Offenbach fühlt sich geehrt, endlich an der Wiener Staatsoper aufgeführt zu werden!

Es ist ein Irrtum des Auferstandenen (1819–1880), auf den ihn aufmerksam zu machen, lange keiner wagt. Schließlich ist der Compositeur (großartig Marcel Mohab) ein Mann mit fragilen Nerven. Er zürnt, weil es von ihm kein Denkmal in Wien gibt. Bei der Nennung des Namens Richard Wagner bricht er sogar zusammen (Offenbach schreiend: "Dieser selbstgerechte Kryptofaschist!"). Aufrichten kann ihn an diesem Samstagabend nur der Gedanke, dass auch Wagner kein Denkmal besitzt.

Auch Bacchus ist zugegen

Natürlich ist auch der Anblick von Eurydike aufbauend und erregend, die Hedwig Ritter mutig und schrill durch alle Koloraturgefahren navigiert. Offenbach hat sich in die von ihm komponierte Figur verguckt und wird ihr die gesamte Inszenierung der britischen Heiterkeitstruppe Spymonkey hindurch hinterherhecheln. Auch als Gott Bacchus, bevor er am Ende doch ein Denkmal bekommt, indem er von Jupiter in ein solches verwandelt wird.

Oft zu behutsam

An dieser Rahmenhandlung, für die zu danken ist, war erkennbar: Toby Park und Aitor Basauri (Spymonkey) sind gewitzte Kreatoren von Geschichten und Einzelpointen. Dort jedoch, wo sie versuchen, die Geschichte behutsam zu verblödeln, wirken ihre Ideen wie bieder zelebrierte Faschingsgags. Im ersten Teil vor allem fehlt es an Schärfe und handwerklicher Temporafinesse.

Im Bühnenbild von Julian Crouch, das mit seinen gemalten Kulissen an barockes Operntheater erinnert, in dem die Figuren kostümmäßig an Monty Pythons Film Das Leben des Brian gemahnen, werden u. a. tanzende Schafe geschoren, die mit hüpfenden Bienen kämpfen. Arm auch Eurydike. Sie muss gefesselt das Geigenspiel ihres Musiklehrergatten Orpheus (solide Daniel Kluge) ertragen, der froh ist, seine Frau an die Unterwelt abzugeben. Eben dorthin reist Gott Pluto (lustig Timothy Fallon) mit der Dame per Höllenaufzug, während oben, auf dem Olymp, verschlafene Regiestimmung herrscht. Nicht so prickelnd.

Das späte Wunder

Natürlich darf nicht verschwiegen werden, dass einzelne Gäste der Premiere jede Pointe zum Anlass nahmen, sich ordentlich zu zerkugeln. Das war auffällig und für manche ansteckend. Es kam die Vermutung auf, diese Publikumslacher seien als Doping für manch billigen Schmäh bewusst mitinszeniert worden.

Dann aber, Richtung Finale, geschieht unerwartet Wundersames: In der Gerichtsszene wacht die Inszenierung auch dank entfesselter Richter (Jakob Semotan, Oliver Liebl, Martin Enenkel) auf und lässt die Lacher hausweit eskalieren: Höllenhund Zerberus erleichtert sich schließlich und hinterlässt eine schlangenartige Stuhlprobe, an der ein in eine Fliege verwandelter Jupiter (mit vollem Schnuppereinsatz der impulsive Marco Di Sapia) mehr Gefallen findet als an Eurydike. So viel wurde an der Volksoper selten über virtuosen Slapstickunsinn gelacht.

Sorge um die Stimme

So hat es sich am Ende doch ausgezahlt, das Werk britisch zu verblödeln. Die guten Einzelmomente – auch der von einem Polizistenballett geflötete Cancan – wogen mehr als die Schwächen, die auch im Vokalen zu finden waren. So hatte man Sorge um die Stimme von Ruth Brauer-Kvam, die als Öffentliche Meinung das starke, ernste Element des Abends war. Vokal war es aber ein schmerzhafter Grenzgang.

Das Orchester unter Alexander Joel war in engagierter Form, trieb die Handlung voran, reizte aber lautstärkemäßig die akustischen Defizite des Hauses mitunter leider herzhaft aus. Dennoch Applaus. (Ljubiša Tošic, 22.1.2023)