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Gunnar Frietsch (Baron Puck), Sigrid Hauser (Erusine von Nepomukka), Alexander Grassauer (General Bumm). Foto: © Jean-Marc Turmes
Gunnar Frietsch (Baron Puck), Sigrid Hauser (Erusine von Nepomukka), Alexander Grassauer (General Bumm). Foto: © Jean-Marc Turmes
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Die Satire beißt nicht – Die Dresdner Militär-Offenbachiade neu einstudiert im Münchner Gärtnerplatztheater

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 „Diesmal mokieren wir uns über den Krieg, und der Krieg steht vor unseren Toren“ notierte Librettist Ludovic Halévy 1867 in sein Tagebuch, im Umfeld der Uraufführung von Jacques Offenbachs „Die Großherzogin von Gerolstein“. 1866 hatte Bismarcks Preußen Österreich aus der deutschen Frage gedrängt. 1870 begann der fatale Deutsch-Französische Krieg. Jetzt, 2023, herrscht Krieg – geografisch und medial nahe gerückt – schwere Zeiten für die Satire…

All das wusste Intendant Josef E. Köpplinger, als er die Koproduktion mit der Staatsoper Dresden einging. Deshalb modernisierte er - wie im Umfeld Offenbachs üblich – Textpassagen und ließ sich von Thomas Pigor, einem Profi des Genres, Textergänzungen schreiben. Er selbst hat mehrfach im Gärtnerplatz sein „Händchen für die leichte Muse“ bewiesen. Der in Frankfurt und an großen Staatsopern geschätzte Bühnen-Zauberer Johannes Leiacker, ein Köpplinger-Freund seit gemeinsamen Klagenfurter-Tagen, und der für Kostüm-Opulenz bekannte Alfred Mayerhofer durften in die Vollen gehen wie das ganze Bühnen-Team – und eine erstklassige Besetzung stand bereit.

Vorhang auf – und parallel zum Vorspann-Logo eines amerikanischen Medienkonzern drehte „Gerolstein Productions present“ auf der bühnengroßen Film-Leinwand herein. Dann folgten die grandiosen Fakten – natürlich nicht zum heutigen Mineralwasser, sondern zum fiktiven Großherzogtum: die Mini-Fläche, 248 – durchgestrichen: nur noch 247 Einwohner – GPS-Daten - Datum – und als die Leinwand hochfuhr machten zwei Handvoll Soldaten die Parallelen zwischen Exerzieren und Ballett klar.

Intendant-Regisseur Köpplinger hatte außerdem eingefügt: eine mehrfach durch die Szene und über das Bühnenproszenium haspelnde Touristen-Gruppe, die von einer trötigen Fremdenführerin zu den im Off liegenden Sehenswürdigkeiten gejagt wurde; vor allem aber hatte er Tenor Juan Carlos Falcon in die Soldaten-tolle Großherzogin verwandeln lassen. Falcon meisterte die Travestie sehr gekonnt, ohne Tuntigkeit oder falsche Überzeichnung. Nur blieb ein Interpretationsfeuerwerk aus: dass es in solchen früheren Männer-Reservaten wie Armee zu homoerotischen Annäherungen kommen kann: vollkommen richtig; aber wo ist der Unterschied einer liebestollen Fürstin, die ihre Soldaten vernaschen will? Da waren Soldaten-Ballett im Tutu zu „Schwanensee“-Zitaten und am Schluss ein Foto mit sechs-nicht „sex“ – propren Boys als Trost für die Fürstin doch ein wenig wenig.

Zwischen berechtigter bis ausufernder Genderei und realem Krieg tut sich nette Satire doch schwer. Bissiger Hohn à la Monty Python oder entlarvender Abgrund à la „Dr. Seltsam“ sind halt schwer; „Tootsie“ und „Mrs. Doubtfire“ unterhalten witziger.

Dennoch bot die Bühne viele pfiffige Details, etwa den im verstaubten Goldrahmen herabfahrenden Degen à la Wunderwaffe oder eine raffiniert mit Schaum angedeutete Badewanne, in der der hübsche Soldat Fritz von „seine*r*m Fürst*in“ verführt werden soll und es zu neckischem Höschen&Badetuch-Geplänkel kommt. Dererlei war auch das Verdienst eines sehr guten Ensembles. Mateo Ivan Rašić sang-schauspielerte einen glänzenden Fritz mit seiner resolut sopran-strahlenden Wanda von Julia Sturzlbaum an der Seite. Hübsch überzeichnete Hofschranzen und der gekonnt hintergründig gefährliche Baron Grog von Alexander Franzen beeindruckten.

Doch alle müssen deutlich an der Textverständlichkeit arbeiten; Übertitel wären eine Hilfe. Choreograf Adam Cooper hatte sie alle und seine acht Soldaten quirlig und dann auch tänzerisch fetzig geführt. Dirigent Michael Balke und das Orchester lieferten den immer wieder mitreißenden Offenbach-Trubel, der den rasanten Galopp x-fach in Can-Can-Nähe führt. Einhelliger Jubel für Unterhaltung in unseren problematischen Zeiten.

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