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„La Traviata“ am Staatstheater Darmstadt: Der Tod regiert

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Aber noch lebt sie. Hila Baggio (am Boden) mit Solgerd Isalv, in „La Traviata“ am Staatstheater Darmstadt. Foto: Nils Heck
Aber noch lebt sie. Hila Baggio (am Boden) mit Solgerd Isalv, in „La Traviata“ am Staatstheater Darmstadt. Foto: Nils Heck © Nils Heck

Es kann nicht gut ausgehen, außer dem Tenor ist das allen klar – „La Traviata“ in einer geschmackssicheren Inszenierung in Darmstadt.

Giuseppe Verdis „La Traviata“, eine Oper ohne Leerläufe, braucht vermutlich vor allem einen geschmackssicheren und zarten Zugriff. Beides hat Karsten Wiegand zu bieten, der in seiner Eigenschaft als gelegentlich regieführender Intendant in Darmstadt auch diesmal eine überzeugende Inszenierung entwickelt hat. Der Tod regiert.

Violetta liegt zur Ouvertüre auf dem Bühnenboden, als wäre schon alles vorbei. Dass ihr zärtlich die Hände und das Gesicht gereinigt werden, könnte schon zur Leichenwaschung gehören, dann aber regt sie sich doch. Ihre Freundin hilft ihr in das grandiose Abendkleid, sie rafft sich auf, das Leben geht noch einmal weiter, die nächste glanzvolle Pariser Feier hebt an. Da die Musik ihr Sterben schon vorausnimmt, geht das ausgezeichnet auf, ein Sterben, das über allem liegen wird, und kein Schicksal könnte es noch verhindern, darum geht es gar nicht. Sie weiß es, alle wissen es, nur der Tenor macht sich wie immer etwas vor.

Wiegand, von dem auch die Bühne ist, und sein Kostümbildner Alfred Mayerhofer signalisieren das ohne Unterlass, aber auch weitgehend ohne Aufdringlichkeit. Auf riesig vergrößerten Röntgenaufnahmen lässt sich der fortschreitende Verfall von Violettas Lunge nachvollziehen. Der Chor hat Masken zur Hand, die eher Totenköpfe als Clowns zeigen, während Violetta selbst einen gigantischen, aber nicht triumphalen Stierkopf tragen wird. Seine Augen sind schon blutig, ein Opfertier, ein Tier am Ende eines Stiefkampfs. Ein aufgeladenes Bild, wie auch die Szene, in der das Champagnerglas ei Messkelch ist. Wenn es auf Leben und Tod geht, kommt die Religion ins Spiel, aber die Menschen auf der Bühne scheinen davon gar nichts mitzubekommen und Wiegand lässt auch uns die Wahl.

Für den ländlichen Mittelakt zeigen die sonst auch spiegelnden – auch das Publikum spiegelnden –Kulissen bukolische und paradiesische Ausschnitte aus Hieronymus Boschs normalerweise recht rabiaten „Garten der Lüste“. Wo Adam, Eva und Christus platziert sind, bleiben die Tafeln weiß. Wie Alfredo, Violetta und der alte Germont hier womöglich eingepasst werden könnten, ist ein Rätsel, aber eines, das gut aussieht. Dazu niedliche Schafsfiguren. Alles könnte so schön sein, alles ist so hoffnungslos.

Die Personenführung ist zum Teil stark, Hila Baggio ist eine ergreifende, sympathische Violetta, die sich mit dem Vater Alfredos, Aluda Todua, hervorragend versteht. In der großen Verzichtsszene – natürlich ihrem Verzicht, der Vater kann alles so regeln, wie es für seine Familie am besten ist – kommen sich die beiden näher, als es zwischen ihr und Alfredo je der Fall sein wird. Das mag damit zu tun haben, dass Andrés Agudelo ein relativ konventionelles Gestenrepertoire des liebenden Tenors anbietet.

Musikalisch ein ordentlicher Eindruck, wobei die Koordination zwischen dem von Ines Kaun trefflich und feinsinnig einstudierten Chor und dem Orchester offenbar erstaunlich kompliziert war. Dem Dirigenten Daniel Cohen gelang ein eleganter, beschwingter Verdi ohne Derbheiten. Hila Baggios Sopran geriet gelegentlich ins Grelle, was aber auch daran erinnerte, was für eine schwierige Partie das ist. Agudelos Tenor klang gut, wirkte allerdings meistens etwas eng. Todua trumpfte unter den großen Partien auf mit einem klassischen Verdi-Vater-Bariton. Solgerd Isalv war eine sichere, von der Regie fein in die Mitte geschobene Flora. Das Publikum so begeistert, wie es bei einer „Traviata“ sein muss.

Staatstheater Darmstadt: 10., 25. Februar, 3. 16., 26. März. www.staatstheater-darmstadt.de

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