Wien: Eine neue „Salome“ von Richard Strauss an der Staatsoper mit packenden Klängen

Xl_salome-wien-2-23-3 © Michael Pöhn

So mancher Opern-Nostalgiker mag traurig sein, dass seine liebgewonnene, aus 1972 stammende Produktion von Richard Strauss „Salome“ in der Inszenierung von Boleslaw Barlog in der ästhetischen, jugendstilartigen Fin-de-Siècle Ausstattung und an Gustav Klimt erinnernden Dekorationen nunmehr Geschichte ist. Denn jetzt gibt es an der Wiener Staatsoper eine Neuproduktion von Cyril Teste – seine erste Inszenierung außerhalb von Frankreich. Der französische Regisseur lässt sie zeitlos und unverortet in einem durchaus ästhetischen Allerweltsbühnenbild von Valérie Grall spielen. Man sieht eine in Smoking, Uniformen und Abendroben fein gewandete (Kostüme: Marie La Rocca) Tischgesellschaft beim Essen und Trinken. Der lüsterne Tetrach als Partygeber und seine stets rauchende und trinkende Frau, die Juden und Nazarener sitzen an einer langen Tafel zwischen Säulen und vor einem riesigen Mond, der sich bald blutrot färbt. Vorne liegt angedeutet eine Zisterne. Und immer wieder zeigt die heute fast schon unvermeidliche Live-Kamera meist Salome in allen Fassetten in Großaufnahme sowie die grapschenden Annäherungsversuche des Herodes. Das im Vorfeld angekündigte Missbrauchsdrama findet nur in den Ansätzen statt, obwohl der Regisseur gleich drei Salomes einsetzt: Eine nur in Videos exzellent tanzende Anna Chesnova, eine stumme als Kind (Margaryte Lazniuk) und natürlich eine meist agierende und singende in einem weißen Kleid. Diese Idee hat allerdings kaum eine dramatische Wirkung. Ein Schleiertanz findet nur bedingt statt. Währenddessen soll ein angekündigter, im Zuschauerraum und eigens von Starparfümeur Francis Kurkdjian kreierter Duft angeblich versprüht worden sein. Dieser ist jedoch nicht wahrnehmbar. Der blutüberströmte Henker Jochanaans legt die abgelöste Gesichtshaut des getöteten Propheten als Maske an und wiegt sich mit der entrückten Prinzessin im Rhythmus der Musik, bis Salome niedersinkt. Trotzdem finden Emotionen szenisch nur bedingt statt.

Musikalisch schaut dieses hingegen ganz anders aus: Denn der scheidende Musikdirektor Philippe Jordan am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper vermag mit präziser Schlagtechnik die farbenreichen Fassetten und starken Gefühle der überwältigenden Partitur voll auszukosten. Er lässt die gewaltigen, spannungsgeladenen Steigerungen, die immer wieder wild ausfahrenden Momente und die schneidenden Klänge aus dem Graben effektvoll und großer Klangpracht erklingen, ohne dabei zu sehr auf das Forte-Pedal zu steigen. Es gab für ihn auch am Schluss viel Applaus!

Eingesprungen für Malin Byström ist Jennifer Holloway eine wenig textverständliche, nicht immer ideal zu hörende aber sehr expressive Salome. Sie wird nicht als Verführerin, sondern mehr als Rächerin für ihren Missbrauch dargestellt. Wolfgang Koch wirkt als szenisch blasser Johanaan stimmlich etwas angestrengt. Er ist als fundamentalistischer Prediger auch teils zu tremoloreich. „Sie ist ein Ungeheuer, deine Tochter. Ich sage dir, sie ist ein Ungeheuer“: Wortdeutlichst und messerscharf mit seinem klaren, hellen Tenor lässt uns jedes Wort erschauern! Der ungemein präsente Gerhard Siegel kann dem Herodes großes Profil geben! Auch das Hin- und Hergerissensein zwischen Geilheit, Eidestreue und Ekel setzt er gestalterisch effektvoll um. Extravagant wirkt Michaela Schuster als Herodias. Daniel Jenz singt einen schön timbrierten, erstklassigen Narraboth. Von den kleineren Partien beindruckt Patricia Nolz als Page. Die weiteren Rollen weisen keine Schwachstellen auf.

Langanhaltender Jubel!

Dr.Helmut Christian Mayer

 

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